KTM 790 Duke und KTM 1290 Super Duke R Vergleichstest

KTM 790 Duke und KTM 1290 Super Duke R im Test
:
Mittelklasse- gegen Power-Naked Bike

© Rivas, Arturo 18 Bilder

9.790 oder 16.995 Euro? 105 oder 177 PS? Reihenzweizylinder oder V2? Wir versuchen bei einer intensiven Testausfahrt die Frage zu klären, welche von den beiden eine super Duke ist - die KTM 790 Duke oder die KTM 1290 Super Duke R?

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Rollen wir die Entscheidung vom Kontoauszug her auf. Der lässt sich nämlich drehen und wenden, wie man will. Mehr Saldo steht deshalb nicht drauf. Und ausgeben kann man jede Mark nur einmal – pflegte Opa zumindest immer zu sagen. Und deshalb steht die Frage gleich hier zu Beginn. Kauf ich’s oder reicht die Knete nicht? Bisher musste man nicht nachrechnen, lag das quasi auf der Hand. Zumindest wenn es eine nackte Österreicherin für hemmungslose Freude auf der Landstraße sein sollte. Da stand die leichte 690er mit ihrem angriffslustigen 73-PS-Ballermann auf der einen Seite, die 1290er mit ihrem riesigen V2-Motor und gigantischem 177-PS-Leistungsangebot auf der anderen Seite im Schauraum. Welche es sein sollte, entschied man wohl kaum erst hier. Die eine kostet je nach Ausstattung nahezu mehr als das Doppelte der anderen.

Extremere Proportionen vs. schärfere Fahrwerksgeometrie

Wer sich seit 2018 beim KTM-Händler mit gut gefüllten Taschen umschaut, kommt schon eher ins Grübeln. Ob der Aufpreis von mindestens 7.205 Euro für das stärkste aller Naked Bikes wirklich sein muss? Klar, die 1290er wird – ganz nüchtern betrachtet – das bessere, edlere, vermutlich ausgereiftere Motorrad sein. Aber die neue 790 Duke bietet für 9.790 Euro ein verdammt verführerisches Gesamtpaket an. Vor allem, wenn man dem zivilen Schräglagensport auf öffentlichem Asphalt noch in halbwegs legalen Formen frönen will. Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass Super Duke-Treiber stets außerhalb dieser Regeln über die Straße brennen. Doch wer die Drosselklappen des V2 einmal auf der Autobahn bei 100 km/h auf Durchzug stellt, den Hubraum flutet und die Kurbelwelle fliegen lässt, der kommt leicht ins Grübeln, ob er diese Leistung jemals auf der Landstraße voll abrufen kann – oder hat ein gesteigertes Selbstbewusstsein.

KTM 790 Duke im Soundcheck

Video zum Fahrbericht 1:35 Min.

Doch schauen wir den beiden KTM Naked Bikes erst einmal tief in die Augen. Aus allen Winkeln begutachtet, bleibt bei KTM 790 Duke und 1290 Super Duke R am Ende ein Wort übrig: Kiska. Wie schon seit Jahrzehnten begleitet das extravagante Design die KTM-Philosophie. Polarisierung inbegriffen. Das ändert sich mit diesen beiden Zweizylindern keineswegs, deren Verwandtschaft sich schon durch die flachen und steil montierten, mittig getrennten, rautenförmigen Scheinwerfer offenbart. Das gleißende LED-Licht fungiert als eine Art ziviler Straßenräumer, quasi das Blaulicht der Orangen. Sie verpassen den Dukes eine angriffslustige Aura. Wobei die 1290er mit dem hoch aufragenden 18-Liter-Tank und dem in Szene gesetzten Gitterrohrrahmen noch eine Spur nachdrücklicher auftritt. Zweifellos, die 1290 Super Duke R besitzt die extremeren Proportionen, die 790 Duke die schärfere Fahrwerksgeometrie. Letztere wirkt im direkten Vergleich wie eine mustergültige Einserschülerin. Aber eine, die es faustdick hinter den Ohren hat. Die Mittelklasse-Duke mag die Suppe vielleicht mit einem Löffel essen, und die Nudeln mit der Gabel aufspießen. Das Messer aber steckt auch bei ihr zwischen den Zähnen – exotische Tankform (14 Liter) und ungewöhnliches Design des Edelstahl-Endtopfs hin oder her. Der eine findet es grandios, der andere grandios daneben.

KTM 790 Duke für Anfänger ab 1,65 m

Die sportliche Attitüde weicht beim Aufsitzen in 820 (790) und 830 Millimeter (1290) Höhe einem entspannten Dasein. Locker findet man sich zurecht, freut sich auf beiden Dukes über entspannte Kniewinkel und schmalen Knieschluss. Die Kleinere fühlt sich mit ihrem Gewicht von drahtigen 187 Kilogramm (vollgetankt) fast wie ein Fahrrad an, baut ohnehin schön schmal, überfordert auch Anfänger nicht, sofern sie die Körpergröße von 1,65 Meter überschreiten. Die Super Duke hat mit 218 Kilo zwar alles andere als Übergewicht, benimmt sich zudem selbst bei Schritttempo fein ausbalanciert, dennoch spürt der Fahrer beim Umstieg die kleine Wohlstandsplauze. Beide KTMs positionieren ihre Piloten vorderradorientiert-aktiv, ohne zu strapazieren. Windschutz gibt es keinen, dafür aber straffe Sitzbänke, die sich als durchaus langstreckentauglich offenbaren. Dass die KTM 790 Duke einen so glatten Bezug hat, dass man zummindest mit der Lederkombi rumrutscht wie auf Schmierseife – nun ja, da sollte man schnellstens nachbessern. Aber sonst: passt alles!

© Rivas, Arturo

Für sich genommen hat keine einen dicken Bauch. Im direkten Vergleich ist die 790er aber spürbar drahtiger.

Was die zusätzlichen Pfunde der Super Duke angehen, kann man nicht wie üblich auf die Ausstattung verweisen. Denn die 790 setzt in ihrer Fahrzeugklasse die neue Benchmark. Das Reihenzweizylinder-Bike fällt mit erfreulichem Rundum-sorglos-Paket vom Band: Kurven-ABS, vier Fahrmodi, Traktionskontrolle, Launch- und Anti-Wheelie-Kontrolle, Quickshifter mit Blipper-Funktion, Motorschleppmoment-Regelung, Supermoto-ABS-Modus – all das gibt es serienmäßig, ein Modul zur Smartphone-Kopplung und ein Reifendruck-Kontrollsystem optional. Die Super Duke rüstet sich ab Werk unter anderem mit Kurven-ABS inklusive Super-Moto-Modus, Traktionskontrolle, schlüssellosem Zündungssystem (inkl. Tankentriegelung), Tempomat, Reifendruck-Kontrollsystem, einer automatischen Blinkerrückstellung und Smartphone-Kopplung. Aufpreis kosten Quickshifter mit Blipper-Funktion, das Track-Pack (Track-Modus, Launch- und Wheelie-Kontrolle) sowie die Motorschleppmoment-Regelung. Da staunt man hier wie da nicht schlecht.

High-End zeigt die 1290er auch woanders: Mit feinen Schmiedekolben (hat die Kleine auch), Titan-Einlassventilen, Doppelzündung im Motor. Die aufwendige Einarmschwinge, sowie wertige WP- Gabel mit einstellbarer Zug- und Druckstufe und Federbein mit separatem Ausgleichsbehälter (Druckstufe in High- und Low-Speed sowie Zugstufe einstellbar) machen schon beim Betrachten ordentlich was her. Bei der 790er kann lediglich die Federbasis justiert werden.

108 PS der 790 Duke absolut ausreichend

Ein kurzer Klick aufs Knöpfchen, sofort flippern die Kolben auf und ab, liefern satten Beat und lassen die Hände des jeweiligen Fahrers nervös zucken. Klar, die 1290er orchestriert ihren Verbrennungstakt noch mächtiger, noch tiefgründiger. Doch die 799 Kubik der Duke reizen nicht weniger. Akustisch, auch dank 75 Grad Hubzapfenversatz, ebenso wie in der Leistungsentfaltung. Der Reihentwin giert nach Drehzahl, hat vom Fleck weg eine überraschende Präsenz, pflügt zwischen 2.000 und 5.000 Touren motiviert los, bläst von da an bis zum Begrenzer zur Attacke. Wie ein herrlich kühles Bier nach einer hitzigen Rennrad-Etappe ballert der Twin so erfrischend und appetitlich durchs Drehzahlband, dass nie der Wunsch nach mehr aufkommt. Nicht mal die spürbaren Lastwechselreaktionen und das leichte Konstantfahrruckeln vermiesen diesem leichtfüßigen Antrieb die Show. Eigentlich.

Dann kommt die große Schwester um die Ecke, wummert noch lässiger aus dem Drehzahlkeller, stürmt rasant wie ein Tornado voran, feuert wohlerzogen dem Leistungszenit entgegen und fühlt sich so spielerisch, so cool, so ausgereift dabei an, dass man bei aller Power und Bass glaubt, der V2 sei in Daunenbettdecken gewickelt. Himmel, wie sie diese Laufkultur bei diesem Leistungsspektakel hinbekommen haben, fasziniert einfach – und noch mehr als auf der Mittelklasse-Duke. Diese 177 PS und 139 Newtonmeter gravieren sich in die Seele. Und doch fühlt man sich mit den gemessenen maximal 108 PS der 790er womöglich wohler, irdischer, näher an der Wirklichkeit.

Reifen und ABS bei Super Duke R besser

Was bei beiden überzeugt, sind die Schaltautomaten, die Getriebe, die kurzen Schaltwege. Sie erleichtern das Fahren enorm, sorgen in den allermeisten Drehzahlbereichen für zackige Gangwechsel und mehr Komfort. Letzteres hat vor allem die 790er nötig, die zwar neutral einlenkt, dank Gewichtsvorteil flinker ins Eck sticht und für die flotte Landstraßengaudi vorne wie hinten ausreichend Dämpfung parat hat. Doch in Sachen Ansprechverhalten müssen sich die Federelemente denen der 1290er um Welten geschlagen geben. Die Super Duke filtert Unebenheiten gefühlvoller weg, bietet zudem eine höhere Kurvenstabilität und mit den zahlreichen Einstellmöglichkeiten mehr Reserven für die Indivualisierung des Fahrverhaltens.

© Rivas, Arturo

Die Dukes sind wie Eiskaffee im Sommer: erfrischend, anstachelnd und jederzeit willkommen.

Wenn die Straßen schlechter werden, das Gripniveau dem Fahrer spanisch vorkommt, profitiert der Super Duke-Pilot zudem von der besseren Bereifung und Rückmeldung. Die Maxxis-Reifen auf der KTM 790 Duke machen ihre Sache nicht schlecht, die Metzeler M7RR der 1290 agieren allerdings auf einem höheren Niveau, liefern nach wenigen Kurven immenses Vertrauen. Wer jedoch glaubt, die 790er würde rasch aus den Rückspiegeln der 1290er verschwinden, irrt. Denn trotz der kleinen Unzulänglichkeiten, die erst im direkten Vergleich mit der reiferen, großen Schwester zutage treten, kann man es mit beiden KTMs richtig knallen lassen, die einstellbaren Traktionskontrollen helfen im Zweifel effektiv und verlässlich beim Ritt auf den Kanonenkugeln.

Die Lenkungsdämpfer unterbinden weitestgehend Zappeleinlagen, zu der im Zweifel eher die Super Duke tendiert. Das Bosch-ABS verzögert auf beiden Bikes feinfühlig, verhindert in neun von zehn Fällen ein aufsteigendes Hinterrad. In Sachen Bremsdosierung und -wirkung rechtfertigt die 1290 abermals ihren Preisaufschlag. Die Brembo-Bremsanlage verzögert mit steigendem Zug am Hebel gegenüber der 790er-Bremse linearer, hat den knackigeren Druckpunkt. Und wie in nahezu allen Kapiteln zeigt sich, dass die Super Duke das bessere Finish, das hochwertigere Fahrzeug ist. Bleibt die Frage: Braucht man es? Nun, die gute Nachricht: Egal, was auf dem Kontostand steht, beim KTM-Händler stehen mindestens zwei Grinsgranaten mit Spaßgarantie. Die schlechte: Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben.

Technische Daten im Vergleich

Daten KTM 790 Duke KTM 1290 Super Duke R
Bauart Reihen-Zweizylinder 75 Grad V2
Einspritzung 2 x Ø 42 mm 2 x Ø 56 mm
Kupplung

Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung
(Anti-Hopping)

Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung
(Anti-Hopping)
Bohrung x Hub 88,0 x 65,7 mm 108,0 x 71,0 mm
Hubraum 799 cm³ 1301 cm³
Verdichtung 12,7:1 13,6:1
Leistung 77 kW (105 PS) 130,0 kW (177 PS)
Drehmoment 86 Nm/8.000 141 Nm/7.000
Rahmen Stahl-Brückenrahmen Stahl-Gitterrohrrahmen
Gabel Upside-down Ø 43 mm Upside-down Ø 48 mm
Lenkungsdämpfer hydraulisch hydraulisch
Bremsen v/h Ø 300/240 mm Ø 320/240 mm
Assistenzsysteme ABS, Traktionskontrolle ABS, Traktionskontrolle
Räder 3.50 x 17; 5.50 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Bereifung Maxxis Supermax ST
vorne „J“, hinten „G“
Metzeler Sportec M 7 RR
Radstand 1.475 mm 1.482 mm
Lenkkopfwinkel 66,0 Grad 65,1 Grad
Nachlauf 98 mm 107 mm
Federweg v/h 140/150 mm 125/156 mm
Sitzhöhe 820 mm 830 mm
Gewicht vollgetankt 187 kg 218 kg
Zuladung 243 kg 188 kg
Tankinhalt/Reserve 14/3,2 Liter 18/3,5 Liter
Service-Intervalle 15.000 15.000
Preis 9.790 Euro 16.995 Euro
Preis Testmotorrad 9.790 Euro 18.221 Euro
Nebenkosten 360 Euro 360 Euro

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