Hintergrund Ducati 1199 Superleggera
65.000-Euro-Supersportler ausverkauft

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Die Ducati Superleggera ist der wahrgewordene Traum für Ducatisti. Allerdings können nur 500 von ihnen jemals dieses Motorrad ihr Eigen nennen.

65.000-Euro-Supersportler ausverkauft
Foto: jkuenstle.de

„Sogno rosso“ bedeutet roter Traum, und das ist die Ducati Superleggera in der Tat. Lange gab es im Superbike-Segment nicht mehr viel, von dem es sich wirklich zu träumen lohnte. Vorbei die Zeiten der Ducati 916, der wiederbelebten MV Agusta als 750er- F4, der Honda RC 30, Yamaha YZF-OW02 oder zuletzt 2006 der Desmosedici, die alle durch technische Finessen, Stil, Exklusivität und einen entsprechenden Preis die Supersport-Fans in helle Auf­regung versetzten. Seither hat sich entwicklungs- und fertigungstechnisch so viel getan, dass selbst eine BMW HP4 kaum noch Speichelfluss auslöst, sind ihre Racingteile doch Großserienfertigung und damit quasi selbstverständlich.

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Hintergrund Ducati 1199 Superleggera
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Von Serienfertigung kann bei der Ducati Superleggera keine Rede sein, was Projektleiter Eugenio Gherardi seit Projektbeginn 2012 deshalb schlaflose Nächte bereitete. „Direkt nach dem Stapellauf der Panigale entschloss sich Ducati zu diesem Projekt und gab zehn Kilo Gewichtsersparnis als Ziel aus“, erzählt er. „Wir schauten uns also die Basis an und schluckten kräftig, denn bei den verwendeten Materialien und der kompakten Bauweise der Panigale, zumal der R-Version, war klar, dass es sehr schwierig werden würde.“ Zunächst konzentrierte sich das Entwicklungsteam auf die „Strukturteile“, wie Gherardi die wenigen Rahmenkomponenten der Panigale nennt.

Ducati Super­leggera 12 Kilo leichter

„Hier profitierten wir von jungen Verfahren und neuen Möglichkeiten mit neuen Materialien“, berichtet er einleitend. Per Druckgussverfahren wurde dann aus dem Aluminium-Hilfsrahmen der Panigale das Magnesium-Monocoque. Den externen Zulieferer, Spezialist dieser Fertigungsart, die extrem geringe Toleranzen und geringe Wandstärken erlaubt, will Ducati nicht preisgeben. Lange gemeinsame Computer-Simulationen und praktische Versuche führten schließlich zum gewünschten Ergebnis. Wir legen beide Chassis-Varianten auf die mitgebrachte Waage: Genau ein Kilogramm ist das Magnesium-Teil leichter. Ein kostspieliges Kilo, denn der Preis von Ducati Superleggera zur Serie liegt hier laut Gherardi pro Stück locker über dem Fünffachen.

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"Sogno rosso" bedeutet roter Traum, und das ist die Super­leggera in der Tat.

Noch mehr Gewicht sparten die Entwickler beim Heckrahmen, der komplett aus Karbon ist und nur einen Monositz beherbergt. „Selbst da haben wir bei der Polsterung und der unteren Schale um einzelne Gramm gefeilscht“, verrät Eugenio. Das Rahmenteil selbst, bestätigt unser Nachwiegen, zaubert hauchzarte 83 Gramm auf die Waage. Richtig Gewicht purzelte mit der Titananlage von Akrapovic, die mit einer Wandstärke von 0,9 Millimetern komplett nur noch 4,35 Kilo wiegt. Und auch Öhlins steuerte seinen Teil zu Eugenios Auftrag bei. Die Gabel gibt es nur für die Ducati Superleggera und die Titan-Feder des Monoshocks ist im Motorradbau bisher einzigartig, wird sonst nur im Highend-Bereich von Autos eingesetzt. Am Ende spart das Fahrwerk 1,4 Kilo. „Mit all den Karbonteilen, dem Magnesium-Deckel des Motors, der Vollkarbon-Verkleidung, den Magnesium-Schmiederädern, den neuen Motorteilen und weiterer Kleinteile wie dem Titan-Deckel des Kühlers haben wir schließlich die zehn Kilo erreicht“, bleibt Eugenio zunächst nüchtern sachlich, bis ein triumphales Grinsen über sein Gesicht huscht. „Insgesamt haben wir zwölf Kilo geschafft.“ Allein zwei Kilo bringt die Litium-Ionen-Batterie. Ob er für die Übererfüllung des Planes belohnt wurde? „Eine Superleggera bekomme ich jedenfalls keine,“ lacht Gherardi.

Auf Motoren-Entwickler Marco Sairu wartete eine ebenso schwierige Aufgabe. Neben Gewicht einsparen sollte seine Truppe der Ducati Superleggera deutlich mehr Leistung entlocken. Über 200 PS standen im Lastenheft, 195 PS im Datenblatt der Panigale. „Dazu haben wir natürlich eng mit Renningenieuren von Ducati Corse gearbeitet,“ so Sairu. Herausgekommen sind dabei die Zweiring-Kolben aus Titan, wie sie in Form und den geringen Gewichtstoleranzen untereinander ganz ähnlich in der Superbike-WM-Maschine eingesetzt werden. „Die Serie hat drei Kolbenringe. In der Superleggera sind es einer für den Gasdruck und einer für das Abstreifen des Öls“, erklärt Sairu. Die Kompression konnte Ducati von 12:5 bei der Panigale auf hochverdichtende 13:2 steigern. „Wir konnten zusätzlich durch geringere Wandstärken das Gewicht um 60 Gramm drücken“, so Sairu weiter. Diese speziellen Titan-Kolben sind wie das Monocoque fünf Mal so teuer wie die Pendants der Panigale R.

Glanzstück ist die Kurbelwelle

Glanzstück der Motoren-Entwicklung ist freilich die Kurbelwelle. „Das Schöne an der Superleggera ist, dass wir uns an kein Rennreglement halten müssen, wie etwa die Kollegen vom Superbike-WM-Team, wo die Kurbelwelle streng reglementiert und seriennah ist“, erklärt Sairu. Die Entwicklung begann mit einem weißen Blatt Papier. So konnten die Ingenieure die Schwungmasse gewaltig reduzieren, damit die Ducati Superleggera wie der Blitz nach oben dreht. Um das Problem der Vibrationen durch fehlende Masse in den Griff zu bekommen, wurden kleine Ausgleichsgewichte aus schwerem Wolfram (18-mal schwerer als Stahl) platziert. „In Serie ist das unmöglich machbar“, verneint Marco die Hoffnung, dass dieser Entwicklungsschritt bald auch in einer Standard-Panigale auftauchen könnte. „Wir haben in der Verfahrenstechnik und bei den Materialien dazugelernt und sind sicher, dass kommende Ducati-Modelle davon profitieren, teure Speziallösungen wie die Wolfram-Gewichte halte ich allerdings für utopisch. Die Fertigungstoleranz für die gesamte Kurbelwelle bewegt sich im Mikrobereich, und das ist entsprechend teuer.“

Die angepeilten 200 PS plus bedurften allerdings noch eines größeren Einsatzes. Zusätzlich zu den Titan-Einlassventilen der Panigale R bekam die Ducati Superleggera unter anderem Auslassventile aus dem extrem harten und leichten Metall – was die Motorperformance steigern hilft, entsprechende Steuerzeiten erlaubt und den Abtransport des verbrannten Gemischs noch harmonischer macht. „Als wir den ersten Motor nach zwei Jahren endlich komplett und mit Airbox und der Auspuffanlage auf dem Prüfstand laufen ließen, war das ein großer Moment. 200 PS sollten wir zum eingesparten Gewicht übertreffen. Das ist uns auf Anhieb gelungen“, gibt sich Sairu erleichtert.

Bis auf das letzte Bike ausverkauft

Selbstverständlich wurde auch viel Zeit in das perfekte Mapping investiert. Die Ducati Superleggera bekam ihre eigenen drei Fahrmodi auf den Leib geschneidert. Zusätzlich gibt es ein Race-Mapping, für das sich jeder Besitzer entscheiden kann, wenn er den kostenlosen Race-Kit verbaut haben möchte. Der beinhaltet neben dem Mapping eine offene Racing-Auspuffanlage, spart nochmal 2,5 Kilo im Vergleich zur straßenzugelassenen Version und packt weitere fünf PS oben drauf.

Schließlich verfügt die Ducati Superleggera noch über eine ausgefeilte Elektronik, die weit mehr Eingriffe erlaubt als das schon komplexe System der Panigale. Selbst ABS, Traktionskontrolle und Motorbremse können per Knopfdruck weiter modifiziert werden. „Da es sich um kein klassisches Serienfahrzeug handelt, haben wir etwa die Traktionskontrolle statt mit Fokus auf Sicherheit voll auf maximale Traktion abgestimmt“, erklärt Projektleiter Eugenio Gherardi. Zusätzliche Sensoren sammeln entsprechende Daten. „Damit ist die Superleggera ein reinrassiges Renn­motorrad ohne Kompromisse – das muss man wissen.“

Ducati dürfte das den 500 Käufern sicher klargemacht haben, denn – jetzt folgt die traurige Nachricht für all jene, die sich die 65.000 Euro für das Traumbike schon abgezählt haben – kurz nach der Vorstellung auf der Eicma in Mailand waren alle 500 Exemplare, die es von der Ducati Superleggera geben wird, verkauft. Bereits vor der Messe hatte Patrizia Cianetti gute Ducati-Kunden zu einer exklusiven Präsentation nach Bologna eingeladen. Die Chefin der Superleggera-Kampagne will sich zwar nicht auf ein „Name-Dropping“ einlassen, aber neben treuen Kunden, Desmosedici-Besitzern und Sammlern der R-Modelle gehören auch Hollywood-Größen und bekannte Industrie-Bosse zum erlesenen Kreis der Superleggera-Besitzer.

Bleibt abzuwarten, wann sich der eine oder andere von diesem bis ins kleinste Detail entwickelten Superbike wieder trennen wird. Bis dahin hilft nur träumen. Wenigstens gibt es dafür wieder Stoff und bald den Fahrbericht hier bei PS.

Technische Daten

Karbonverkleidung und Halter -1,0 kg
Magnesium-Monocoque -1,0 kg
Karbon-Rahmenheck -1,2 kg
Titan-Auspuffanlage -2,5 kg
Geschmiedete Magnesiumräder -1,0 kg
Litium-Ionen-Batterie -2,0 kg
Gabel und Federbein -1,4 kg
Superbike-Kolben -194 g
Kurbelwelle mit Wolfram-Gewichten -396 g
520er-Superbike-Kette mit Kettenrad  
aus Ergal, Aluschrauben, Deckel
und Kleinteile
-1,3 kg

Zweizylinder-V-Motor, 1198 cm³, 149 kW (203 PS) bei 11500/min*,
134 Nm bei 10.200/min* , Gewicht fahrfertig 177 kg*

*Herstellerangaben

Die aktuelle Ausgabe
PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023