Die Liste seiner Stars auf Erden liest sich wie das Who's who der jüngeren Renn-geschichte: Dieter Braun, Giacomo Agostini, Barry Sheene, Toni Mang, Carl Fogarty. Sie alle haben sich das Leder aus Molvena übergestreift und sind dann damit regelmäßig aufs Podium gefahren. Doch ein Name leuchtet an diesem Sternenhimmel heller und länger als alle anderen. Es ist der von Valentino Rossi, Nummer 46 im System. Ein Ausnahmetalent, das Weltmeistertitel sammelt wie andere Menschen Strafzettel. Und der wie kein zweiter Fahrer von Kopf bis Fuß auf Dainese eingestellt ist. Das prägnante Logo in Form eines stilisierten Teufelskopfes und der Teufelskerl aus Tavullio: Seit Jahren machen sie nun schon gemeinsame Sache.
Das ist nicht nur auf der Piste und in Werbekampagnen zu sehen. Das spüren auch Besucher am Stammsitz von Dainese in Molvena, einer Kleinstadt nahe Venedig, mitten im Zentrum der italienischen Lederindustrie. Valentino ist hier allgegenwärtig, das Herz der Firma scheint förmlich im 46er-Takt zu schlagen. Ob in der Näherei, wo neben Prototypen für künftige Kollek-tionen seine Rennkombis geschneidert werden, oder in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die sehr viel Wert auf die Meinung des MotoGP-Piloten legt. Bei "Kleinigkeiten" wie der Entwicklung von Stiefeln mit Axialgelenken und Handschuhen mit vorgeformten Protektoren ge-nauso wie beim aktuell größten Projekt von Dainese namens "D-Air": Ein Airbag für Motorradfahrer, der ohne Input aus dem Renngeschehen kaum zu entwickeln wäre. Zusammen mit seinem Teamkollegen Jorge Lorenzo liefert Rossi die entscheidenden Parameter, die Dainese-Projektleiter Alessandro Bellati braucht, um das System nach einer mehr als zehnjährigen Entwicklungsphase endlich serienreif zu machen. Als besonders heikel gilt die GPS-gestützte Auslösesteuerung. Ob nun Motorrad- und Fahrerbewegungen tatsächlich auf einen Sturz hindeuten, für den der Airbag ausgelöst werden muss, wäre ohne Einspeisung der unendlich vielen Daten direkt von der Piste undenkbar.
Rossi ist auf nahezu jedem Schreibtisch von Molvena präsent. Sei es, dass ein handsignierter Knieschleifer des "Dottore" als Briefbeschwerer dient oder ein Foto mit Rossi-Widmung neben dem PC steht. Auch in der "Asservatenkammer" von Dainese herrscht Rossimania. Auf rund 200 Quadratmetern hängt all das, was Dainese für die Stars und Sternchen dieser Welt geschaffen hat. Darunter vieles, was den kecken Schriftzug "The Doctor" überm Po trägt. Einiges davon ist vom 2. März bis 8. August in Paris im Rahmen der Ausstellung "À toute épreuve" zu sehen. Zusammen mit dem Kurzfilm "Einkleidung des Helden", der Rossis Ankleideritual vor dem Rennen zeigt. (Infos: www.cite-sciences.fr). Mittlerweile macht Dainese auch vor Rossis Kopf nicht Halt: Den Helm ziert zwar das Wappen von AGV, doch die Marke gehört seit 2007 ebenfalls zum Portfolio von Lino Dainese, der im Anschluss an die Übernahme seinen Starpiloten gleich zum Ehrenpräsidenten von AGV ernannte. Eine bessere Verkaufsförderung als das ständig wechselnde Dekor, mit dem Nr. 46 für Schlagzeilen sorgt, ist kaum vorstellbar.
Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass Rossi doch noch in die Formel 1 wechselt. Vielleicht geht er aber mit 51 Jahren im Dainese-Biosuit auf Mars-Mission. Verwunderlich wäre das jedenfalls nicht.
Lino Dainese und Valentino Rossi

Es ist die klassische Tellerwäscher-Story, die hinter dem Namen Lino Dainese steckt. Dem passionierten Fahrer einer Bultaco Matador wollte partout keine Crosshose passen. Also schneiderte Lino selbst drauf los. Schnell waren die Hosen in der Szene gefragt und Lino hing seinen Job in der Lederbranche an den Nagel. 1972 legte der Jungunternehmer in Molvena richtig los, ein Jahr zuvor hatte er bereits die Urform des markanten Logos in Form eines Teufelskopfes entworfen. Schnell bewegte sich Dainese aus der Crossszene heraus. Bereits 1974 startete Grand-Prix-Fahrer Dieter Braun als Werksfahrer im Dainese-Dress, 1976 folgt Giacomo Agostini. 1978 entsteht in Daineses rasendem Entwicklungslabor mit Barry Sheene der erste Rückenprotektor, 1980 folgen die "Stachelschweine" genannten Knieschleifer.
Vater Graziano war WM-Pilot in der 250er- und 500er-Klasse und fuhr seine beste Saison in Valentinos Geburtsjahr 1979, wo er auf Morbidelli WM-Dritter wurde. Entsprechend verlief die Kindheit von Valentino Rossi: Minimotorrad, Go-Kart und mit 14 die 125er. Beim Debüt soll die Cagiva gleich in der ersten Kurve gelegen haben, nach der Reparatur schaffte es der jugendliche Held immerhin bis Kurve drei. 1996 startete Rossi in der 125er-WM. Bereits ein Jahr später hatte er den ersten Titel im Sack. Aus "Rossifumi" (in Anlehnung an sein Idol Norifumi Abe) wurde bei den 250ern zum "Valentinik" (eine Ableitung aus Donald Duck als Superheld Paperinik) und später in der 500er-Königsklasse "The Doctor". Mittlerweile ist die Startnummer 46, die er von seinem Vater übernommen hat, um neun WM-Titel reicher.