Richtiges Verhalten am Unfallort: So einfach geht Erste Hilfe

Rettungskette: Richtiges Verhalten am Unfallort
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So einfach geht Erste Hilfe

© Jörg Lohse

Klaus Herder ist MOTORRAD-Redakteur und ehrenamtlich aktiver Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr. Wir sprachen mit ihm darüber, wie man den Rettungskräften die Arbeit etwas erleichtern kann.

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Was können Verkehrsteilnehmer tun, um euch eine möglichst schnelle und vor allem sichere Fahrt zur Einsatzstelle zu ermöglichen?

Wenn wir mit Sonderrechten, also mit Blaulicht und Einsatzhorn unterwegs sind, verfallen einige Verkehrsteilnehmer in eine Art "Schreckstarre", bremsen abrupt ab und bleiben manchmal sogar unvermittelt stehen – gern auch mitten im Weg. Genau das bitte nicht machen! Natürlich ist "Rechts ran und die Rettungskräfte durchlassen" grundsätzlich richtig, aber auch nur dann, wenn es die Verkehrslage und die Platzverhältnisse erlauben. Ansonsten bitte weiterfahren, das Einsatzfahrzeug nicht ausbremsen und erst dann anhalten und Platz machen, wenn es gefahrlos möglich ist. Umgekehrt gilt aber auch, bei Staus nicht einfach z. B. vor der Ampel stehenzubleiben, wenn sich von hinten das Blaulicht nähert. Vorziehen und/oder zur Seite fahren – notfalls ein Stück auf den Fußgängerüberweg. Ansonsten gilt natürlich überall dort, wo es nur noch langsam vorangeht: frühzeitig Rettungsgasse bilden. Wenn bereits alles steht, ist es dafür meist zu spät.

© Yvonne Hertler
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Ankunft an der Einsatzstelle – was gilt es hier zu beachten?

Bevor wir eintreffen, sollte die Einsatzstelle so gut wie möglich abgesichert sein – und zwar weiträumig. Besonders, wenn Kurven und/oder Kuppen das frühzeitige Erkennen der Situation erschweren. Oberstes Gebot dabei ist natürlich, sich selbst und andere nicht zu gefährden. Warnwesten und Warndreiecke liegen nicht umsonst im Auto, also bitte benutzen. Und runter von der Fahrbahn! Falls nicht klar zu erkennen ist, wo sich die Einsatzstelle ganz konkret befindet (enge Bebauung, Waldstück o. Ä.), ist u. U. ein "Einweiser" hilfreich, der uns deutlich anzeigt, wo wir genau hinmüssen.

Es ist ggf. sinnvoll, die Einsatzkräfte auf Besonderheiten aufmerksam zu machen, die vielleicht nicht sofort zu erkennen sind, wie z. B. auf alternative Fahrzeugantriebe (Elektro, Hybrid, Gas) oder auf relevante Vorerkrankungen/Bewegungseinschränkungen der Fahrzeuginsassen, die bei einer Rettung eine Rolle spielen könnten. Informationen über die Zahl der tatsächlichen Unfallbeteiligten oder Hinweise auf ursprünglich im Fahrzeug befindliche Tiere sind hilfreich, denn es kommt gar nicht mal so selten vor, dass sich Mensch und/oder Tier unter Schock und in Panik von der Unfallstelle entfernen, obwohl sie verletzt sind. Das kann besonders in der Dunkelheit ein echtes Problem sein.

© Brigitte Herder

Ein Unfall, was tun? 1.) Ruhe bewahren! Klingt banal, hilft aber immens. Zunächst gilt: Eigenschutz beachten. Unternehmen Sie nichts, wodurch Sie selbst in Gefahr kommen könnten. Und sichern Sie sich: Warnweste anziehen, dann die Unfallstelle absichern. Liegt das ­Un­fallopfer an einer schwer zugänglichen Stel­le, bleiben Sie dort, wo Sie sicher sind und wählen Sie den Notruf (112). Dabei gelten noch immer die 5 Ws: 1.) Wo wird die Hilfe benötigt? 2.) Wer ruft an? 3.) Was ist passiert? 4.) Wie viele sind betroffen? Und 5.): Warten auf Rückfragen.

Was kann an der Einsatzstelle für Irritationen sorgen?

Manche Leute erwarten, dass nach dem Eintreffen des großen roten Autos sofort neun Feuerwehrleute herausspringen und im Laufschritt mit den Rettungsarbeiten beginnen. Das passiert praktisch nie. Es erfolgt im Normalfall erst eine Erkundung und Lagefeststellung durch Gruppenführer bzw. Einsatzleiter, die dann das weitere, sehr gezielte Vorgehen bestimmen. Das hat nichts mit "Trödelei" zu tun, im Gegenteil: Hektik und chaotischer Aktionismus bringen gar nichts und kosten nur wertvolle Zeit. Das gilt z. B. auch für die Rettung von Verletzten aus Fahrzeugen. Das Stichwort lautet "patientengerechte Rettung", also das möglichst schonende Zusammenwirken von medizinischer und technischer Rettung. So ist z. B. das Sichern/Abstützen verunfallter Fahrzeuge extrem wichtig, wenn die Gefahr besteht, dass der Patient bei weiteren Arbeiten (Türöffnungen freilegen, Dach abtrennen o. Ä.) durch ungewollte Fahrzeugbewegungen weiteren Schaden nehmen könnte. Es kann für Außenstehende etwas irritierend sein, dass bei mehreren Verletzten nicht immer derjenige als Erster behandelt werden kann, der am lautesten schreit. Ich weiß, dass das makaber klingt, sehr oft brauchen zuerst diejenigen Hilfe, die nicht mehr so laut schreien können.

Welche Tipps hast du für die direkt Unfallbeteiligten?

Bitte nicht den "harten Hund" oder "unverletzlichen Helden" spielen. Also lieber die Feuerwehr bzw. den Rettungsdienst umgehend über Beschwerden informieren. Schwerwiegende (innere) Verletzungen sind nicht immer sofort spürbar, besonders dann nicht, wenn viel Adrenalin oder ein Schock im Spiel ist. Niemand sollte sich scheuen, die Einsatzkräfte direkt anzusprechen und um Hilfe zu bitten.

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Unfallbeteiligte sollten bitte darauf verzichten, weitere Angehörige (z. B. per Handy) an die Einsatzstelle zu rufen. Die können dort ohnehin nichts ausrichten, sorgen u. U. für noch mehr Stress bei allen Beteiligten und – was am wichtigsten ist – sind bei der meist hektischen, unkonzentrierten Anfahrt massiv gefährdet, selbst in einen Unfall verwickelt zu werden.

Eine vermeintliche "Kleinigkeit": Brandschutz beachten! Die Gegen-den-Stress-Zigarette ist an der Einsatzstelle keine gute Idee. Ausgetretene Betriebsstoffe (Benzin!) sind nicht immer sofort zu erkennen, und die Feuerwehr muss ja nicht unbedingt mit zusätzlichen Löscharbeiten beschäftigt werden.

Und welche Ratschläge gibt es für die nicht direkt Betroffenen?

Bitte erklärt den Einsatzkräften (also Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr) nicht, wie sie ihren Job zu machen haben. Was für Außenstehende manchmal nach "nicht schnell genug" aussieht, geschieht aus gutem Grund so und nicht anders. Es interessiert die Feuerwehr und den Rettungsdienst am Einsatzort nicht, wer am Unfall (vermeintlich) schuld ist. Das ist Sache der Polizei, und die klärt das in aller Ruhe.

Fangt an Straßenabsperrungen bitte nicht mit Diskutieren an ("Ich muss da unbedingt durch!"). Es geht bei Absperrungen u. a. darum, Einsatzkräfte und Verunfallte vor dem fließenden Verkehr zu schützen sowie Platz für nachrückende Kräfte oder Rettungswege freizuhalten. Was vielleicht nach "ist doch alles total frei" aussieht, ist es nicht. Und die Einsatzkräfte stehen garantiert nicht aus Jux und Tollerei mit der Kelle im Weg. Absperrbereiche direkt an der Einsatzstelle – gern durch Flatterband markiert – sind für Nicht-Einsatzkräfte ebenfalls absolut tabu. Die Arbeit mit Schere/Spreizer kann für "metallhaltige" Luft sorgen, Glasbruch ist auch nicht zu unterschätzen – und das alles ist für Menschen ohne Schutzausrüstung ggf. sehr ungesund.

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Und: Es ist zwar ein Kampf gegen Windmühlen, aber bitte unterlasst das Gaffen, Fotografieren oder Filmen. Vielleicht hilft es in einem kleinen wachen Moment, sich zu vergegenwärtigen, wie man selbst als Unfallopfer behandelt werden möchte.

Bitte vergesst auch nicht, dass viele Einsatzkräfte ihren Dienst ehrenamtlich leisten. Weder "Ehrenamtler" noch "Hauptberufliche" erwarten nach Einsätzen ein großes Dankeschön. Was aber alle Einsatzkräfte erwarten dürfen, ist Respekt für ihre Arbeit und manchmal etwas weniger Dienstleistungs-Erwartungshaltung. Auch hier gilt: Wie würdet ihr gern behandelt werden, wenn ihr den Job machen würdet?

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