Modellreport 600er-Supersportler

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Let the good times roll

Blick zurück nach vorn: 18 Jahre 600er sind genug! Kawasaki wirft den Bohrer an und befreit die supersportliche Mittelklasse aus ihren Hubraumfesseln.

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Warum plötzlich 636 Kubik? Was hat sich Kawasaki dabei gedacht? Hubraumaufstockung – so mir nichts, dir nichts. Da könnte ja jeder kommen. Eine 600er ist eine 600er ist eine 600er... Stopp! Wer, bitte schön, hat denn die klassische Supersport-Feile überhaupt erfunden? Genau: die Grünen. Also gebührt ihnen auch das Recht... Wer hat’s erfunden?
Okay, okay. Streng genommen kam die Initialzündung aus Italien. KB 2 Laser TT hieß das 65 PS heiße Eisen, mit dem Bimota vor 20 Jahren die Welt in Staunen versetzte. Weniger wegen des nobel verpackten, aufgebohrten 550er-Kawasaki-Vierzylinders, sondern angesichts der 26300 Mark Anschaffungskosten. Eine herkömmliche GPZ 550 kam seinerzeit auf keine sieben Riesen. Den nächsten Vorstoß in die Weiten des unbekannten Hubraums wagte Yamaha mit einer verschärften XJ 550. Doch die erste echte, vorsätzlich entwickelte 600er – mit vier Ventilen, Wasserkühlung und Pipapo – war die GPZ 600 R. Kawasaki rückte zur IFMA 1984 damit an. Und blitzartig schaltete die Konkurrenz auf Alarmstufe Rot. Das Wettrüsten in der sportlichen Mittelklasse begann. Es galt, 75 PS bei 10500/min und nominell 214 km/h zu schlagen.
Honda schafft’s. Im Herbst 1986. Mit der CBR 600 F : 85 PS stark, über 220 km/h schnell und sehr, sehr vollverschalt. Ein brückengerahmter Bringer auf modernistischen 17-Zoll-Rädern, 201 Kilogramm leicht, maximal windschlüpfrig. Nur ist die konservative Kundschaft noch nicht reif dafür. Sie kommt mit dem vielen Plastik nicht klar, vergackeiert Honda als Joghurtbecher-Fabrikant und kauft weiterhin bei Kawasaki. Dort aber traut man dem Frieden nicht, schiebt eine 85-PS-Power-Version der GPZ nach, die unter dem Kürzel GPX 600 R in die Annalen eingehen wird: zwölf Jahre lang nahezu unverändert gebaut.
Dabei ging es ab 1988 Schlag auf Schlag: Suzuki lancierte die GSX 600 F. 86 PS! 222 Kilogramm Kampfgewicht galten indessen schon damals als unschicklich. Abspecken avancierte zum Thema, und Yamaha drohte eine super leichte, 91 PS starke FZR 600 an. Mit Deltabox-Rahmen – man munkelte Aluminium. Honda erhöhte flugs auf 93 PS, die FZR kam – ohne Alu, drückte 208 Kilo und selten mehr als 87 PS. Trotzdem gewinnt sie 1990 die erste Supersport-600-EM und den deutschen Supersport-Cup obendrein. Von 1991 bis 1994 räumt Honda ab. Garant des Erfolgs ist die CBR, Typ PC 25. Die erste 600er mit nominell 100 PS. Bei Kawasaki feiert man inzwischen die ZZ-R 600 samt Ram-Air-System und Leichtmetall-Brückenrahmen – auch wenn die Welt ob der Leibesfülle des 446-Pfünders die Nase rümpft.
Suzuki pennt. Führt 1993 zwar die RF 600 R ins Feld, doch kriegt die auf sportlicher Ebene wenig gebacken. Aber schön ist sie mit ihren Ferrari-Schlitzen. Schade nur, dass so was gar nicht mehr zählt, sämtliche Zeichen der Klasse stehen auf Sturm. Der neue Angreifer heißt ZX-6R – Ultra-Kurzhuber. Vorstellung 1994: Spiel, Satz und Sieg. Ab jetzt schaukelt sich die Konkurrenz immer schneller auf, und bald ist nichts mehr so alt wie die 600er vom letzten Jahr: 105, 108, 111 PS. 13000, 13800, 14500/min. 200, 199, 196 Kilo. Ein Rekord jagt den anderen. Die Grünen denken zwischendurch an die Umwelt, bringen 1999 einen ungeregelten Kat. Honda kommt 2001 mit G-Kat. Und was macht der undankbare Bürger? Schielt immer ungenierter nach mehr Hubraum, wegen weniger schalt und dreh. Kawasaki hat die Zeichen der Zeit zweifellos erkannt.

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