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Motorräder ersteigern: Harley-Davidson MT 350

Harley-Davidson MT 350 – eines dieser seltenen Bikes wollte Arnd Dickel ersteigern. Dann hatte er zwölf davon. Doch die Sache ging gut aus: Sein Harley-Single läuft, der Rest ist in guten Händen.

Motorräder ersteigern: Harley-Davidson MT 350
Foto: Foto: Dickel

Drei U-Boote und ein Eimerkettenbagger gefällig? Kein Bedarf? Vielleicht aber "Unterhosen, oliv, lang" in der praktischen 2,8-Tonnen-Familienpackung, oder 320 Kilogramm Schlafanzug-Jacken Größe 44? Arnd wollte nichts von alledem. Der 42-jährige Siegerländer war auf der Suche nach einer Harley-Davidson MT 350, ein bis Ende des vorigen Jahrhunderts rund 1700-mal bei Harley gebautes Einzylinder-Motorrad, das die britischen Streitkräfte unter anderem in Nordirland und im Irak im Einsatz hatten. Auf der Internet-Seite www.vebeg.de wurde er schließlich fündig: Neben den oben erwähnten Schnäppchen-Angeboten bietet die Vebeg, eine Art Restposten-Wühltisch des Bundesfinanzministeriums, auch die seltenen Army-Harleys an, komplett mit Offroad-Ausstattung, Öhlins-Federelementen, Scheibenbremsen, formschöner Box fürs Schnellfeuergewehr, Front-Koffern und Rotax-Motor. Geschätzter Noch-Bestand nach zwei Golfkriegen: 1000 Stück.

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Auf gut Glück mitgeboten

Genau so eine wollte Arnd haben, musste aber schnell feststellen, dass die Versteigerungen von ausgemustertem Bundeswehr- und THW-Material – oder eben auch von den "British Forces Germany" – ganz anderen Gesetzen folgen, als ihm bisher von eBay bekannt war. So musste er sich, um mitbieten zu können, zunächst als Bieter registrieren lassen. Anschließend konnte er ein Netto-Gebot abgeben, auf welches bei Zuschlag noch Steuern und Gebühren fällig werden. Geboten wird dabei nicht nach dem Steigerungs-Prinzip, sondern blind, also ohne die Höhe anderer Gebote zu kennen. Auf gut Glück bot Arnd für zwei einzelne Rotax-Harleys, die er nur auf einem Foto am Computer gesehen hatte, je 900 Euro. Und ging leer aus. Aber einige Wochen später tauchten weitere MT 350 unter den Angeboten auf. Beim zweiten Versuch ging der Diplom-Kaufmann aufs Ganze: Er bot erneut für zwei Bikes (1000,99 Euro und 1250,99 Euro) plus für ein Paket aus insgesamt zehn Army-Enduros (Zehner-Gebot: 10000,99 Euro). Wieder hatte er zuvor auf den Vebeg-Seiten nur Fotos der Bikes gesehen.

Foto: Archiv
Single-Party: Zwölf Harleys für rund 15000 Euro. Wenn sie so aussehen, ein teurer Spaß. Nur zwei waren fahrbereit.

Unter den Freunden verteilt

Doch diesmal bekam er den Zuschlag – und zwar gleich für alle zwölf Maschinen.Aber wozu hat man Freunde? Einige von Arnds Kumpels hatten ebenfalls Interesse an der exotischen Enduro bekundet, sollten sie also die Chance haben, eine abzukriegen. Nach Zuschlagsbestätigung und Aufforderung, schnellstmöglich zu zahlen, bekam Arnd telefonisch mitgeteilt, wann und wo er seine zwölf Schätzchen abholen könne: Javlin-Kaserne der British Army, Niederkrüchten, Baracke 21. Zeitfenster: 14 Tage. Also flugs mit den Kumpels einen Leih-Laster gechartert. Die Kaserne erweist sich als alter Flughafen direkt an der deutsch-holländischen Grenze. Bevor die Jungs rein dürfen, müssen sie sich strikten Personenkontrollen unterziehen. Dann heißt es lapidar: "Zweite links und fünf Kilometer am Zaun entlang." Unter 50 anderen Bikes findet Arnd seine zwölf schließlich anhand der auf die Kotflügel gepinselten Los-Nummern. Nur acht sind annähernd komplett, vier bloß noch geschlachtete Teileträger. Der Schock sitzt tief, aber schnell kommt Galgenhumor dazu. Und ersteigert ist ersteigert. Also einladen.

Und dann noch der TÜV-Segen


Zuhause im Siegerland machen sich die Jungs ernüchtert ans Werk: Teile sortieren, Schlüssel zuordnen, Batterien laden, Öl nachfüllen, auftanken. Und es wird nicht besser: Nur zwei von zwölf springen an. Der Rest? Die nächsten Wochenenden in der Schraubergarage sind gesichert. Nach zwei Monaten haben Arnd und seine Kumpels immerhin neun Harleys am Laufen – aber den Behördenmarathon erst noch vor sich. Von der Vebeg haben sie für alle Bikes ein Herkunftszertifikat und je eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des deutschen Zolls bekommen. Die will die Zulassungsstelle sehen. Aber der TÜV verlangt mehr: ohne technisches Datenblatt keine Abnahme und keine Zulassung. Die "Bescheinigung zur Vorlage beim TÜV" stellt ganz offiziell der Harley-Händler aus, Preis pro Motorrad zwischen 250 und 350 Euro. Zu guter Letzt hat Arnd noch Glück und dank guter Kontakte eines seiner Schrauberkumpels findet sich ein aufgeschlossener TÜV-Ingenieur, der bei der noch fehlenden Abgasuntersuchung hilft. Die Werte passen, endlich gibt es TÜV-Segen.

Foto: Archiv
Arnds MT 350: Zugelassen und läuft. Kette, Schläuche und Batterie sind neu.

Die Rotax-Harley

Einen der Singles hat Arnd behalten, die restlichen elf an Freunde weiter verkauft. Sein Fazit: "Die Aktion hat Spaß gemacht, war aber blauäugig. Nochmal würde ich das nicht tun." Und: Wo Harley draufsteht ist auch Harley drin? Falsch, denn beim Motor der Harley-Davidson MT 350 handelt es sich um einen Einzylinder aus österreichischer Fertigung, wie ihn auch KTM und zeitweilig MZ einsetzte. Das Konzept der MT stammt vom britischen Hersteller Armstrong, der aus der Sportabteilung von BSA hervorgegangen war. Ende der Achtziger verkaufte Armstrong die Baureihe an Harley-Davidson. So wurde die MT 350 in Milwaukee, Wisconsin, für die britische Armee montiert. Bis zum Jahr 2000 insgesamt rund 1700 Exemplare. Die 30-PS-Bikes mussten verlässlich und robust sein. Sie wurden während des Golfkriegs von den Engländern teilweise sogar an Fallschirmen im Einsatzgebiet abgeworfen.

Foto: Dickel
Bis Mitte 2010 war Arnd Dickel Mitarbeiter von Harley-Davidson Deutschland: "Ohne diese Connections hätte ich das nicht hingekriegt."

So versteigert die Vebeg

Alles außer Panzer, so lässt sich das ständige Angebot der Vebeg zusammen-fassen. Waffen aller Art sind tabu, doch sonstige ausrangierte Bundeswehraus- rüstung, gepanzerte Politiker-Limousinen, kommunale Kehrfahrzeuge, sogar Mobiliar aus Regierungsgebäuden gibt es auf www.vebeg.de zu ersteigern. Die im Text genannten U-Boote (entmilitarisiert) und die Tonnen langer Unterhosen (frisch gewaschen?) ebenso. Zu festgelegten Besichtigungszeiten können (und sollten!) Interessenten die Ware am jeweiligen Standort besichtigen. Probefahrten sind grundsätzlich nicht möglich, eine Rückgabe ebensowenig. Gebote kann die Vebeg akzeptieren, muss sie aber nicht. Weit unter Wert geht also nichts weg.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023