Neu ist das Konzept nicht: Clevere Marketingstrategen transportieren den Nimbus einer Motorradfirma über die reinen Produkte hinaus in eine Erlebniswelt. Ducati macht das mit der "DRE", der sogenannten Ducati Riding Experience, die das Fahrkönnen und das Fahrerlebnis der Kunden in diversen Disziplinen intensivieren soll. Eine Leserin und vier Leser von MOTORRAD gewannen jüngst die Teilnahme an Ducatis Adventure-Kosmos und ließen sich ein Wochenende lang in höherer Fahrkunst unterweisen. Zentrum des Fahrtrainings ist das edle Weingut Castello Nipozzano in der Nähe von Florenz, das eingebettet in eine wunderschöne Toskana-Bilderbuchlandschaft den hohen Anspruch von Ducatis Fahrer-Akademie untermalt.
Daniela, Eddi, Tim, Torsten und Andres
Unsere MOTORRAD-Leserin und ihre männlichen Kollegen sind allesamt gestandene Persönlichkeiten in höheren beruflichen Positionen mit fortgeschrittener Lebens- und Fahrerfahrung. Menschen, die sich auszudrücken wissen und sich kritisch mit der Welt und mit Motorrädern auseinandersetzen. Daniela, die in Aichtal bei Stuttgart lebt und als Prokuristin einer Kosmetikfirma arbeitet, ist leidenschaftliche Ducati-Anhängerin, die erst kürzlich aus voller Überzeugung eine Multistrada V4 S gekauft und individualisiert hat. Eddi, der aus Augsburg kommt und einer großen Getriebefirma zum Erfolg verhilft, bemängelt, dass die Multi V4S keine desmodromische Ventilsteuerung mehr habe, was für ihn, den technisch affinen Ducati-Fan, quasi eine Sünde sei. "Die Multi V4 ist mir zu weichgespült, ich stehe auf den Zweizylinder und auf ein 17-Zoll-Vorderrad", gibt der GP-Fan gerne zu.
Zwei Zylinder, aber in Boxer-Konfiguration sind das Nonplusultra für Tim, den eloquenten Anwalt aus Köln, der gerne mal dialektisch-humorvoll provoziert. Er kommt auf Achse zum Event und behauptet, dass so ein Marathon nur auf der 1250er-GS gesund überstanden werden könnte. Auch Torsten aus Moers, sympathischer Manager in der Lebensmittelbranche, setzt daheim auf bayerisches Material, lässt sich von der geballten Technik der V4 S aber durchaus beeindrucken. Hoher technischer Aufwand? Das ist fast normal für Andres aus Karlsruhe, Manager aus dem Automobilbereich, der privat eine KTM 1290 Super Adventure pilotiert und mit analytischem Sachverstand schon am ersten Abend mit den anderen diskutiert. Bereits nach wenigen Stunden zeichnet sich ab: Diese Truppe kann miteinander.

Früh am nächsten Morgen wird es ernst. Unsere MOTORRAD-Leser erhalten ein gut strukturiertes Briefing, die Ducati-Crew stellt sich vor: Andrea Rossi ist der technische Direktor der DRE, der 2020 und 2021 die Transanatolia-Rally gewonnen hat. Die Instruktoren sind Matteo Graziani, Dario Neri, Alesandro Broglia und Francesco Cellini. Foto- und Video-Dokumentation gehen auf das Konto von Alessandro Mollo. Alle sind hochkompetente Offroad-Spezialisten, teilweise Legenden in Italien.
Multi V4 S auf Stollenreifen und mit Enduro-Modus
Dann wird geübt. Unsere Teilnehmer fahren Multistrada V4 S auf Stollenreifen mit eingestelltem Enduro-Modus. Slalom, Notbremsung, Balance-Balken, Wellblech, Sand, alles Offroad und in großer Hitze. Bereits nach kurzer Zeit wird klar: Das Coaching ist pädagogisch wertvoll, die Übungen sind effektiv, das Trainingsgelände wechselt zwischen leicht und anspruchsvoll. Matteo, Dario, Alessandro und Francesco sind strenge, engagierte Lehrer, Kommunikation und medizinische Versorgung funktionieren auf hohem Niveau, alle Teilnehmer fühlen sich sicher und machen Fortschritte, vor allem, wenn sie wie Eddi und Torsten keine Enduro-Erfahrung haben. Mit Fahrzeuggefühl, Kraft und Willen schlagen sich die beiden Stollen-Neulinge bestens. Die Multistrada ist kein Federgewicht, umso mehr muss man bewundern, wie sie sich im Gelände bewegen lässt und was man mit ihr anstellen kann. Abwürgen am Steilhang, Aufheben nach Umfaller, Reifen reparieren, schwere Hänge hoch und runter. All das und mehr steht auf dem Programm des ersten Tages, der mit einer Video-Fehleranalyse, einem kulinarisch wertvollen Abendessen und vorzüglichen Weinen im Innenhof des Castello unter dem Sternenhimmel endet.

Am nächsten Tag wird das Erlernte im Rahmen einer 200 Kilometer-Runde mit etwa 30 Prozent Offroad-Anteil in die Adventure-Praxis umgesetzt. Anspruchsvolle Gelände-Passagen wechseln mit tollen Asphalt-Kurven, wir passieren preiswürdige Panoramen, erklimmen über 1.600 Meter, genießen Wälder, Hügel, Gewässer, Weingüter, kurz eine Toskana wie aus dem Bilderbuch und ohne viel Verkehr. Dazwischen immer wieder Übungen und Einzel-Coachings neben wunderbaren Picknick-Plätzen. Hut ab vor dieser tollen Organisation! Verstaubt, verschwitzt, aber mehrheitlich glücklich verlassen Daniela, Eddi, Tim, Thorsten und Andres die breiten Lenker ihrer Multistradas und nehmen am Abend ihre Teilnahme-Urkunden entgegen. Den charismatischen aber unnachgiebigen Instruktoren glaubt man, dass sie nur jene Teilnehmer loben, die es auch verdient haben. Alle bekommen Anerkennung, besonders Daniela, die dank ihres eleganten Fahrstils, ihrer Willenskraft und der effektiven Umsetzung der Trainingsinhalte zu hören bekommt, sie sei die bis dato beste Frau, die die DRE-Kurse jemals absolviert habe. Bravissimo!
Der Chronist vermerkt beglückt, dass die MOTORRAD-Teilnehmer-Truppe untereinander Freundschaft geschlossen hat, sich wieder treffen will und der Multistrada Anerkennung zollt. Er selbst hat sich verliebt in die Desert X, auf der er den Event begleiten durfte. Fazit: Im Falle von Ducati funktioniert das Marketing-Tool "Erlebniswelten schaffen" bemerkenswert gut. Wer sich für das inhaltsstarke Academy-Weiterbildungsprogramm interessiert: www.ducati.com/ww/en/experience
Ducati Multistrada V4, V4 S, V4 S Sport
Alle neuen Multistradas verfügen über Kurven-ABS, Traktions- und Wheeliekontrolle, vier Riding-Modes, Voll-LED-Scheinwerfer, verstellbaren Windschild, höhenverstellbare Sitzbank und TFT-Display. Zusätzlich hat das S-Modell ein semiaktives elektronisches Fahrwerk einschließlich Autoleveling, das die Beladung des Motorrads erkennt und das Fahrwerk anpasst, Quickshifter, Kurvenlicht, Tempomat, Berganfahrhilfe, größeres TFT-Display (6,5 statt 5 Zoll), Joystick und Ducati Connect, das die Handy-Apps ins Cockpit spiegelt, einschließlich Navi. Das Handy selbst findet in einem kleinen Fach auf dem Tank Platz, wo es sich per USB aufladen lässt. Für die S gibt es diverse Ausstattungsvarianten ab Werk, darunter "Travel & Radar" mit dem neuen Radarsystem: Nach vorn hält dabei ein adaptiver Tempomat einen vorgegebenen Abstand ein und bremst eigenständig, wenn man auf ein langsameres Fahrzeug aufläuft; bei freier Bahn wird automatisch wieder beschleunigt – praktisch auf der Autobahn, im Stadtverkehr oder bei Tempolimits auf der Landstraße. Noch interessanter sind Kollisionswarner und Totwinkelassistent: Leuchtzeichen an den Spiegeln warnen den Fahrer, wenn sich von hinten ein schnelleres Fahrzeug nähert. Selbst notorische Schulterblicker wollen dieses Sicherheits-Feature schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen. Zusätzlich bieten die Ducati-Händler diverse Zubehörpakete an, von "Enduro" über "Urban" bis zu "Performance". Preis für die V4 S: ab 22.190 Euro. Preis für die Basis-Multistrada: ab 19.290 Euro. Preis für die V4 S Sport: ab 26.690 Euro. Bei der Sport packt Ducati neben der S-Ausstattung noch einen Akrapovic-Endschalldämpfer, einen Carbon-Fender und eine spezielle Lackierung oben drauf.
Ducati Multistrada V4 Pikes Peak
Die Pikes Peak ist kein Sondermodell, sondern ein eigenständiges Modell. Ausgerüstet mit 17 Zöllern und Einarmschwinge macht sie auf Megamoto. Damit sind die Voraussetzungen für echte Sportreifen geschaffen. Ducati setzt bei der Erstausrüstung auf Pirelli Diablo Rosso IV in den Dimensionen 120/70 vorn und 190/55 hinten. Die Pikes Peak kostet ab 28.790 Euro
Technische Daten der Ducati Multistrada V4 S
Motor: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, 1.158 cm³ Hubraum, 170 PS bei 10.500/min, 125 Nm bei 8.750/min, Trockengewicht 218 kg, vollgetankt 254 kg, Zuladung 216 kg, zulässiges Gesamtgewicht 470 kg, Tankinhalt 22,0 Liter, Sitzhöhe 840–860 mm, Garantie: vier Jahre.