Rennkuh-BMW Retro
Michael lässt die Kuh alt aussehen

Michael Welsch, Inhaber der Firma Rennkuh im beschaulichen Wörth am Main, hat sich ganz den bayrischen Vierventil-Boxern verschrieben. Hauptbestandteil seines Geschäfts sind für den Straßenbetrieb optimierte GS und R mit dicken Reifen, anderer Optik, Motortuning und so weiter. Doch eines Tages reifte der Gedanke, dem Technobike einen radikal neuen, sprich alten Look zu verpassen. Die Idee zur Retro war geboren.

Michael lässt die Kuh alt aussehen
Foto: Jahn

Einzige Vorgabe: Das Ding muss alt aussehen, sonst nix. Eine Einsortierung in die gewohnten Kategorien fällt schwer. Klar ist, das ist kein Chopper und kein Cruiser, auch die Kategorie Bobber passt nicht, trotz der fetten Räder. Apropos fette Räder: Die Bereifung sieht zwar aus, als sei sie aus den 70er-Jahren übrig geblieben, die Dunlop K 527 (vorne 130/90-16, hinten 140/90-16) entstammen jedoch aktueller Produktion. Interessanterweise lassen sich diese Reifen auf der offiziellen Dunlop-Homepage nicht finden, bei freien Händlern im Internet aber problemlos. Café-Racer triffts auch nicht, dafür wiederum sind die Reifen zu breit und der Motor nicht parallelzylindrig und englisch genug.

Aber egal, wir wollen fahren, nicht sortieren. Das Rahmenheck wurde mit der Flex von allem unnötigen Ballast befreit und wird von einer wunderhübschen, handgedengelten Aluhaube überspannt. Dank kürzerem Stoßdämpfer befindet sich der trotz dünnem Polster durchaus annehmbare Sitz angenehme 77 Zentimeter über dem Boden. Die Hände fallen wie von selbst auf die ochsenaugenbewehrten Lenkerstummel. Dort befinden sich auch diese herrlichen halb antiken Schalter, die in den 70er-Jahren auch gerne an Neckermann-Mofas verbaut wurden. Allein das Auftreiben dieser Schalter sowie des Rücklichts bedurfte laut Welsch eines ganzen Tages auf der Veterama. Ein winziger Tacho füllt das Loch in der Gabelbrücke, in dem früher das Zündschloss saß. Dieses wanderte neben den linken Ansaugkanal. Die nötigen Kontrolllampen stecken im frei stehenden Scheinwerfer.

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Die hoch angeordneten Fußrasten bedingen einen sehr engen Kniewinkel, und dank des selbst einklappenden Seitenständers wird das coole Abstellen der Retro stets zum Adrenalinkick. Ein Druck aufs Knöpfchen, und der technisch unveränderte 1200er-Boxer erwacht zum Leben. Und wie! Die Auspuffanlage ist weniger ein Schalldämpfungs- als vielmehr ein Schallleitungssystem. Tolerante Nachbarn sind kein Fehler, sollte man regelmäßig mit der Retro vorfahren.

Mit der je nach Gusto Souveränität, Trägheit oder Gelassenheit, die große rotierende Massen nun einmal mit sich bringen, folgt die Retro dem idealerweise möglichst ebenen Straßenverlauf. Um kleine Unebenheiten kümmern sich die nicht sonderlich gripstarken Dunlops, um große niemand. Sie lenkt recht träge ein, folgt dann aber durchaus neutral dem Straßenverlauf. Die giftige Bremse erfordert Aufmerksamkeit. Und genau das ist es: Wegen ihrer Eigenheiten hat ein Ritt auf der sauber und liebevoll aufgebauten Retro einen hohen Unterhaltungswert. Suchtgefahr nicht ausgeschlossen. Zeitreise geglückt.

Umbaumaßnahmen
Die hier vorgestellte Maschine ist die zweite je gebaute Retro. Sie steht derzeit für 22 500 Euro zum Verkauf. Das Motorrad gibt es nur als Komplettfahrzeug. Der Verkauf einzelner Komponenten ergibt nach Meinung des Erbauers keinen Sinn, deshalb bietet er sie auch nicht einzeln an.

Anbieter
Michael Welsch, Raiffeisenstraße 8, 63939 Wörth, Telefon 0 93 72/94 84 74, www.rennkuh.de

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023