Fahrbericht Cagiva Raptor plus weitere Italo-Neuheiten

Fahrbericht Cagiva Raptor plus weitere Italo-Neuheiten
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Monster-Jagd

Das Geschäft mit dem Bösen läuft. Nicht nur in Film und Fernsehen. Auch auf dem Motorradmarkt gehen immer mehr Bestien auf Pirsch.

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Sie waren faszinierend: Relativ klein, aber ungemein kräftig, schnell, schlau und brandgefährlich – die Raptoren in Stephen Spielbergs Film-Hit »Jurassic Park”. Selbst der riesige T. Rex sah neben diesen mordlustigen Kreaturen blass aus.
Mitnichten ein Zufall, dass Cagiva-Chef Claudio Castiglioni die jüngste Entwicklung seines Hauses nach genau diesen Bestien benannte. Schließlich soll die Raptor den darbenden italienischen Motorrad-Hersteller auf die Straße des Erfolgs zurückführen und ähnlich wie die Spielberg-Vorbilder in fremden Revieren räubern. Großvolumige Naked Bikes sind für Cagiva neues Terrain. Doch fern liegt dieser Ansatz nicht. Da die Raptor von Miguel Galluzzi entworfen wurde. Von dem Mann also, der vor gut sieben Jahren die Monster entwarf – damals, als die Castiglionis noch Herren über Ducati und Cagiva waren.
Heute macht Ducati mit der Monster ein Mordsgeschäft: Mehr als 10000 Stück brachte der Bologneser Hersteller allein im ersten Halbjahr 1999 auf den Weg. Und von diesem Riesenkuchen gedenkt sich Cagiva mit der Raptor ein Stück abzuschneiden.
Vor zwölf Monaten machte man sich in Varese an die Entwicklung. Hauptproblem war der Motor. Ein großvolumiger Zweizylinder sollte es sein. Doch woher nehmen? Der Vertrag mit Ducati – Rahmen gegen V2-Desmos – läuft Ende des Jahres aus. Also wandte sich Cagiva an die Japaner, nahm Hondas VTR und Suzukis TL 1000 unter die Lupe und wurde schließlich mit Suzuki handelseinig: »8000 TL-Triebwerke, bitte, in S-Version.« Mit diversen Änderungen wie neu ausgelegter Zündung und Einspritzung kommt der V-Twin auf 106 PS am Hinterrad.
Nun weckt die Kombination aus japanischem Motor und italienischem Rad in italophilen Kreisen erst mal Skepsis. Geht da nicht das vielbeschworene italienische Flair zum Teufel? Doch der unlackierte Prototyp, den MOTORRAD in Varese fahren durfte, zerstreut alle Befürchtungen. Er hat Ausstrahlung, und vor allem hat er tatsächlich etwas von Spielbergs Original: relativ klein, aber ungemein kräftig, wendig, schnell – durchaus faszinierend.
1,90-Meter-Mann Galluzzi hat sich mit diesem Motorrad seinen Traum von der weiterentwickelten Monster erfüllt. Selbst Bären wie er finden auf dem Naked Bike bequem Platz, aber dank der niedrigen Sitzhöhe von 770 Milimetern kommt die Raptor auch kleineren Menschen entgegen. Auf der kurzen Teststrecke erweist sich die 1000er als beschwingte Partnerin beim Kurvenduett. Anmutig in ihren Bewegungen, leicht zu dirigieren, spielerisch beim Schräglagenwechsel und trotzdem sehr direkt. »Wir wollten ein einfach zu fahrendes Motorrad bauen«, sagt Galluzzi. »Motorradfahren soll schließlich Spaß machen und nicht in ein arbeitsreiches Unterfangen ausarten.«
Wirklich brachial ist die Power. Obwohl der weit vorn montierte Motor für relativ viel Gewicht auf dem Vorderrad sorgt, sollte man die mechanisch betätigte, gut dosierbare Kupplung nicht schnalzen lassen, sonst sind unfreiwillige Wheelies unvermeidlich. Ein allererster Prototyp der Raptor wies einen Radstand von nur 1390 Millimetern auf. »Das hat noch mehr Spaß gemacht«, gibt Galluzzi zu. »Aber andererseits war das ein wirklich radikales Motorrad, mit dem man sich früher oder später furchtbar wehgetan hätte.« So wurde der Radstand in Zehn-Millimeter-Schritten verlängert, bis die Entwickler bei 1430 Millimetern anlangten.
Die Upside-down-Gabel stammt von Marzocchi, wurde gegenüber früheren Modellen jedoch verbessert. Zusammen mit der Zweiarmschwinge und dem per Hebelumlenkung agierenden Federbein sorgt sie für ein sportliches, aber ausreichend komfortables Fahrgefühl. Verstellbar ist lediglich die hintere Federbasis, da Cagiva die Meinung vertritt, dass man bei einem Naked Bike auf eine justierbare Dämpfung verzichten kann.
Natürlich spielten auch die Kosten eine Rolle, denn erstmals in der Geschichte des italienischen Herstellers wurde der Preis vor Entwicklungsbeginn festgelegt – so, wie es die erfolgreichen Japaner machen: 18000 Mark soll die Raptor kosten. Deutlich weniger als die leistungsschwächere Ducati Monster 900, die allerdings rund 15 Kilogramm weniger wiegt. Das Leergewicht der Raptor liegt mit 197 Kilogramm etwa auf TL 1000 S-Niveau.
Der – für italienische Verhältnisse – relativ niedrige Preis und der erprobte, wartungsarme Suzuki-Motor sollen Cagivas neuem Firmenslogan »Power to the people« gerecht werden. »Wir wollen leistungsstarke, preiswerte Motorräder bauen, die problemlos laufen, ohne langweilig zu werden”, sagt Claudio Castiglioni. Ein ehrgeiziges Vorhaben für einen Konzern, der in den letzten Jahren eher durch mangelnde Qualität und schlechte Ersatzteilversorgung von sich reden machte. Doch Castiglioni beteuert, seine Lektion gelernt zu haben. Die komplett überholten Produktionsanlagen lassen hoffen. Ebenso wie der Prototyp der Raptor.
Mitte September wird die »Gegen-Monster« in ihrer endgültigen Form auf dem Mailänder Salon präsentiert. Und zwar in den Farben Rot und Silber. Dazu in einer weiteren Version mit Halbschale. Die kleine Verkleidung soll nach vorn wie eine Schnauze zulaufen. »So sieht das Bike dann endgültig wie ein echter Raptor aus”, verspricht Castiglioni. Und hofft, dass die 1000er wie Spielbergs Bestien erfolgreich in fremden Revieren wildern geht.
Weitere Italo-Neuheiten: Der Mailänder Salon steht vor der Tür, aber nichtsdestotrotz feierten die meisten italienischen Hersteller während der letzten Wochen Werksferien. Dennoch sickerte einiges von dem, was in Milano zu sehen sein wird, zu uns durch. Am Stand von Aprilia beispielsweise soll neben dem bereits gezeigten Sporttourer SL 1000 (MOTORRAD 17/1999) die Reise-Enduro Pegaso 1000 stehen. Ein Stilmix zwischen Honda Varadero und BMW GS mit dem Zweizylinder der RSV mille. Außerdem brodelt das Gerücht von einem reinen 1000er-Tourer, den man sich allerdings für die Motorshow in Bologna Anfang Dezember aufsparen wolle, wo Aprilia traditionsgemäß eine Überraschung aus dem Hut zaubert.
Cagiva zeigt neben der Raptor die Enduro Navigator – eine Weiterentwicklung der Gran Canyon, allerdings mit Suzuki TL 1000- statt Ducati-Motor. Ducati selbst bringt endlich die verschärfte 748, Zusatzbezeichnung R, und außerdem die endgültige Version der Mike Hailwood Evolution, die letztes Jahr auf der Münchner Messe stand. Die 900er-Monster kommt mit Einspritzung. Obendrein soll es eine »Über-Monster« mit 996-Motor geben. Was nicht in Mailand steht: Der neue 1000er-Zweizylinder mit rund zehn PS mehr Leistung, der sich bereits in Erprobung befindet.
Last but not least: MV Agusta. Die Nobelmarke präsentiert eine unverkleidete Version der F4 namens Brutale.

Technische Daten - Cagiva Raptor

Motor: Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, je zwei obenliegende, ketten- und zahnradgetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Motormanagement, E-Starter.Bohrung x Hub 98 x 66 mmHubraum 996 ccmNennleistung 106 PS bei xxxx/minMax. Drehmoment xxx/xxx Kraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsgang-Getriebe, O-Ring-Kette.Fahrwerk: Gitterohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Vierkolbensättel, ø 296 mm, Scheibenbremse hinten, Doppelkolbensattel, ø 220 mm.Alu-Gußräder 3.50 x17; 5.50 x 17Reifen 180/70 ZR 17; 120/60 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 65,4°, Nachlauf xxx mm, Federwege v/h xxx/xxx mm.Maße und GewichteSitzhöhe 770 mmLeergewicht 197 KilogrammTankinhalt 17 LiterFarben Rot, SilberPreis rund 18000 Mark

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