Neuer Kraftstoff E10 für Oldtimer

Service: "Bio"-Kraftstoff E10 Was tanken?

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Der neue Kraftstoff E10 mit potenziell doppelt so hohem Ethanol-Anteil wirft viele Fragen auf. MOTORRAD CLASSIC erklärt anhand der wichtigsten Fragen und Antworten, was für die Besitzer von Old- und Youngtimern wichtig ist. Verteufeln muss man den neuen Sprit nicht. Wer unsicher ist, kann sich informieren oder einfach weiterhin E5 tanken.

Was tanken? Schmieder

Alkohol im Tank ist den Deutschen immer noch nicht geheuer. Für die Besitzer vieler Klassiker muss man wohl sagen: oft zu Recht. Denn schätzungsweise eine Million Krafträder hierzulande sind nicht E10-tauglich. Solche, und nur solche Maschinen kann der neue Kraftstoff bereits durch eine Tankfüllung dauerhaft und unumkehrbar schädigen. Daher überwiegt die Skepsis, lässt angebliche Klimaschutz-Vorteile verblassen.
Dabei sind nachwachsende Rohstoffe für die Energieversorgung und weniger CO2-Emissionen hehre Ziele. Und bei der Überwinterung kann E10 in den Tanks von dafür freigegebenen Motorrädern sogar Vorteile verbuchen. Doch was nützt es, wenn nur BMW den Maschinen sämtlicher Baujahre E10-Tauglichkeit bescheinigt. Bei Yamaha und Triumph vertragen allein die Typen ab 1990 zweifelsfrei E10. Kawasaki erteilt Freigaben erst ab 2006, Suzuki für manche Modelle ab 1992. Harley-Davidson sieht keine Probleme für alle serienmäßigen (!) Maschinen ab 1980. Dagegen beurteilt Honda seine Modelle sehr differenziert (Infos im Internet
unter www.honda.de/service). Gleichzeitig warnt der Weltmarktführer: "Auch wenn eine E10-Verträglichkeit vorliegt, kann dieser Kraftstoff unter Umständen einen unrunden Motorlauf verursachen und zu einer Leistungsminderung führen."
In die gleiche Kerbe haut Kawasaki: "E10-Kraftstoff kann die Performance eines Motors beeinträchtigen. Das bezieht sich nicht nur auf die Spitzenleistung, sondern auch auf Leistungsentfaltung sowie Laufkultur und kann folgende Probleme bewirken: schlechteres Ansprechverhalten, instabiles Standgas, Motorklingeln etc. Tauchen diese Symptome auf, wird empfohlen, Kraftstoff mit niedrigerem Ethanol-Anteil nachzutanken." Yamaha empfiehlt bei Vergasermodellen, die länger als vier Wochen unbenutzt bleiben, das Kraftstoffsystem zu entleeren."
Informationstechnisch ganz finster sieht es für die Besitzer von italienischen Maschinen aus. Moto Guzzi etwa kann keine detaillierten Angaben zu dem Thema machen. Nur Ducati sagt Verbindliches: E10 bitte sehr - ab Baujahr 2000. Gar kein Rat mehr ist von verblichenen Herstellern zu erwarten - wer eine Sachs oder Nimbus, Norton oder Imperia besitzt, wird schwerlich Auskunft bekommen. Und auch die E10-Freigaben vitaler Motorrad-Produzenten beziehen sich stets auf neuwertige, serienmäßige Maschinen mit Komponenten, wie sie einst im Werk verbaut worden sind.
Weil dies aber nach 30, 40 oder noch mehr Jahren kaum zu garantieren ist, gilt eine ganz einfache Faustregel: im Zweifelsfall lieber, wie seit 2005 gewohnt, E5 tanken. Es ist wie im wahren Leben - Vorsicht im Umgang mit zu viel Alkohol.

Die wichtigstenFragen zu E10 bei Young- und Oldtimern:

grundlagen Wofür steht die Abkürzung E10?
"E" steht für Ethanol bzw. den Bioethanol-Anteil eines Ottokraftstoffs, die Zahl "10" für den maximal zulässigen prozentualen Anteil. E10-Benzin kann also auch weniger als zehn Prozent Alkohol enthalten; E5-Sprit auch weniger als fünf Prozent. Wichtig: E10 wird bislang ausschließlich als 95-oktaniges Eurosuper angeboten. Daher gibt es Superkraftstoff an vielen Tankstellen parallel als E5 und E10.
Verfügbarkeit Kann es passieren, dass ich mit leerem Tank an die Tankstelle rolle und es dort nur noch E10 gibt?
Kaum. Denn hierzulande müssen alle Tankstellen mindestens einen E5-Kraftstoff per Verordnung zeitlich unbefristet weiterhin anbieten (Bestandsschutz). Damit geht die Bundesrepublik Deutschland über die EU-Vorgaben hinaus: Brüssel verlangt dies nur bis 2013. Zunächst wollten die Marktführer Aral und Shell ausschließlich das deutlich teurere, allerdings auch hochwertigere Super Plus im Bestand behalten. Nun bieten auch sie wieder günstigeres, 95-oktaniges E5 an.
fehlbetankung Was muss man tun, wenn man eine dafür nicht geeignete Maschine versehentlich mit E10 betankt hat?
Wichtig ist, dass das Fahrzeug keinesfalls gestartet wird, damit das Benzin nicht in das gesamte System kommt. Bleibt der Motor ausgeschaltet, muss üblicherweise nur der Tank abgelassen oder leer gepumpt werden und geeigneter Kraftstoff aufgefüllt werden, möglichst hochwertiges Super Plus.
information Wer sagt mir, ob mein Motorrad E10 verträgt?
Bei weiterhin produzierenden Herstellern kann man sich an die Händler und Kundendienst-Zentralen wenden. Maschinen aktueller Marken werden auf folgender Website aufgelistet: www.dat.de/e10. Viele Hersteller haben auch eigene Telefon-Hotlines und Infos im Internet.
Metalle Welche Bauteile gelten durch den höheren
Alkoholgehalt als gefährdet?
Als Ethanol-gefährdet gilt bei den Metallen nur Aluminium, und zwar ausschließlich bei hohen Drücken und Temperaturen. Und selbst dies nur, wenn es "unpassiviert" ist: Bei Kontakt mit der Luft überzieht sich Aluminium mit einer sehr dünnen, doch extrem stabilen Oxidschicht (Patina), die es vor weiteren Angriffen schützt. Kraftstoff-Chemiker von Aral sehen für Aluminium-Vergaser, Pumpen oder Filtergehäuse keine Gefahr durch E10, weil hier sowohl der hohe Druck als auch die Temperaturen fehlen, welche für die Alkoholatbildung notwendig wären. Eventuell führt E10 zu einem höheren Verschleiß an Ventilsitzringen.
Gummi/Kunststoffe Was sind weitere mögliche Schäden?
Reiner (!) Bioethanol kann Gummi und Kunststoffe angreifen, indem er die darin enthaltenen Weichmacher herauslöst. Die Folge: Das Material wird unter Umständen spröde und undicht. Dabei gilt die Faustregel: Je höher der Anteil, umso weniger ist der Sprit für unmodifizierte, nicht auf Ethanol ausgelegte Fahrzeuge geeignet. Kraftstoffführende Teile, die mit E10 in Kontakt kommen, gelten als potenziell gefährdet, also Benzin-Leitungen und Dichtungen. Für Letztere scheint allerdings durch einen komplizierten chemischen Prozess ein höherer Alkohol-Anteil sogar verträglicher zu sein.
Aggressivität Ist der Alkohol wirklich so schädlich?
Alkohole sind zwar im Prinzip sehr schwache Säuren. Dennoch wird die schädliche Wirkung des Trink-Alkohols Ethanol im Sprit oftmals total überschätzt: Wenn man Bier oder Wein verschüttet, entspricht dies E5 oder "E12,5" - ohne dass man von der ungleich aggressiveren, alkoholisch-wässrigen Lösung gleich massive Korrosion erwarten würde. Oder dass sich beim Trinken gleich die Speiseröhre auflöste ...
Benzinleitungen Woran erkennt man E10-taugliche Benzinleitungen?
Sie müssen die aktuell gültigen Normen DIN 73378 und 73379-1 erfüllen. Bei älteren Leitungen könnte im Extremfall durch Rissbildung und Versprödung Benzin auf heiße Stellen des Motorrads gelangen.
leistung/Verbrauch Was bewirkt E10 im Motor?
Reiner Ethanol hat bloß etwa zwei Drittel des Energiegehalts konventionellen Benzins, verbrennt aber sauberer und klopffest mit hoher Oktanzahl (ROZ 104). Zehn Prozent Ethanol-Zusatz verringern daher die Energie-Effizienz des Kraftstoffs. Die Leistungsausbeute kann etwas niedriger ausfallen, der Verbrauch laut ADAC um bis zu drei Prozent ansteigen. Bei nur fünfprozentigem Alkoholanteil werden diese Effekte gegenüber E10 noch durch die verbesserte Innenkühlung und Verbrennung ausgeglichen. Ein Prozent Mehrverbrauch ermittelte MOTORRAD mit E10 gegenüber E5 im Flottenversuch, unter 0,1 Liter je 100 Kilometer.
Vergaser Verändert E10
die Gemischbildung?
Der durch das Ethanol ins Benzin zusätzlich eingebrachte Sauerstoff kann bei der Verbrennung im Motor zu einer Gemischabmagerung durch Luftüberschuss führen - insbesondere bei Vergasermotoren, denn bei Einspritzmotoren mit geregeltem Kat wird der Bedarf an Verbrennungsluft über die Lambdasonde geregelt. Bei Auftreten von Problemen könnte unter Umständen eine geänderte Düsenbestückung Abhilfe schaffen. Manche Motorradfahrer berichten nach ersten Versuchen mit E10 von unruhigerem, "ruckelnderem" Motorlauf.
Haltbarkeit Ist der Alkohol im Sprit alterungsbeständig?
Grundsätzlich waren und sind Ottokraftstoffe sehr alterungsstabil und können über mehrere Jahre eingelagert und danach wieder eingesetzt werden. Die Alterungsstabilität von Benzin wird durch die Erhöhung des Ethanolanteils von bisher 5 auf 10 Prozent eher verbessert. Es ist also Blödsinn, wenn Yamaha schreibt, "dass die Alterungsbeständigkeit durch den Ethanolzusatz stark verringert wird". Bevor sich der Ethanol zersetzt, tun dies bestimmte Kohlenwasserstoffe im Benzin.
stilllegung Was muss man zur Überwinterung beachten?
Wird ein Motorrad über längere Zeit abgestellt, sollte man den Tank mit Markenkraftstoff (enthält Additive) möglichst randvoll füllen. Hierdurch verbleibt wenig Luftraum über dem Kraftstoff, was eine geringe Tankatmung garantiert und somit vorzeitige Alterung verhindert: Ist der Tank bis zum Stutzen voll, kann nur eine geringe Menge Kondenswasser über die Entlüftung in den Kraftstoff gelangen. Bei kaum gefüllten Tanks können sich dagegen separate Wasserphasen bilden, die sich, weil sie schwerer sind als Benzin, am Tankboden absetzen. Dort können sie erhebliche Korrosion verursachen. Ethanol ist wasser- und benzinlöslich, wirkt zudem wasseranziehend. Dabei kann E10 im Vergleich zum bisherigen Super E5 nach Angaben von Aral-Chemikern zweimal so viel Wasser in einer homogenen Lösung halten und damit "unschädlich" machen.
mischbarkeit Vertragen sich E5 und E10?
Ja, E10-taugliche Fahrzeuge vertragen Mischungen mit E5 in jedem Verhältnis, bei jedem Tanken neu. Auch die qualitätsverbessernden Additiv-Pakete in Marken-Kraftstoffen vertragen zusätzlichen "Alk" ohne Kater.
Historie Ist das eine neue "Schnapsidee" mit höherem Alkoholanteil im Sprit?
Ganz und gar nicht. Bereits Nikolaus Otto betrieb den von ihm entwickelten Motor in den 1860er-Jahren mit Ethanol aus Kartoffeln. Kurz nach dem Jahr 1900 mischte man Benzin mit Ethanol, dem Trink-Alkohol "Spiritus". Daraus leitet sich der bis heute gebräuchliche Alltagsname "Sprit" ab. In den 20er- und 30er-Jahren enthielt der Kraftstoff sogar 25 Prozent Ethanol.
wundermittel Helfen Additive, die man selber dem Sprit beimischen kann?
Ein Allheilmittel gibt es nicht. Selbst mit speziellen Additiven wird ein E10-untaugliches Kraftstoffsystem den "Bio"-Sprit nicht vertragen.

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