Vorfreude ist die schönste Freude, und manchmal kommt das Beste ja zum Schluss. Ob sie unter den ersten Honda-Vierzylindern die Beste ist, sei dahingestellt. Doch warten musste man auf sie am längsten. Nach der 750er und der 500er erblickte die Honda CB 350 Four schließlich 1972 als Letzte des Trios das Licht der Zweiradwelt.
Und zunächst war es gar nicht sicher, dass sie den deutschen Markt bereichern würde – der Importeur traute sich anfangs nicht, sie ins Modellprogramm aufzunehmen, weil man bereits eine sogar minimal stärkere, zweizylindrige und zudem deutlich billigere 350er im Angebot hatte. Vor allem der erste positive Testbericht in MOTORRAD bestärkte den deutschen Importeur, die Honda CB 350 F zu offerieren. Knapp 4300 Mark rief Honda dafür auf, fast 1000 Mark mehr als für den mit 36 um zwei PS stärkeren Twin.
Spielerisches Handling betörte jeden Fahrer
Doch hat die Honda CB 350 Four ja auch eine Menge zu bieten. Wie stand im ersten Test damals zu lesen: Honda habe „ein Motorrad gebaut, von dem manche Fahrer träumen: technisch verspielt, rassig, zierlich, mit sportlichen Fahrleistungen und handlich“. Trifft alles zu. Mit dem trocken 170, fahrfertig 190 Kilogramm leichten Bike kamen auch weniger kräftige Piloten zurecht, das spielerische Handling betörte praktisch jeden Fahrer vom ersten Meter an. Die stets gelobte Stabilität des Fahrwerks adelt quasi die Konstruktionsweise des Rahmens – eine Kombination aus gepressten Stahlblechteilen, verbunden mit dem vorderen Hauptrohr, das sich in zwei Unterzüge teilt. Kritisiert wurden eher die zu harten Federbeine hinten und deren dürftige Dämpfung.
Das Herzstück der Honda CB 350 Four, der Vierzylinder, ist nicht einfach, wie man annehmen könnte, eine verkleinerte Version des bekannten 750er- oder 500er-Motors, sondern eine Neukonstruktion. Nur leicht langhubig ausgelegt, braucht der kleine Vierzylinder zwar hohe Drehzahlen, um Leistung zu entwickeln, doch er verkraftet sie auch klaglos. Selbst bei Drehzahlen im roten Bereich ab 10000/min bewegt sich die Kolbengeschwindigkeit im unkritischen Bereich. Unter 6000/min geht wenig, zwischen 7000 und 9500 Touren, notfalls eben auch im fünfstelligen Bereich spielt die Musik.
Honda CB 350 Four mit technisch aufwendigen Lösungen
Die Kurbelwelle präsentiert sich fünffach gleitgelagert, auch die Pleuel laufen auf Gleitlagern – beste Voraussetzungen für vibrationsarmen, seidigen Lauf. Technisch aufwendige Lösungen hat die Honda CB 350 F einige zu bieten, wie die vier 20-mm-Keihin-Vergaser mit dem gleichen Schiebersteuersystem wie bei der 500er. Die gleichmäßige Steuerung der Gasschieber erfolgt über ein Gestänge, welches desmodromisch durch zwei Seilzüge betätigt wird. Für Arbeiten an den Vergasern oder zum Einstellen des Ventilspiels braucht man übrigens nur den (zu kleinen) 12-Liter-Tank über dem Rahmenhauptrohr abzunehmen. Das geht bei der 350er leichter, weil anders als bei der 500er/750er nur eine Benzinleitung vom Benzinhahn zu einem Verteiler zwischen den mittleren Vergasern führt, wobei die Schwimmerkammern alle miteinander verbunden sind.

Viel schrauben oder einstellen muss Helmut Schindler, der Besitzer des picobello dastehenden Fotobikes, in nächster Zeit sicher nicht. Die Honda CB 350 Four hat eine viele Jahre andauernde, aufwendige Restaurierung durch Profi-Hand hinter sich und ist seit der Fertigstellung im Jahr 2003 erst gut 500 Kilometer gelaufen. Die Gesamtlaufleistung von knapp 52.000 Kilometern sieht man der Honda nicht an – es sind ja auch alle Teile überarbeitet oder erneuert worden.
Die Revision des Vierzylinders übernahm Spezialist Roland Eckert, in bessere Hände hätte der Motor kaum kommen können. 1979 hatte Schindler die Maschine (Baujahr 1973) erworben, für erschwingliche 1700 Mark, mit knapp über 20.000 Kilometern. In den folgenden Jahren hat der Kelkheimer rund 30.000 weitere Kilometer draufgebrummt, bevor er sich 1994 entschloss, der CB 350 Four eine Komplettrestauration angedeihen zu lassen.
Das Ziel war klar definiert: 100 Prozent neuwertig sollte die 350er hinterher dastehen. Die dafür zunächst kalkulierten Kosten bewegten sich schon damals im fünfstelligen D-Mark-Bereich. Dass es bis zum August 2003 dauern würde, konnte zunächst keiner ahnen, stört den heute 70-Jährigen jedoch auch nicht. Genug andere fahrbereite Motorräder waren immer vorhanden. Auch dass die schließlich aufgelaufenen Gesamtkosten den Wert eines passabel ausgestatteten neuen Kleinwagens repräsentieren, ficht Helmut Schindler nicht an. Er wollte seine Honda CB 350 F perfekt haben – und genau das ist sie geworden.
Technische Daten Honda CB 350 Four
Motor: Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei Ventile pro Zylinder, Bohrung 47 mm, Hub 50 mm, 347 cm³, Verdichtung 9,3:1, 34 PS bei 9500/min, vier 20er-Keihin-Vergaser, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb.
Fahrwerk: Einschleifen-Rohrrahmen, Telegabel vorn, Ø 33 mm, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen hinten, Scheibenbremse vorn, Ø 260 mm, Trommelbremse hinten, Ø 160 mm, Trockengewicht 170 kg, Tankinhalt 12 l.
Preis 1972: 4298 Mark