Trotz sorgfältigster Besichtigung kann es immer wieder einmal vorkommen, daß sich der Käufer "vergreift". Sei es, daß sich nach dem Kauf herausstellt, daß das Motorrad wahrscheinlich deutlich mehr Kilometer auf dem Buckel hat, als der Verkäufer behauptete. Oder daß das Bike doch nicht ganz so unfallfrei ist, wie der Besitzer bei der Vertragsunterzeichnung treuherzig versicherte.
Doch gerade in diesen beiden Fällen hat der angeschmierte Käufer gute Karten, zu seinem Recht zu kommen. Zwar findet sich in fast allen Muster-Kaufverträgen die Formulierung "gekauft wie besichtigt und probegefahren unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung". Schließlich steckt der Verkäufer nicht in der Maschine drin und soll nicht für jeden versteckten Mangel haften - was er sonst nämlich sechs Monate lang tun müßte. Doch die Angabe eines falschen Kilometerstands oder das Verschweigen eines Unfalls fällt unter die Rubrik "Arglist". Und hier sind die Gerichte streng, der Gewährleistungs-Ausschluß im Kaufvertrag wird bei solch einem Delikt hinfällig - die rechtlichen Ansprüche des Käufers verjähren hier sogar erst nach 30 Jahren.
Nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann der arglistig behandelte Käufer nun den Kauf rückgängig machen ("wandeln") oder zumindest einen Teil des Kaufpreises zurückverlangen ("mindern"). Die Hauptschwierigkeit wird aber immer sein: Wie weist man dem Verkäufer nach, daß er tatsächlich arglistig gehandelt hat, also wußte (auch ahnen zählt hier übrigens schon), daß das Motorrad einen deutlich höheren Kilometerstand oder einen Unfallschaden hat? Bei Unfallschäden kann das - auf eigene Faust recherchiert - aufgrund von Versicherungsunterlagen oder Polizeiakten funktionieren. Beim Kilometerstand kann dagegen ein Anruf beim "Vor-Vorbesitzer" durchaus aufschlußreich sein. Zwar lassen die Gerichte geringe Abweichungen der tatsächlichen Laufleistung vom Tachostand meist noch durchgehen (die Toleranzgrenze steigt mit dem Alter des Fahrzeugs), doch bei zehn Prozent ist die Geduld der meisten Richter überstrapaziert.
Bei Unfallschäden nutzt dem Verkäufer die spätere Ausrede "Sie haben mich ja nicht danach gefragt" überhaupt nichts, denn bei dem Besichtigungstermin hat der Verkäufer unaufgefordert darauf hinzuweisen. Und hat er im Kaufvertrag gar die Unfallfreiheit ausdrücklich zugesichert, haftet er sogar für Stürze, von denen er gar nichts wußte - von einem weiteren Vorbesitzer beispielsweise. Ebenso muß er bei Fehlern, die die Verkehrssicherheit betreffen, plaudern, etwa bei kaputten Bremsen oder schwerwiegenden Mängeln an Motor oder Getriebe. Eine Pflicht aber, das Motorrad vor Verkauf komplett durchzuchecken, besteht für ihn nicht - erstaunlicherweise selbst für Händler nicht.
Stellt sich heraus, daß der Verkäufer arglistig gehandelt hat, kann der Käufer statt Wandelung oder Minderung auch einen Schadensersatz verlangen. Die Juristen sprechen hier vom "kleinen" und "großen" Schadensersatz. Das hat nichts mit der Menge des Gelds zu tun, sondern beim "kleinen Schadensersatz" kann der Käufer die Kosten für die Mängelbeseitigung - zum Beispiel für die Reparatur und die entstandenen Nebenkosten wie Telefon und Taxi zur Werkstatt - verlangen.
Beim "großen Schadensersatz" - der aber nur dann verlangt werden kann, wenn es sich um wirklich gravierende Defekte handelt - muß der Verkäufer nicht nur das Motorrad gegen Erstattung des Kaufpreises zurücknehmen, sondern auch noch sämtliche Nebenkosten (wie Zulassung und Nummernschilder) tragen. Hatte sich der Käufer mittlerweile Zubehör für sein Motorrad angeschafft, daß nun ohne Bike ja nutzlos geworden ist, muß der Verkäufer dafür ebenfalls blechen. Und: Hätte der Erwerber das Bike mit Gewinn weiterverkaufen könen, muß ihm der Verkäufer sogar diesen "Verlust" ausgleichen.
Damit es zu solch häßlichen Rechtsstreitigkeiten erst gar nicht kommen kann, sollten sich Käufer und Verkäufer an einige Regeln halten. Der Käufer fragt während des Besichtigungstermins alles Mögliche nach - Ist das Motorrad unfallfrei? Ist es schon einmal vom Ständer gekippt? Wie hoch ist der Ölverbrauch? - und versucht den Verkäufer davon zu überzeugen, die Antworten darauf in den Kaufvertrag aufzunehmen. Dann nämlich gelten die Antworten als Zusicherung. Dieses Spielchen wird allerdings kein Verkäufer mit Begeisterung mitmachen, da wie beim Verschweigen eines Unfallschadens auch bei Nichterfüllung einer Zusicherung die Regeln für die Arglist gelten - aber versuchen kann man es ja. Im schlimmsten Fall sucht sich der Verkäufer eben einen anderen Abnehmer für sein Motorrad.
Der Verkäufer dagegen sollte auspacken, nämlich alles mögliche erzählen, was ihm jemals mit dem Motorrad passiert ist - angefangen beim harmlosen Umkipper bis hin zu verdächtigem Motorklappern - und diese Aussagen in den Kaufvertrag integrieren. So kann der Käufer später nicht behaupten, er hätte von nichts gewußt.