Dreispurige Autobahnen verengen sich zum schmalen Feldweg, der Blick klebt in der Ferne, volle Konzentration ist angesagt. Beharrlich tickert der Drehzahlmesser gegen Rot, die digitalen Ziffern der Tachoanzeige wandern auf die 300 zu. Zwei Werte, denen der Pilot in solchen Momenten aber kaum Beachtung schenken kann. Schon eine kleine Unachtsamkeit hätte fatale Folgen. Gut also, dass der Fahrer vor weiteren Informationen verschont bleibt. Stellen wir uns nur vor, im Cockpit seines 1000er-Supersportlers tauchen plötzlich Temperaturwerte aus dem Ventilkopf oder Druckanzeigen aus dem Zylinder auf. Fassen wir besser einmal an gefahrloser Stelle in Zahlen zusammen, was bei Vollgas wirklich abgeht.
Das passiert in Motor und Getriebe
Was im Motor durch den Explosionsdruck an Kraft erzeugt wird, wandert über das Pleuel an die Kubelwelle. Im Hinterhof der Hölle gerät nun alles in Rotation. Mit 13500 Umdrehungen in der Minute rotiert die Kurbelwelle bei Highspeed auf einer aktuellen Yamaha R1, das sind pro Sekunde flotte 225 Umdrehungen. Weiter geht es über Zahnräder des Primärantriebs an die Kupplung. Diese rotiert immerhin noch mit 8930/min. Gleichzeitig steigt das Drehmoment. Von den 111 Nm an der Kurbelwelle auf 168 Nm an der Kupplung. Allerdings frisst die Reibung der Zahnräder auch bei bester Schmierung ein wenig Leistung. Rund zwei Prozent gehen auf dem Weg von der Kurbelwelle zur Kupplung verloren. Trotzdem macht die schiere Kraft dem Material immer noch gehörig zu schaffen. So werden beispielsweise die Flanken der Getriebezahnräder des sechsten Ganges mit einer Kraft von mehr als 5000 Newton zusammengepresst. Hier sind deshalb besonders vergütete Oberflächen gefragt, damit Materialausbrüche – das so genannte Pitting – vermieden werden.
Das tut sich am Endantrieb
Über die Ausgangswelle flieht das Drehmoment ins Freie. Das Ritzel rotiert nur noch mit 7036 Umdrehungen, das Drehmoment beträgt hingegen beachtliche 213 Nm. Keine leichte Aufgabe also für den Endantrieb, der die Kraft nun zum Hinterrad übertragen muss. In der Regel muss eine im Grunde genommen sehr filigran gefertigte Kette den Belastungen standhalten, bisweilen übernimmt ein Kardan-Antrieb oder – wie hier abgebildet – ein Zahnriemen die Aufgabe. Ob nun Stahl oder Gummi: Was zählt, ist Widerstand: Fast eine halbe Tonne zerrt beim Highspeed an Kette oder Riemen, beim Gasaufreißen in den niedrigen Gängen sind es sogar mehr als eine Tonne, die Riemen oder Kette aushalten müssen. Der Antrieb selbst rauscht mit 110 km/h über Ritzel und Kettenrad. Die Endstation ist groß und rund. Nun muss der Hinterreifen das Feuerwerk von vorn auf die Straße bringen. Das Drehmoment ist mit jeder Untersetzung angestiegen, liegt nun bei mächtigen 589 Nm. Und dabei ist die Kontaktfläche zwischen Reifen und Asphalt nur wenige Quadratzentimeter groß.
Im Takt
Einlasstakt: Bei 12000/min geht es im engen Zylinder wie im freien Luftraum zu. Durch die Abwärtsbewegung saugt der Kolben Frischgas in Überschallgeschwindigkeit durch das Einlassventil an.
Verdichtungstakt: Bei einem 1000er-Vierzylinder verdichtet der Kolben das Zylindervolumen von 250 cm3 durch seine Aufwärtsbewegung auf rund 20 cm3. Die Ansaugluft erhitzt sich auf zirka 500 Grad.
Arbeitstakt: Das Gemisch verbrennt. Die Temperatur steigt schlagartig auf 3000 Grad, der Druck auf 90 bar. Die Kolbenfläche wird dabei mit ungefähr 3,7 Tonnen belastet – das Gewicht eines voll beladenen Sprinters.
Auslasstakt: Die Abgase werden durch die Aufwärtsbewegung des Kolben durch die Auslassventile gepresst, die sich dabei bis zur Rotglut auf über 800 Grad erhitzen.
Auf Rekordfahrt
Was bei Tempo 286 und 13500/min tatsächlich abgeht...
Berechnungsbasis: Vierzylinder, Hubraum 998 cm3, Bohrung 78, Hub 52,2 mm (Yamaha YZF-R1, Modell 2009)
Max. Leistung: 173 PS an der Kurbelwelle und 159 PS am Hinterrad
Max. Drehmoment: 111 Nm an der Kurbelwelle
Max. Drehzahl Kurbelwelle: 13500/min, entspricht 225/sek
Drehzahl Kupplung*: 8930/min (Drehmoment 168 Nm)
Drehzahl Kettenritzel im 6. Gang*: 7036/min (Drehmoment 213 Nm)
Drehzahl Hinterrad*: 2522/min (Drehmoment 589 Nm)
Mittlere Kolbengeschwindigkeit*: 23,5 m/s, entspricht 85 km/h
Max. Kolbengeschwindigkeit*: 37,6 m/s, entspricht 135,4 km/h
Mittlere Verzögerung des Kolbens*: 27083 m/s2
Umfangsgeschwindigkeit der Kette**: 110 km/h
Tatsächliche Umfangsgeschwindigkeit am Reifen**: 295 km/h
Max. Temperatur am Hinterreifen**: zirka 100 Grad an der Oberfläche