Gegner ausbremsen macht Laune. Doch wenn die Stopper bei solchen Aktionen schwächeln, ist der Spaß schnell getrübt. PS geht Ursachen, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen bei müder Bremsperformance nach.
Gegner ausbremsen macht Laune. Doch wenn die Stopper bei solchen Aktionen schwächeln, ist der Spaß schnell getrübt. PS geht Ursachen, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen bei müder Bremsperformance nach.
Matschiger oder wandernder Druckpunkt, Bremsrubbeln, nachlassende Wirkung: Die Liste möglicher Spielverderber beim Ankern ist lang. Zwar funktionieren moderne Anlagen in aller Regel problemlos und verzögern zuverlässig. Doch bei sehr starker Belastung wie beispielsweise Rennstreckenbolzen oder sportlichen Passabfahrten, womöglich mit Sozia und Gepäck, geraten Bremsen oft an ihre Grenzen und können sogar Schaden nehmen.
Dazu kommt natürlicher Verschleiß der kompletten Anlage, der die Performance ehemals astreiner Stopper ebenfalls mindert. In den einzelnen Kästen beschreiben wir Effekte, deren Ursache und bieten Lösungen. Unterstützt haben uns hierbei Spezialisten. Schließlich warten da draußen noch viele Gegner darauf, ausgebremst zu werden!
Von Fading spricht man, wenn der Reibwert zwischen Bremsbelag und scheibe aufgrund hoher Hitzebildung nachlässt. Dann verzögert die Fuhre selbst bei einem knackigen Druckpunkt eher mäßig. Je stärker die Beanspruchung, desto größer die Hitze - logo. Beim großen Bremsentest (PS 8/2012) haben wir Temperaturen von bis zu 450 Grad gemessen - normale Werte bei extremer Belastung! Abhilfe gegen Fading schaffen nur Scheiben mit größerer Masse (dicker, größerer Durchmesser), da sie aufgrund ihrer Dimension Wärme besser aufnehmen und wieder abführen. Auch die sogenannte Reibpaarung zwischen Belag und Scheibe spielt eine entscheidende Rolle. Passt sie nicht, kann man in die Eisen greifen so stark man möchte - statt brillanter Bremswirkung entsteht lediglich große Hitze. Auf der Suche nach der idealen Reibpaarung betreiben die Bremsenhersteller nach wie vor viel Aufwand, das Entwicklungspotenzial ist groß. Unser Test von der August-Ausgabe zeigt den Stand der Dinge und bietet eine prima Orientierung. Zwar lassen sich Ergebnisse von Bremsbelag-Tests nicht hundertprozentig von einem auf das andere Bike über-tragen. Doch die Fahrzeughersteller verbauen speziell in Sportlern und anderen hochwertigen Maschinen Bremsscheiben ähnlicher Güte, wodurch Testaussagen tendenziell gelten.
„Das fühlt sich an, als ob man in einen Haufen Scheiße greift“. Klare Ansage! Weniger wortgewaltig klingen Begriffe wie „teigig“, „schwammig“ oder auch „matschig“, die das Gleiche meinen und immer dann fallen, wenn Piloten einen klaren, satten Druckpunkt ihrer Stopper vermissen. Oft verursacht alte Bremsflüssigkeit, die schon viel Wasser gezogen hat, einen indifferenten Druckpunkt. Dabei ist es völlig normal, dass Bremsflüssigkeit auf Glykolbasis mit der Zeit Wasser aufnimmt. Glykol-basierte Flüssigkeit wird in 95 Prozent der Bikes verwendet, in Sportlern zu 100 Prozent. Je höher der Wasseranteil in der Bremsflüssigkeit, desto geringer der Siedepunkt. Heißt: Bei starker Beanspruchung leiten Scheiben und Beläge über die Kolben Hitze in die Flüssigkeit, wodurch sie zu „kochen“ beginnt. Folge: Das Wasser verdampft. Da sich Dampf im Gegensatz zu Wasser und Bremsflüssigkeit sehr viel leichter komprimieren lässt, kann man den Bremshebel im Extremfall bis zum Lenker ziehen. Bremswirkung Fehlanzeige! Besonders hinterhältig: Bei einer Bremsung baut das System noch Druck auf, bei der nächsten greift man plötzlich ins Leere! Wechselt der Druckpunkt immer zwischen schwammig und fest, ist die Bremsflüssigkeit nahe am Siedepunkt angelangt. Bei einem indifferenten Druckpunkt also immer zuerst die Flüssigkeit wechseln. Vor allem für die -Rennerei gibt es speziellen Stoff mit sehr hohem Siedepunkt (DOT 5.1). Nachteil: Diese Flüssigkeit altert viel schneller als herkömmlicher Saft und muss häufig gewechselt werden. Manche professionelle Teams tauschen sie nach jedem Rennwochenende. Hobbyracer sollten sie wenigstens viermal im Jahr wechseln, Straßenfahrer zweimal. Handelsübliche DOT 4-Flüssigkeit genügt normalerweise auch höchsten Ansprüchen und muss nur alle zwei Jahre gewechselt werden. Merke: Frischer DOT 4-Saft ist besser als alter 5.1er!
Was kaum jemand berücksichtigt: Beim Wechseln bleibt immer noch ein Rest Flüssigkeit in den Bremssätteln. Um ihn aus dem System zu pumpen, rät Conor McRory, Produktmanager bei Bremsenspezialist Magura: „Einen Sattel abschrauben, die Entlüftungsschraube öffnen und die Bremskolben ganz nach hinten drücken. Danach die Schraube wieder schließen und den Sattel wieder anschrauben. Gleiche Prozedur bei der zweiten Zange.“ Im Anschluss sollte man das System mit viel frischer Bremsflüssigkeit durchspülen. Doch selbst dann bleibt noch ein Rest alter Bremsflüssigkeit in den Sätteln. Nur wer die Zangen komplett zerlegt, bekommt die Brühe vollständig heraus - eindeutig eine Angelegenheit für Fachleute. Manche Rennsättel haben eine zweite Entlüftungsschraube, die diese Arbeit erspart.
Eine weitere Ursache für eine matschige Bremse sind zweiteilige, geschraubte Sättel. Vor allem günstige Zangen können sich unter starkem Druck weiten, worunter der Druckpunkt leidet. Dazu Hubert Telges, Deutschland-Importeur von Brembo: „Abhilfe schaffen nur gefräste, hochwertige zweiteilige Sättel oder gegossene Monoblocks“. Wie der Name schon sagt, bestehen Letztgenannte aus einem Teil, können sich also nicht ausdehnen. Das Nonplusultra ist eine (sündhaft teure) Kombination: gefräste Monoblocks.
Gummileitungen ohne Stahlummantelung bewirken ebenfalls einen indifferenten Druckpunkt. Für Racer und Sportfahrer mit hohen Ansprüchen an die Stopper sind Stahlflex-Leitungen ein absolutes Muss. Das gilt im Übrigen auch für die Beläge: Eine sehr sportliche Fahrweise erfordert geeignete Pads!
Hart und knackig soll er sein, immer präsent und standhaft: der Druckpunkt. Doch manchmal wandert er Richtung Lenker, der Leerweg am Bremshebel wächst. Darunter leidet das Bremsgefühl, weil immer eine nervige Zeitspanne zwischen Zug am Hebel und Bremswirkung herrscht. Ursache? Unterschiedlich. So liegen beispielsweise die Bremskolben nicht an den Belägen an. Statt den bei zunehmendem Bremsbelag-Verschleiß entstehenden längeren Weg auszugleichen, bleiben die Kolben in ihren Gummiführungen stecken. „Das geschieht, wenn eine zu große Haftreibung zwischen Kolben und Gummidichtung besteht und dadurch die Kolben nicht sauber in den Führungen gleiten“, weiß Magura-Experte Mc-Rory. „In diesem Fall Kolben und Dichtungen reinigen und die Dichtungen mit Spezialfett auf Silikonbasis einreiben. Keinesfalls ölbasierte Fette verwenden! Sie schädigen das Gummi, da es aufquellen kann.“ Tipp: Kleine Gebinde von silikonbasiertem Fett bietet der Fahrradhandel. Auch Kolben mit spezieller Beschichtung oder aus anderem Material wie Stahl oder hochwertige Alu-Legierungen, wie sie beispielsweise der Zubehörmarkt bietet, ver-bessern die Gleiteigenschaften.
Wächst der Leerweg am Hebel nur am Ende von langen Geraden und die Stopper bieten zwischen kurz aufeinanderfolgenden Bremsungen einen perfekten Druckpunkt, liegt es höchstwahrscheinlich an verzogenen Scheiben. Oder an Exemplaren mit ausgeschlagenen Floatern. In beiden Fällen erzeugen die Scheiben Schwingungen und drücken die Kolben mit der Zeit in den Führungen zurück. Auch Lenkerschlagen („Kickback“) kann dieses Phänomen verursachen. Zu wenig Haftreibung zwischen Kolben und Führung verstärkt diesen Effekt noch - ein gewisser Widerstand zwischen diesen Bauteilen ist also durchaus nötig.
Auch Luft im System verursacht einen wandernden Druckpunkt. Sie kann beispielsweise bei einem zu geringen Füllstand im Ausgleichsbehälter in die Bremsanlage gelangen, wenn der Pilot extreme Schräglagen fährt oder stürzt. Weitere Möglichkeit: Vibrationen erzeugen Blasenbildung. Die im Behälter zirkulierenden „Bubbles“ geraten nach und nach in die Flüssigkeit. Lösung: hochwertige, entkoppelte, schwere Behälter mit hoher Eigendämpfung verwenden. Auch ein s-förmiger Schlauch zwischen Behälter und Bremspumpe soll Besserung bringen. Geringe Luftmengen treten bei axialen Bremspumpen wieder von selbst ins Freie. Doch die bei Supersportlern oft verwendeten Radialpumpen müssen manuell entlüftet werden. Hierzu die Entlüfterschraube direkt an der Bremspumpe öffnen, den Hebel durchziehen, Schraube schließen und den Hebel wieder loslassen. Achtung: Hierbei tritt aggressive Bremsflüssigkeit aus! Vorher ein Tuch unterlegen und betroffene Stellen nach dem Entlüften großzügig mit Wasser reinigen. Übrigens: Der Vorteil radialer Bremspumpen besteht vor allem darin, dass ihre Bauart einen größeren Kolbendurchmesser zulässt. Außerdem ist das Übersetzungsverhältnis von der Drehachse des Bremshebels zur Ansteuerung des Bremskolbens meist günstiger. Unterm Strich verbessern diese Besonderheiten das Bremsgefühl. Einige Zubehörprodukte erlauben gar, dieses Übersetzungsverhältnis zu ändern. Damit kann der Pilot das Verhältnis von Handkraft zu Hebelweg individuell einstellen.
Uneinheitliche Druckpunkte entstehen auch bei Bremspumpen mit hohen Fertigungstoleranzen, wie beispielsweise an der Hebellagerung oder dem Kolben. Hier helfen nur hochwertige Produkte. Generell gilt bei Stoppern: Nur versierte Schrauber sollten an ihnen arbeiten. Selbst geringe Fehler oder eine kleine Unachtsamkeit können Bremsversagen verursachen. Und mit 200 Sachen oder mehr möchtest du beim Anbremsen garantiert nicht ins Leere greifen!
Bremsrubbeln entsteht bei zu hoher thermischer Belastung. Davon betroffen sind meist Erstausrüster-Scheiben, die aus Kostengründen nicht die höchstmögliche Qualität aufweisen. Zwar verziehen sich die Scheiben im Gegensatz zu früher nicht mehr so häufig tellerförmig („Schirmung“), sondern nutzen sich aufgrund von Gefügeveränderungen des Stahls ungleichmäßig ab. Dadurch entstehen aber unterschiedliche Dicken in den Scheiben - die Bremse rubbelt, der Bremshebel pulsiert. Achtung: nicht verwechseln mit dem Pulsieren bei regelndem ABS! „Ungleichmäßig abgenützte Scheiben entlarvt man am besten mit speziellem Messwerkzeug wie einer Bügelmessschraube“, erklärt Brembo-Mann Telges. Manchmal verziehen sich auch die Trägerplatten der Bremsbeläge. Zum Prüfen Beläge ausbauen und die Rückseiten aneinander legen. Die Platten müssen absolut plan anliegen. Bei verzogenen Belägen hilft nur der Austausch.
Wenn sich das Vorderrad nur schwer drehen lässt (aufgebockt checken), kann das mehrere Ursachen haben. Möglicherweise stecken die Bremskolben aufgrund zu hoher Haftreibung in ihren Gummiführungen und wandern nicht weit genug zurück. Lösung: siehe Beitrag „Wandernder Druckpunkt“. Auch bei krummen Scheiben lässt sich das Rad nur schwer drehen. Gleiches gilt bei zu hohem hydraulischen Druck im System. Überdruck herrscht dann, wenn man bei stark verschlissenen Bremsbelägen Flüssigkeit in den Ausgleichsbehälter gibt. Montiert man dann neue, dicke Bremsbeläge, kann die Flüssigkeit nicht mehr ausweichen und übt Druck auf die Kolben aus, die dann gegen die Beläge pressen. Zum Prüfen Entlüftungsschraube am Sattel öffnen. Fließt Flüssigkeit heraus ohne am Bremshebel zu ziehen, herrscht Überdruck. Stimmt der Bremsflüssigkeitspegel (bei kalter Flüssigkeit messen), liegt es womöglich an der Pumpe. Ist sie defekt, kann auch sie permanent Druck aufs System geben. Bitte beachten: Ein gewisser Widerstand bei drehenden Rädern ist normal. Nur wenn sich das aufgebockte Rad nach kräftigem Anschieben lediglich zirka eine halbe Umdrehung bewegt, ist Vorsicht geboten.
Manchmal verursacht Staub auf der Bremse nerviges Quietschen. Das passiert vor allem bei dauerhaft unterforderten Stoppern. In diesem Fall die Beißer hart beanspruchen - beispielsweise durch Fahren bei leicht gezogener Bremse. Nützt das nichts, Beläge aus-bauen, mit Schmirgelpapier etwas abziehen und sämtliche Kanten leicht abrunden. Bringt auch das nichts, helfen nur neue Beläge.
Neue Beläge möglichst auf gebrauchten Scheiben einfahren. Dabei zunächst nur kurz und mit wenig Handkraft bremsen. Dauer und Druck langsam steigern und zwischen den Bremseinlagen immer einige Zeit warten, um die Stopper etwas abkühlen zu lassen. Bei dieser Prozedur legen sich die Beläge plan an die Scheiben an („Bedding“). Dabei entsteht auch die dünne Reibschicht zwischen Belag und Scheibe, die das Verzögern erst ermöglicht. Bei zu hoher anfänglicher Belastung überhitzen die Beläge und „verglasen“. Folge: maue Bremswirkung. In diesem Fall die obere Schicht mit Schmirgelpapier abziehen. Die Pads können danach weiterverwendet werden. Neue Scheiben möglichst mit gebrauchten Belägen einbremsen. Ansonsten gilt das gleiche Prozedere wie bei den Belägen. Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn Scheiben wie Beläge nach dem Einbremsen einmal komplett abkühlen.
Falls Sintermetallbeläge nach Exemplaren aus Karbon zum Einsatz kommen, müssen die Scheiben erst mit 120er-Schmirgelpapier abgezogen werden, um die Karbonschicht zu entfernen. Karbonbeläge sind allerdings ein Relikt aus der Vergangenheit und bieten keinerlei Mehrwert gegenüber ihren gesinterten Pendants. Einst waren sie zwar in verschiedenen WM-Klassen populär, doch heute werden sie nur noch im MotoGP im Verbund mit Karbonscheiben benutzt. Falls im Anschluss an Sinterbeläge Karbonpads das Ankern übernehmen, braucht man die Scheiben nicht abzuschmirgeln. Bremspads generell spätestens bei einer Belagstärke von ungefähr zwei Millimetern wechseln.
Secondhand-Käufer aufgepasst: Vorsicht bei ausgelutschtem Material aus der WM! Die Cracks belasten die Teile so böse, dass sie nach einer Saison reif für den Müll sind. So leiern die Floater der Bremsscheiben ebenso aus wie die Bremsbelag-Aufnahme der Sättel oder die Bremshebel-Befestigung. Auch der Einsteller an der Pumpe verschleißt. Alle Nicht-WM-Fahrer können ihr Material dagegen viele Jahre verwenden. Das gilt selbst für ganz schnelle Jungs. Auch sie müssen lediglich verschlissene Scheiben und Beläge ersetzen und die Anlage von Zeit zu Zeit von einem Spezialisten inspizieren lassen.
Thema Keramik-Bremsscheiben. Größter Vorteil des Verbunds aus Kunstharzpulver und Kohlenstofffasern ist das geringe Gewicht. Das Einsparpotenzial soll um 50 Prozent gegenüber herkömmlichen Scheiben liegen. Bisher kommt die Technik speziell in hochpreisigen Autos zum Einsatz. Selbst marktmächtige Bremsenhersteller führen derartige Bremsen für Bikes derzeit nicht im Programm. „Die Technik ist für Motorräder noch nicht adaptiert und das Preis/Leistungs-Verhältnis nicht konkurrenzfähig“, erklärt Brembo-Importeur Telges. Eigene Praxiserfahrungen hat PS in den letzten Jahren nicht sammeln können. Möglicherweise sehen wir diese Technik fürs breite Volk erst mittel- oder gar langfristig.