Vernunft
Mein Haus, mein Auto, mein Boot – muss es immer das Tollste und Beste sein? Nur dann gut, wenn ein bekanntes Markenlogo darauf prangt? Eigentlich nicht. Und in diesem besonderen Fall: fast nicht. Das Tankemblem wurde nämlich nicht in Bologna angebracht, sondern in einer 24-Seelen-Gemeinde im oberfränkischen Schönbuch. Von Patrick Reinhold, dem Vorbesitzer der Hyosung GT 650 S.
Kompletten Artikel kaufen
3000-Euro-Bikes Teil 1: Hyosung GT 650 S und Kawasaki ZL 900 Eliminator
Vernunft & Wahnsinn
Sie erhalten den kompletten Artikel (2 Seiten) als PDF
Wer nun denkt, hier steckt ein Schäfchen im Wolfspelz, der irrt: immerhin 77 PS, Baujahr 2009, gerade mal 3500 Kilometer, für unter 3000 Euro. Das soll erst mal einer nachmachen. Koreanische Argumente überzeugten mich schon bei meinem ersten Moped, einer Daelim VS 125 F. Das Gebot lag bei 724 Euro und nach drei, zwei, eins war sie meins. Von da an gehörte die Welt mir. Zumindest der Teil, den man mit 80 km/h Spitze erreichen konnte.
Den Ducati-Schriftzug gibt es gratis
Bei der 125er werkelte ein Honda-Motor unter dem Tank, bei der gebrauchten Hyosung haben sich die Konstrukteure aus Korea auffällig genau am Aggregat der Suzuki SV 650 orientiert. Reicht das als Basis für eine solide Technik? Versuch macht klug, nach kurzem Plaudern geht’s auf Probefahrt.
Bremsen, Spur, Geräusche, alles im Rahmen, allerdings rutschen die Reifen auf den feuchten Landstraßen Oberfrankens. Und das Fahrwerk gehört nicht zu den Qualitäten der Hyosung – was aber bekannt ist. Nun gut, alles wie erwartet, auf in die Preisverhandlungen! "Der Scheinwerfer hat was von MV, oder?", beginnt Patrick Reinhold. Im wahren Leben verkauft der junge Familienvater Autos, wollte die GT eigentlich nicht hergeben, sondern lieber in der Garage neben der neuen Yamaha Midnight Star parken – als Eigenheimbesitzer auf dem Land kein Problem: Genug Platz ist da. "Den Ducati-Schriftzug gibt es gratis obendrauf, der kostet normalerweise extra", begründet der Anbieter sein mutiges Startgebot von 3000 Euro.
Aktuell bekommt man eine neue 650er-Hyosung dank Rabatt-Aktion für 4495 Euro. Da ist also noch ein bisschen Luft nach unten, schließlich reden wir über eine Gebrauchte. Frech ziehe ich mal ein Drittel ab. Nach langem Hin und Her im 50-Euro-Turnus einigen wir uns auf 2450 Euro. Inklusive italienischem Schriftzug.
Wahnsinn
mps-Fotostudio
mps-Fotostudio
1/19
Der Motor ist also allenfalls eingefahren.
mps-Fotostudio
2/19
Keinen ganz so frischen Einduck machen dagegen die Bremsscheiben. Aber kein Grund zur Sorge: alles nur Flugrost.
mps-Fotostudio
3/19
Beinahe unberührt blieb der Tachostand. Gerade einmal 3582 Kilometer hat die Hyousung GT 650 S hinter sich.
mps-Fotostudio
4/19
Vielleicht hoffte er die italienischen Gene der Koranerin mit dem Ducati-Aufkleber zu wecken?
mps-Fotostudio
5/19
Zunächst die Verkaufsargumente für die Hyosung GT 650 S: Laut Vorbesitzer sieht der Scheinwerfer der GT dem einer MV Agusta doch sehr ähnlich.
mps-Fotostudio
6/19
... mit Ochsenaugenblinkern - in der heutigen Zeit eher Geschmacksache.
mps-Fotostudio
7/19
Genauso wie der breite Lenker, ...
mps-Fotostudio
8/19
Unkonventionell ist auch der Nummernschildhalter Marke Eigenbau. Aber das Riffelblech steht der Elli ausgezeichnet.
mps-Fotostudio
9/19
Nicht ohne Grund, wann findet man denn schon einen Chopper mit Vierventil-Reihenvierer?
mps-Fotostudio
10/19
... und Thorsten ist schon ganz heiß darauf, dem Krawallbruder die Sporen zu geben.
mps-Fotostudio
11/19
Bis auf ein paar Dellen, macht die Kawasaki ZL 900 Eliminator aber auch keine schlechte Figur ...
mps-Fotostudio
12/19
Kein Wunder, die Koreanerin steht ja auch noch ganz gut da.
mps-Fotostudio
13/19
Da freut sich aber einer über die Hyosung GT 650 S.
Leicht
14/19
Solange baut Hyosung noch garkeine eigen Motorräder. Für sein vergleichsweise junges Bike bekommt Patrick Reinhold 2450 Euro.
Dentges
15/19
20 Jahre lang war sie sein eigen: Für 2400 Euro gibt Fank Engel die alte Kawa ab.
mps-Fotostudio
16/19
Auf der Anderen Seite steht Service-Redakteur Thorsten Dentges, der sich mit dem Feuerstuhl Kawasaki ZL 900 Eliminator einen Jugendtraum erfüllte.
mps-Fotostudio
17/19
Auf der einen Seite steht Volontär Luca Leicht, der sich nach Zahlen und Daten für die Hyosung GT 650 S entschieden hat.
mps-Fotostudio
18/19
Das Budget ist fix: Ein Motorrad unter 3000 Euro soll es sein. Aber wie entscheiden? Kopf oder Bauch entscheiden lassen? MOTORRAD wagt den Versuch und begleitet zwei sehr unterschiedliche Kandidaten.
mps-Fotostudio
19/19
Schon auf der Heimfahrt machte das Federbein der GT Probleme. Was damit auf sich hat, steht im zweiten Teil der Serie: Vernunft und Wahnsinn, die in MOTORRAD 20/2013 erscheint.
Eine innere Stimme schreit mich an: "DIESES MOTORRAD MACHT KEINEN SINN!" Es ist die Stimme der Vernunft. Ich erwidere ihr: "Halt einfach die Klappe." Die Eliminator braucht in der Tat kein Mensch, aber genau das ist so reizvoll daran. Die 900er-Kawa: ein Feuerstuhl, eine Rockermaschine, ein Krawallbruder – eignet sich nicht zum Reisen, Mitfahrer gruseln sich, auf der Rennstrecke würde sie komplett versagen. Und die Gebrauchte hier besitzt zudem noch ein paar Macken in Form von kleinen Dellen, nachgespritztem Lack und alten Reifen. 36000 Meilen, also 58000 Kilometer, auf der Uhr sind auch kein Pappenstil. Doch egal, als Verkäufer Frank Engel mich in die Tiefgaragenkatakomben eines Mehrfamilienhauses in Köln-Raderberg führt, mag ich die Maschine sofort.
Die Woche zuvor hielt ich noch nach einer Yamaha Vmax Ausschau, ein Jugendtraum. Doch das Angebot bis maximal 3000 Euro war mau: Entweder in Postgelb oder fürchterlich umgebaut oder nur als leistungsgekappte Euro-Version. Nee, passte nicht. Da erinnerte ich mich: Kawasaki brachte Mitte der 80er die 100 PS starke ZL 900 mit (seinerzeit) ultrasportlichem GPZ-Motor als Vmax-Ampelstart-Gegner (aha: macht also doch einen Sinn).
Die Eliminator ist eben ein reines Männermotorrad
Und nun dieser Sound beim Anlassen: Yeah, wenn die Vmax schon so schweinerockig wie AC/DC klingt, dann ist das hier Hardcore-Metal – Slayer, Angel of Death! Anbieter Frank Engel lächelt und erklärt, dass die Maschine schon seit 1993 sein Eigen ist. Damals fuhr er als Motorradeinsteiger bereits eine 600er-Eliminator, war aber heiß auf die große. In Mannheim wurde ein US-Import zum fairen Kurs angeboten.
Was Frank bei der Probefahrt als Sozius nicht ahnte: Der Anbieter war Bahnprofi und wheelte und driftete gnadenlos mit dem Interessenten im Gepäck. So lange, bis dieser schweißgebadet abklatschte. Die ungewöhnliche Verkaufsmethode wirkte, denn Frank unterschrieb sofort den Kaufvertrag. Bis auf eine Ausnahme ging er zum jährlichen Eliminator-Treffen, will auch nach der Trennung von seiner Ellie diese Tradition beibehalten, auch wenn er von nun an auf BMW anreisen wird. Die hat er angeschafft, weil Franks Freundin Mitfahrten auf der ZL 900 kategorisch verweigert. Tja, reines Männermotorrad eben. Ich habe ein gutes Gefühl, überlege kurz und sage: "Kaufen." 24 Hunderter auf den Tisch, Unterschrift, Handschlag, noch ein Kaffeepläuschchen, fertig, vrrroam!