Am Barbaraberg nahe Speinshart in der Oberpfalz fiel im Sommer 2009 bereits zum 13. Mal der Startschuss für das mittlerweile legendäre 24-Stunden-Mofarennen. Es wurde für viele Teilnehmer das härteste der Geschichte.
Am Barbaraberg nahe Speinshart in der Oberpfalz fiel im Sommer 2009 bereits zum 13. Mal der Startschuss für das mittlerweile legendäre 24-Stunden-Mofarennen. Es wurde für viele Teilnehmer das härteste der Geschichte.
Den Staub haben sie verbannt, die Veranstalter der 24-stündigen Mofaschlacht: Fünf bis sechs Mal täglich wird der rund 1200 Meter lange Rundkurs gewässert und ist anschließend eine halbe Stunde lang so rutschig wie eine Eisfläche. Der Rest ist Sache der 97 Teams, die sich auf das Spektakel in diesem Jahr eingelassen haben. Einem Spektakel, das mittlerweile Kultcharakter hat und zum 13. Mal stattfindet. Das Reglement ist einfach: Pro Team dürfen drei Fahrer starten. Die Mannschaft, die nach 24 Stunden die meisten Runden abgespult hat, gewinnt. Gefahren wird mit Mofas. Leistung egal, tunen erlaubt und sogar erwünscht. Allerdings dürfen die Kisten nicht schneller als 50 km/h fahren. Weitere Voraussetzungen: Der Rahmen sollte zu 70 Prozent original sein. Das lässt natürlich Spielraum für Ver-besserungen. Motto: originell statt original. Der Fantasie sind wenige Grenzen gesetzt. Kaum jemand, der den Lenkkopf nicht abgeflext und einen größeren angeschweißt hat. Um anschließend die zumeist verbauten "Salzstangen" gegen eine ordentliche Gabel auszutauschen. Überhaupt finden sich auf dem Barbaraberg kurioseste Vermählungen rennfähigen Materials mit kreuzbiederer Serientechnik - die Anreise lohnt allein schon für die technische Abnahme am Freitag. Hier werden Teile wie Motorgehäuse und Rahmen markiert, die nicht getauscht werden dürfen. Und weitere Rennvorschriften überprüft: maximal 85 dB/A oder Dreigang-Handschaltung, respektive Automatik. Pedale dürfen ebenfalls nicht gegen Fußrasten getauscht werden, und beide Bremsen müssen tadellos funktionieren. Der Start erfolgt in Le-Mans-Manier am Samstagmorgen um 7.30 Uhr. Um die Tortur erträglicher zu gestalten, ist das 24-Stunden-Massaker zweigeteilt: Samstag dreizehn, Sonntag elf Stunden. Doch was heißt erträglich in diesem Zusammenhang? Verglichen mit einem reinen Motocross-Motorrad, dessen Federung den Fahrer vor den meisten Stößen schützt, bieten die hier eingesetzten Wettbewerbsfahrzeuge den Komfort eines Baumstamms. Die Körper der Fahrer müssen Erschütterungen und Schläge nahezu ungefiltert absorbieren. Selbst trainierte Motocross-Piloten klagen Tage später noch über Muskelkater. Wer nach Speinshart hochmotiviert anreist, sollte wissen, auf was er sich einlässt. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass man im Fahrerlager auf 70 Prozent Wiederholungstäter trifft. Der älteste Teilnehmer, der Berliner Dankward Klehr, 59, ist beispielsweise zum zehnten Mal am Start. Das Team "Faule Socken" aus Dortmund will es in diesem Jahr zum sechsten Mal versuchen. Fahrer Frank Gillmeister, 46, ein Hüne von 1,90 Meter und 95 Kilogramm Gewicht, sieht jedoch keine Chance auf einen Spitzenplatz: "Wir sind zu alt, zu schwer, zu unbeweglich und, wie unser Name schon sagt, zu faul." Zu faul? "Wir haben unsere Zündapp CS 25 in nur zwei Wochen abends auf das Rennen vorbe-reitet. Das ist zu wenig." Sein Finger weist auf den Rundkurs. Der ist mittlerweile ein Schlachtfeld, denn der Wässerungswagen ist vor ein paar Minuten drübergerollt. Fahrer straucheln, rutschen, fallen.
Mofateile verbiegen sich, fallen ab, funktionieren nicht mehr. Ohne extrem grobstollige Bereifung ist kein Vorwärtskommen mehr möglich. Und noch etwas zwingt die Piloten jetzt in kurzen Abständen zu Boxenstopps: Der Schlamm verklebt Kühlrippen, frisst Motorleistung, die Gefahr eines Kolbenfressers steigt. 80 Prozent der Starter setzen auf luftgekühlte Zündapp-Motoren. Teams, die nur just for fun mitfahren, warten eine halbe Stunde, dann ist der Schlamm teils abgetragen oder getrocknet. Doch davon gibt es wenige. So wie beispielswei-se die einzige Damenmann-schaft mit Namen "K. O. Racing Team", deren Zündapp C 25 im knalligen Pink auf dem braunen Kurs immer gut sicht-bar ist. Für sie ist Dabeisein alles. Die Top-Teams, bestehend aus durchtrainierten Cross-piloten mit Koch, Mechanikermannschaft, Groupies, Leibarzt, Masseuren, Spionen und zentnerweise Ersatzteilen im Schlepptau, gönnen sich selbst unter härtesten Be-dingungen keine Pause. Jede Runde zählt. Jede. Ihre Maschinen sind aufs Feinste vorbereitet. Es geht nicht nur darum, Materialbruch zu vermeiden, sämtliche Schrauben zu sichern oder bewegte Teile gegen das Eindringen von Schmutz zu schützen. Vielen reicht es nicht, die Verdichtung zu erhöhen, den Zylinder zu bearbeiten, Rennöl zu mixen oder Schwungräder neu zu erfinden - sogar Dreigang-Ziehkeilgetriebe werden optimal übersetzt. Jedes Ersatz- und Bauteil der Rennmaschine existiert mehrfach und liegt griffbereit neben der Hebebühne. Boxenstopps erfolgen mit der feinmechanischen Akribie eines Formel-1-Teams. "Die Herausforderung besteht darin, ein Mofa zu präparieren, das 24 Stunden Dauervollgas auf schwerstem Terrain aushält", sagt Gillmeister. Er weiß, wovon er spricht. Sein Team ist beim ersten Einsatz vor sechs Jahren nach lächerlichen fünf Runden mit Kurbelwellenschaden ausgefallen. "Wir haben dann vier Stunden repariert, sind weitergefahren, für Platz 72 hat es noch gereicht", sagt er nicht ohne Stolz. Stolz ist ein Schlüsselwort an diesem Wochenende. Denn egal ob treusorgender Familienvater oder spätpubertierender Freak - wer die 24 Stunden von Speinshart hinter sich bringt, nimmt etwas mit, von dem er lange zehren kann: die Erinnerung, Teil eines großartigen Wettbewerbs gewesen zu sein. Und das pulsierende Glücksgefühl, etwas schier Unvorstellbares geleistet zu haben. Am Ende dieses Marathons liegen die "Faulen Socken" mit 368 absolvierten Runden auf Platz 59. Sieger, wie auch schon im Jahr zuvor, ist das "Bergmafia Racing Team" mit 862 Runden, umgerechnet1034 Kilometer offroad. Ruhe ist eingekehrt am Barbaraberg. Ausgelaugte, in 24 Stunden um Jahrzehnte gealterte Piloten kauern zusammengesunken auf dem staubigen Boden. Aber sie denken schon ans nächste Jahr. Wenn der Berg wieder ruft.