Das 23. Elefantentreffen im Bayerischen Wald

Elefantentreffen im Bayerischen Wald Das 23. Elefantentreffen im Bayerischen Wald

Wozu Winterreifen? Wenn man Kabelbinder auch als Schneeketten nutzen kann! Mit individuellen Lösungen trotzten die Besucher unsinnigen Gesetzen, eisiger Kälte und jeder Vernunft. Aber hatten viel Spaß dabei.

Das 23. Elefantentreffen im Bayerischen Wald Schümann
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Jan, der Holländer, ist so etwas wie ein Ureinwohner des „Hexenkessels“. Seit irgendwann in den Neunzigern trägt ihn sein Ratbike-Gespann jedes Jahr von den Niederlanden nach Niederbayern. Und jedes Jahr sieht die Honda mit dem ölenden Vierzylinder eine Nummer ranziger aus. Und jedes Jahr wirkt Jan in seinen dicken Pelzschichten Yetihafter. Hexenkessel, so nennen die Elefantentreffenfahrer die Weidehänge unterhalb des Weilers Loh.

4300 Motorradfahrer aus buchstäblich ganz Europa plus 2100 Tagesgäste trafen sich am letzten Januarwochenende auf dem steilen Gelände, das am tiefsten Punkt eine Art natürliches Amphietheater bildet und dem örtlichen Stockcar-Club gehört. Die Kälte - nachts waren es zwischen den Zelten minus zwölf Grad - hatte die Elefantenfahrer, meist langjährige Wiederholungstäter wie Jan, noch nie abhalten können. Trotzdem schien der Erfolg des Treffens in diesem Jahr zweifelhafter denn je, hatte doch das Bundesverkehrsministerium im Dezember die "situative Winterreifenpflicht" auch für Motorräder ausgerufen. Das unsinnige Gesetz war denn auch großes Thema, wenn auch nicht für Jan, so für den Veranstalter, den Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM). Weil es für die übergroße Mehrheit von Motorrädern gar keine Winterreifen gibt, hatte der BVDM die verantwortlichen Politiker zum Elefantentreffen eingeladen. Einer war der Aufforderung sogar gefolgt: Am Samstag Morgen stellte sich Andreas Scheuer (CSU), Staatssekretär im Verkehrsministerium mit Wahlkreis im nahen Passau, dem Gesprächsangebot. Sein schwammiges Fazit: Die Winterreifenpflicht für Motorräder gilt bei Schnee und Eis weiter, aber fürs Jahr könne man ja nochmal drüber reden. Sprach‘s und verschwand wieder im Dienstwagen.

Von der medienwirksam gestalteten Kurzvisite des Krawattenträgers hatten die Treffenteilnehmer nicht wirklich etwas mitbekommen. Für sie war wichtiger, die Folgen der kalten Nacht zu kurieren. Viel Kaffee kann helfen, und das ein oder andere Frühstücksbier plöppte an den frisch angeschürten Lagerfeuern auch schon auf: "So machen Männer Wellness, prost."

Dieses Wohlfühlprogramm wollte Stefan aus Kelheim (Bay.) maximal genießen: "Ich bin schon am Mittwoch mit meiner Maico hier angekommen." Den betagten Zweitakter hatte er sich vor drei Jahren extra fürs Elefantentreffen gekauft, um seiner Honda das Salz, das Eis und die Folgen möglicher Ausrutscher zu ersparen. "Aber ich habe das gute Stück so lieb gewonnen, dass ich mittlerweile das ganze Jahr damit fahre," grinst er. So kann Männerwellness auch zum Bund fürs Leben führen.

Schümann
Zum traditionellen Treffen kamen 4300 Biker.

20 Meter weiter den Hang runter lässt Franz aus Straubing seine 350er XT an. Die kleine Enduro steht auf dem Hauptständer, das Hinterrad dreht frei in der Luft. Franz‘ Kumpels schieben eine Holzkiste ran, die mittels Gewindestange fest mit der Hinterachse verbunden wird, und los geht‘s: Über ein Reibrad treibt die Yamaha die eigens fürs Treffen konstruierte Kreissäge an. Ruck-zuck ist der Festmeter Fichtenholz fachgerecht zerkleinert, und die Straubinger Biker können wieder einheizen.

Derweilen hat der Schweizer Dominik das Heck seiner Dnepr zerlegt und die öligen Teile vor sich am Boden ausgebreitet: "Hat mal wieder Zahnweh," lächelt er und hält den Zuschauern - auf dem Elefantentreffen findet so gut wie jede Aktion mit einem Motorrad ihr Publikum - die abgefressene Antriebswelle entgegen. Abgescherte Zähne haben Löcher in einen Metalldeckel gerissen. "Das kann ich abdichten, und die Teile sind bestellt." Dominik hat die Ruhe weg. "Wenn‘s nicht klappt, schweiße ich alles fest und fahre mit dem Beiwagen-Antrieb heim." Als Dnepr-Fahrer kennt der Basler jede Schraube seines Gespanns mit kyrillisch geschriebenem Vor- und Zunamen.

Apropos Namen: Ein Grüner Elefant in Form einer Zündapp KS 601, nach welchem das Treffen benannt ist, war, zumindest von MOTORRAD, 2011 nicht auszumachen. Wohl aber dessen älteres und größeres Schwester-Modell: Einem Denkmal gleich parkte eine wunderschön restaurierte KS 750 direkt neben dem Haupteingang ins Gelände, der via Webcam über die Dauer des Treffens auf www.bvdm.de weltweit zu bewundern war.

Ebenfalls schwer bestaunt wurden die beiden dicken Gold Wings mit spanischen Kennzeichen, die der Wehrmachts-Zündapp gegenüber standen. Für den Fall eines Falls hatten ihre Besitzer die beiden nagelneuen 400-Kilo-Brummer mit klappbaren Stützrädern ausgestattet. Eigenwillige Methoden demonstrierten auch einige Teilnehmer aus Russland. Um sich gegen die Kälte zu schützen, hatte einer sein Varadero-Gespann mit einer Vollverkleidung aus Isomatten aufgewertet. Andere erschienen in den bunten Trachten ihrer Heimat, die sie - nach dem Matrjoschka-Puppen-Prinzip - über die Bikerklamotten gezogen hatten. Aus Chelabinsk war Walera Tulinov zum Elefantentreffen gekommen und hatte sich so den Preis für die weiteste Anfahrt verdient: 5600 Kilometer. Weniger weit, aber ebenso bemerkenswert: Ed, James und Glenn, die auf drei Honda Cub 90 aus Großbritannien angereist waren. Warum nicht mit großen Bikes? "Die darf James nicht fahren, er hat erst am Tag der Abfahrt den Moped-Führerschein bestanden. Wenn man nur anhält, um zu tanken, geht‘s mit den Kleinen doch genauso ...

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