Vergleich der starken Crossover-Bikes
Ducati bringt den Desmo in die Multi und BMW 201 PS in die XR-Reihe. MOTORRAD vergleicht die beiden Hyper-Crossover anhand der technischen Daten.
BMW baut günstige Motorräder. Im Vergleich zu Ducati sind selbst die Top-Modelle aus München-Spandau viel, also sehr viel günstiger als die Pendants aus Borgo Panigale. 10.590 Euro trennen die neue BMW M 1000 XR und die Ducati Multistrada V4 RS. Dazu trennen beide Hyper-Crossover 21 PS. Klar, die Duc ist teurer und stärker – wie immer. Nicht ganz.
Hochleistungs-Tourer: 180 PS gegen 201 PS
Ducati wie BMW schlagen in der Multistrada V4 RS und der M 1000 XR einen leicht anderen Weg ein, als man es bisher von den Kompanien gewohnt war. BMW hat sich mit den M-Modellen endgültig dem Leistungsrüsten abseits der Rennstrecke ergeben, und Ducati führt die Desmodromik in die Multistrada-V4-Familie ein. Richtig gelesen: Der V4 in der Multi RS ist ein Desmo-Motor, was den Unterschied zu den übrigen Multi-Motoren darstellt, die einen herkömmlichen Ventiltrieb haben. Übernommen wurde der Motor aus der Panigale. Er ist mit 1.103 Kubik zwar etwas größer im Vergleich zur BMW mit 999 Kubik und spielt das beim Drehmoment (118 Nm zu 113 Nm) aus, kann im Gegensatz nur 180 PS bei 12.250/min leisten.
Den Leistungsvorteil der BMW von 21 auf 201 PS bei 12.750 Touren erwirkt allein die Shiftcam-Technik mit zwei unterschiedlichen Profilen der Nockenwellen. So holt BMW aus dem kurzhubigen Vierzylinder viel Drehmoment und eine hohe Spitzenleistung. Da kann der V4 der Ducati nicht mithalten und nimmt mit einer "Kompromiss"-Abstimmung vorlieb, die dem Motor Manieren unter 6.000 Touren beibringen soll. Ein Missstand bei der Panigale und der motorisch fast baugleichen Streetfighter. Wie gut die variable Ventilsteuerung von BMW auf dem Papier funktioniert, unterstreicht der Blick auf die Hub- und Bohrungsverhältnisse der Motoren. Der Desmosedici Stradale hat 4 Bohrungen mit je 81 Millimeter Durchmesser, die Kurbelwelle hat einen Hub von 53,5 Millimeter bei einer Verdichtung von 14:1.
Der kleinere BMW-Reihenvierer ist mit seinen Bohrungen von je 80 Millimeter fast gleich groß, der Hub mit nur 49,7 Millimeter extrem kurz, die Verdichtung von 13,3:1 liegt etwas niedriger. So wie der Verbrauch: BMW homologiert die M 1000 XR mit 6,5 Liter pro 100 Kilometer. Die Ducati Multistrada V 4 RS ist mit 7,3 Liter eingetragen.
Was wiegen die M XR und die Multi RS?
BMW kommuniziert das Gewicht der neuen M 1000 XR sehr klar. 211 Kilogramm trocken und 223 Kilo fahrfertig, also mit 18 von 20 Liter Sprit im Tank (90 Prozent Inhalt nach DIN). Wer das M Competition-Paket bucht, bekommt für knapp über 5.000 Euro 3 Kilo weniger auf die Waage, dank des exzessiven Einsatzes von Carbon. Sprich 220 Kilo fahrfertig sind möglich. Das Gewicht der Multistrada V4 RS ist nicht bekannt, es kann allerdings eingegrenzt werden.
Basis der RS ist die Multistrada V4 Pikes Peak, mit der sich die RS das komplette Chassis und Fahrwerk teilt. Sie wiegt laut Ducati 214 Kilogramm trocken, allerdings komplett ohne Flüssigkeiten und Batterie. Fahrfertig wiegt die Pikes Peak 239 Kilogramm. Die RS will hier sparen, und Ducati konstruiert ihr Heck neu. Der neue Heckrahmen besteht aus Titan, das 2,5 Kilo leichter ist als der bekannte Stahlrahmen, weitere 3 Kilo soll die neue Lithium-Ionen-Batterie sparen. Ergibt – solange Ducati keine Fakten schafft – 233,5 Kilo und damit immer noch 10 Kilo schwerer als die BMW.
Die Fahrwerke der Multi V4 RS und M 1000 XR
Ein kleiner Grund für das wohl höhere Gewicht der Ducati Multistrada V4 RS gegenüber der BMW M 1000 XR, dürfte ihr Fahrwerk sein. In allen Dimensionen ist das üppiger bemessen. Die Öhlins-Gabel hat Standrohre mit einem Durchmesser von 48 Millimeter, was 3 Millimeter stärker ist als die Gabel der BMW. Ähnliche Verhältnisse bei den Federwegen: BMW hält die M 1000 XR mit 138 Millimeter Federweg vorn wie hinten eher kurz, während Ducati mit je 170 Millimeter fast Enduro-Werte erreicht. Daher dürfte das Fahrwerk der Multi etwas mehr wiegen. Die elektronischen Möglichkeiten der Fahrwerke sind vergleichbar. Ducati wie BMW setzen auf semi-aktive Dämpfung in Gabel und Federbein, während die Vorspannung vorn und bei der BMW hinten manuell erfolgen muss. Die Ducati stellt ihre Vorspannung hinten elektronisch ein.
Beide Hersteller legen das Chassis ebenfalls vergleichbar aus: Die Lenkkopfwinkel sind mit 64,9 (BMW) und 64,25 Grad (Ducati) ähnlich angestellt, die Nachläufe weisen mit 117,4 (BMW) und 120 Millimeter (Ducati) zwar Unterschiede auf, die allerdings kaum ins Gewicht fallen werden. Interessant: Die serienmäßigen Schmiedefelgen beider Modelle sind mit 3,5 Zoll (8,89 cm) und 6 Zoll (15,24 cm) zwar gleich breit und mit 17 Zoll (43,18 cm) gleich im Durchmesser, die Bereifung unterscheidet sich hinten deutlich: BMW setzt einen 200/55-Reifen ein, Ducati einen in 190/55. Auffällig: Der Radstand der Ducati ist mit 1.592 Millimeter deutlich länger als die 1.548 Millimeter der BMW.
Edel-Bremsen der Top-Modelle
Wie es sich für ein M-Modell von BMW gehört, verzögern die blauen Nissin-Sättel insgesamt die M 1000 XR über 3 Bremsscheiben, vorn 2 mit 320 Millimeter Durchmesser, hinten mit 265 Millimeter. Ducati setzt auf die italienische Kombination mit den Brembo-Stylema-Sätteln, mit einer 330er-Doppelscheibe vorn und 265 Millimeter-Bremsscheibe hinten. Beide Systeme sind schräglagensensibel und bieten verschiedene Stufen des ABS-Eingriffs.
Radar exklusiv für Ducati
Ebenfalls ein paar Gramm auf das Mehrgewicht dürfte das Radar-System der Ducati Multistrada V4 RS beisteuern. Je ein Radaremitter vorn und hinten steuern den Totwinkelwarner in den Spiegeln sowie den Abstandstempomat. BMW bietet ein vergleichbares System aktuell nur bei der R 1250 RT und der neuen R 1300 GS.
Die Preise von Ducati und BMW
Wie eingeleitet: Die BMW M 1000 XR kostet deutlich weniger als die Ducati Multistrada V4 RS. Bei der BMW stehen 25.900 Euro auf dem Preisschild. Bei der Ducati sind es 36.490 Euro. Allerdings sind im Aufpreis von Ducati schon 4 Jahre Garantie inklusive, BMW bietet aktuell 3 Jahre Gewährleistung. Die Preise sind in den Konfiguratoren deutlich steigerbar. Die BMW kann noch mit dem M Competition-Paket auf 30.990 Euro gebracht werden, die Multistrada V4 RS auf über 40.000 Euro, allerdings ist dann ein Kofferset enthalten, was es bei BMW derzeit nicht ab Werk gibt.
User-Umfrage
Fazit
Was spricht also für die Ducati Multistrada V4 RS, die nicht nur teurer ist, sondern dazu schwerer und schwächer? Nun, es dürfte Ducatisti ein leichtes sein: Weil es eine Ducati ist, weil es ein V4 ist, und weil es ein Desmo-Motor ist. Objektive Gründe dürften kaum zu finden sein, wobei das ebenfalls bei der BMW schwer ist, denn beide Motorräder stehen für das Irrwitzige, Absurde auf 2 Rädern. Trotzdem: höchst vergnügliche Krafträder mit ihren eigenen Stärken und Schwächen. Und, Hand aufs Herz: 180 oder 201 PS bei über 12.000 Touren sind ganz weit weg von Fahrzuständen auf Tour, und selbst auf der Rennstrecke ist diese Kraft bei weit über 200 Kilo Gewicht kein Spaß, sondern Arbeit.
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