Mit der Suzuki GS 650 G Katana
Fahrbericht und Gebrauchtberatung

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Sie sind ihm alle ins Netz gegangen, Suzukis scharfe Katana-Klingen. Walter Mair hat sich mit Haut und Haaren diesen Designer-Stücken verschrieben. MOTORRAD Classic war auf Ausfahrt mit der Suzuki GS 650 G Katana.

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Foto: Bilski

Jeder kennt sie, diese Schlüsselerlebnisse, die einen irgendwann im Leben zu ganz bestimmten Handlungen motivieren. Walter Mair war gerade 15, als er wie vom Donner gerührt erstmals vor der Suzuki GSX 1100 Katana stand, die so faszinierend anders aussah als alle anderen Motorräder, die er bis dahin gesehen hatte.

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Ein Franke im Katana-Fieber

Ein Bild, das Walter nie mehr vergessen sollte, auch wenn Lehre, Meisterschule, Frau, Kinder und der Aufbau der Selbstständigkeit nur wenig Raum zum Träumen ließen. Erst mit 38 fand er die Zeit für den Motorradführerschein. Und bald darauf die Gelegenheit, seinen Jugendtraum wahr zu machen. Die erste Katana in der heimischen Garage war eine 750er, danach erst stieß er auf die lang ersehnte 1100er. Doch damit war das Katana-Fieber des Franken erst so richtig ausgebrochen. Wenn schon, denn schon lautete nun das Motto des früh infizierten Spätzünders. Und so gesellten sich nach und nach auch die kleineren Katana-Modelle dazu, jüngst gar eine nahe Verwandte, die XN 85 Turbo. Logisch, dass alle seine Design-Ikonen nach einer gründlichen Überholung im originalen Topzustand für Zeitreisen in die frühen 1980er-Jahre bereitstehen.

Suzuki GS 650 G Katana zweischneidiges Schwert

Für uns die ideale Gelegenheit, einmal den Blick auf die „kleineren“ 550er- und 650er-Katanas zu lenken, die bis heute
im Schatten der extrovertierteren großen Schwestern stehen. Wohl wissend, dass es sich speziell bei der Suzuki GS 650 G Katana um ein zweischneidiges Schwert handelt. Denn das mit der 550er nahezu baugleiche Kardan-Modell – die 650er unterscheidet sich von der 50-PS-Maschine nur durch eine stärker dimensionierte Gabel mit einstellbarer Federvorspannung, 17-Zoll-Hinterrad, mehr Nachlauf und 34 Zusatz-Pfunden – fiel schon kurz nach dem Start im Jahr 1981 unangenehm auf.

Für den hinteren IRC-Reifen mit der damals ungewöhnlichen Dimension 4.25 H 17 gab es anfänglich nämlich keine Alternative. Noch schlimmer für die Besitzer und das Image der mit knapp 9000 Mark extrem teuer eingepreisten Suzuki GS 650 G Katana waren jedoch etliche frühe Motorschäden, von denen auch die Dauertestmaschine von MOTORRAD bereits nach 6500 Kilometern betroffen war. Ursache für diese gravierenden Defekte waren zu hohe Fertigungstoleranzen in Verbindung mit falschen Lagerschalen für Kurbelwelle und Pleuellager, die das Bild von Suzukis neu konstruiertem, 73 PS starken Zweiventil-Vierzylinder nachhaltig beschädigten.

Hastig angeordnete, aber rasch aufgeflogene Umrüstaktionen im Hamburger Freihafen wurden ebenso wenig als vertrauensbildende Maßnahmen wahrgenommen wie die mehrfachen, drastischen Preissenkungen, die den Ruf vollends
ruinierten. Vielen Motorradfans blieb die Suzuki GS 650 G Katana als anfällige Ramschware in Erinnerung, was den „kleinen“ Katanas bis heute die kultige Verehrung verwehrt, die der hubraumstarken Verwandtschaft entgegengebracht wird.

Gelobte Laufkultur des üppig verripten Vierzylinders

Bilski
Prachtvoll: Anblick und Laufkultur des großzügig verrippten Vierzylinders.

So braucht es also Enthusiasten wie Walter, die uns die Chance eröffnen, nach über 30 Jahren den alten Vorurteilen im Sattel seiner komplett überholten GS 650 G einfach davonzufahren. Lust darauf macht die erste von Hans A. Muth und seinen Partnern von Target Design gestaltete Suzuki – sie stand zusammen mit der 550er im Herbst 1980 bereits als Serienmodell auf der Kölner IFMA, die 1100er war dagegen noch eine Studie – schon im Stand. Ihre harmonischen, in ruhiges Silber getauchten Formen mit den roten Akzenten polarisieren viel weniger als die großen, schärfer geschnittenen Katanas. Außerdem sitzt man entspannter „in“ derSuzuki GS 650 G Katana , muss sich aber dennoch zum Lenker etwas strecken. Was sofort auffällt, ist die schon bei den ersten Tests gelobte Laufkultur des wunderschönen, üppig verrippten Vierzylinders. Über den gesamten Drehzahlbereich spürt man kaum Vibrationen, auch die mechanischen Geräusche fallen dezent aus.

Recht verhalten geht es mit der Suzuki GS 650 G Katana allerdings auch unter 5000 Touren voran, erst darüber zieht der 673 Kubikzentimeter große Zweiventiler die Klinge aus der Scheide und dreht willig bis an den roten Bereich, der bei 9500/min beginnt. Eine Leistungscharakteristik, die freilich auch der sehr populären Kardan-Hauptkonkurrentin, der Yamaha XJ 650, zu eigen war. Der jedoch hatte die Suzuki das wesentlich geschmeidigere Getriebe voraus, das sich selbst unter heutigen Vergleichsmaßstäben für eine Kardanmaschine sehr exakt, geräuschlos und auf kurzen Wegen betätigen lässt. Richtig klasse arbeitet auch der von der GS 850 G übernommene Kardanantrieb, der bei der Katana jedoch keine eigene Ölkammer besitzt, sondern vom Motoröl geschmiert wird. Spiel im Antriebsstrang gibt es ebenso wenig wie Lastwechselreaktionen des Wellenantriebs, dessen Kreuzgelenk sich genau auf Höhe des Schwingendrehpunkts befindet. Kurzum: Ein perfekter Kardanantrieb, an dem sich selbst heute noch viele moderneren und aufwendigeren Konstruktionen ein Beispiel nehmen könnten.

Nicht von alten Vorurteilen abschrecken lassen

Etwas widersprüchlich beurteilten die Tester damals das Fahrverhalten der Suzuki. Im Einzeltest wurden Handling und Fahrstabilität noch gelobt, im sportlichen Wettstreit mit der Yamaha fiel die Suzuki GS 650 G Katana dagegen mit einer gewissen Labilität in Kurven und beim Überfahren von Längsrillen auf. Speziell letzteren Kritikpunkt muss sich auch Walters im Originalzustand belassene Maschine gefallen lassen, die Spurrillen und Fahrbahnmarkierungen mit einem spürbaren Schlenker quittiert – Gewohnheitssache. Vielleicht hat ja auch die etwas unglückliche Fahrwerkseinstellung seiner Katana ihren Anteil daran. Mit der viel zu straff abgestimmten, kaum einfedernden Gabel und den sowohl in Federvorspannung als auch Dämpfung auf weichster Stufe stehenden Federbeinen scheint der Suzuki jedenfalls die ausgewogene Balance zu fehlen. Was das überraschend schwerfällige Handling erklären würde, an dem die üppigen 239 Kilogramm und der mit vollem 23-Liter-Tank hohe Schwerpunkt auch nicht ganz unbeteiligt sein dürften. Tadellos funktionieren dagegen die Bremsen.

Trotz kleiner Schwächen, die sich bei Walters Suzuki GS 650 G Katana jedoch leicht kurieren lassen, überwiegen die positiven Eindrücke, insbesondere vom geschmeidigen Antrieb. Wer schon immer mit der Kardan-Katana liebäugelte, sollte sich nicht von alten Vorurteilen abschrecken lassen. Sondern einfach mal fahren. Es könnte ein Schlüsselerlebnis werden.

Daten (Typ GS 650 GX)

Motor: Luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, über Tassenstößel betätigt, Hubraum 673 cm³, Leistung 54 kW (73 PS) bei 9500/min, maximales Drehmoment 57 Nm bei 8000/min.

Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kardanantrieb.

Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel vorn, Ø 37 mm, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen, Alu-Gussräder, Reifen 3.25 H 19 vorn, 4.25 H 17 hinten, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 275 mm, Einkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten.

Maße und Gewichte: Radstand 1480 mm, Gewicht vollgetankt 239 kg.

Höchstgeschwindigkeit: 197 km/h

Technik

Bilski
Den gleitgelagerten Zweiventil-Vierzylinder plagten Kinderkrankheiten.

Im Gegensatz zur 550er-Zwillingsschwester, bei der man die aufsehenerregende Hülle einfach über bekannte Technik stülpte, spendierte Suzuki der 650er-Katana einen komplett neu entwickelten Antrieb. Der Zweiventil-Vierzylinder hatte als Besonderheit eine zweigeteilte, elliptische Brennraumform mit ausgeprägter Quetschkannte, die zusammen mit der hohen Verdichtung (9,4:1) und weiteren Maßnahmen Leistung und Innenkühlung verbessern sollte. Um den Wärmehaushalt des großzügig verrippten Motors kümmerten sich überdies ein Ölkühler sowie die besonders starke Ölpumpe, die die Kolbenböden über Spritzdüsen mit dem kühlenden Schmierstoff versorgt.

Wie die 1980 präsentierten, hubraumstarken GSX-Vierventiler besitzt auch die Suzuki GS 650 G Katana eine einteilige Kurbelwelle mit Gleitlagerung. Deren zweite Kurbelwange von rechts hat eine Schrägverzahnung und treibt über ein zweites Primärrad mit integrierten Ruckdämpfern die Kupplung an. Die Kraft leitet der aus der 850er bekannte Kardanantrieb ans Hinterrad, wobei hier das Motoröl die Schmierung übernimmt. Um die Kardanreaktionen zu eliminieren, sitzt dessen Kreuzgelenk im Drehpunkt der langarmigen Schwinge. Ansonsten bietet das Doppelschleifen-Fahrgestell mit zwei Federbeinen eher zeitgenössische Hausmannskost, einschließlich dem damals schwer angesagten Anti-Dive-System an der Telegabel.

Kaufcheck

Bei den ersten 1981er-Modellen waren bis Motornummer 122708 falsche Lagerschalen für die gleitgelagerte Kurbelwelle verbaut worden. Folge: Motorschäden aufgrund mangelnden Öldrucks. Ein Problem, das bei heutigen Offerten ausgestanden sein sollte, der Importeur ließ damals im Hamburger Freihafen Hunderte Maschinen umrüsten. Nicht ungewöhnlieine Suzuki GS 650 G Katana ch für  mit Laufleistungen jenseits der 30.000 Kilometer ist ein hoher Ölverbrauch. Dann sind meist die Ventilschaftabdichtungen mitsamt Führungen hinüber und/oder die Kolbenringe erlahmt. Ärger machen häufiger auch defekte Lichtmaschinen, weiterhin leckende Zylinderkopf- und Fußdichtungen. Zudem kann sich die Suche nach Ersatzteilen bisweilen ziehen.

Markt

Der anfänglich exorbitant hohe Preis und die schon nach geringen Laufleistungen aufgetretenen Motorschäden kratzten nachhaltig am Image der Suzuki GS 650 G Katana. Hinzu kamen die mehrfachen, fast schon panikartigen Preisnachlässe auf zuletzt 5999 Mark, die anscheinend bis heute keinen verklärten Blick auf die zum Ramschartikel verkommene Design-Ikone zulassen. Das überschaubare Angebot trifft jedenfalls auf eine verhaltene Nachfrage. Gute Chancen also für Katana-Fans mit Schrauber-Talent und Weitblick, denn derzeit sind selbst Top-Exemplare mit nachvollziehbarer Historie für deutlich weniger als 3000 Euro zu bekommen. Wichtig: Beim Kauf auf den Originalzustand achten, denn so langsam werden Ersatzteile rarer, selbst im Ausland. Das gilt insbesondere für Tank, Sitzbank und Lackteile, bei denen die Preise schon seit geraumer Zeit anziehen.

Viele Infos zu den klassischen GS-Modellen und damit auch zu den 550er-/650er-Katanas findet man unter
www.gs-classic.de

Walter Mair GS 650 G Katana

Für mich ist die Suzuki GS 650 G Katana der Tourer in meiner Katana-Sammlung. Die Laufruhe des Vierzylinders ist bestechend, außerdem arbeitet der perfekte Kardanantrieb praktisch reaktionsfrei. Hinzu kommen die ausreichende Leistung und eine angenehme Sitzposition. Nicht zu vergessen natürlich das aus meiner Sicht sehr harmonische Design, das auch ohne die polarisierenden Linien der großen Katanas genügend Eigenständigkeit besitzt.

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MOTORRAD CLASSIC 6 / 2023

Erscheinungsdatum 05.05.2023