Technik: Federung und Fahrwerk

Technik: Federung und Fahrwerk (Foto-Show) Die Geschichte der Bremse

Aktuelle Motorräder verfügen über höchst wirksame, zuverlässige und wartungsarme Bremsanlagen. Das war nicht immer so.

Die Geschichte der Bremse Gargolov
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Mit dem Siegeszug der Scheibenbremse wurde das Abenteuer Passfahrt überschaubar, weil man bei den anfänglich verbauten Einscheibenbremsen zwar zupacken musste wie ein Schmied, das gefürchtete Fading, also der hitzebedingte Ausfall der Bremsanlage, gehörte hingegen zu den eher seltenen Ereignissen. Ausnahme: großvolumige Enduros, deren dünne und leichte Bremsscheiben bei der Hatz durch die Berge einen Hitzekollaps erlitten.

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Honda machte 1968 nicht nur mit dem ersten serienmäßigen Vierzylindermotor der CB 750, sondern auch mit der ersten Scheibenbremse Furore. Die 260 Millimeter große Bremsscheibe wurde von einer Schwenksattelbremse in die Zange genommen. Damals ein echter Fortschritt, aus heutiger Sicht eine eher bescheidene Technik mit bescheidener Wirkung, die erst im Doppelpack ordentlich verzögert.

Auch die ersten Brembo-Zweikolbenzangen ließen in Wirkung und Dosierbarkeit zu wünschen übrig, waren aber dennoch jeder Trommelbremse haushoch überlegen. 1985 verdoppelte Suzuki am Supersportler GSX-R 750 die Anzahl der Bremskolben und setzte mit den Vierkolben-Zangen neue Maßstäbe. Durch eine nahezu doppelt so große Auflage-fläche der Bremsbeläge verbesserten sich Wirkung und Standfestigkeit der neuen Systeme dramatisch.

Doch die langgestreckten Bremsbelägen krankten am so genannten Schrägverschleiß, bei dem die Belagstärke ungleichmäßig abgenutzt wurde. Der Grund: Die vordere Seite der Bremsbeläge, im Fachjargon "auflaufende Seite", kippt bei Trommel- wie auch bei Scheibenbremsen regelrecht auf den Reibpartner. Man spricht dann von einem Servo-Effekt, der die Bremskraft unterstützt.

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Vierkolben-Bremszange: Brachte Mitte der 80er Jahre den Durchbruch, weil sie mit großen Belagflächen wenig Handkraft erfordert, fein dosierbar und hitzeresistent ist. Zeitgleich kamen die schwimmend gelagerten Bremsscheiben in Mode.

Bei Rennmaschinen mit kurzen Wartungsintervallen kein Thema, wurden die Beschwerden über diese Unart bei Käufern von Serienmaschinen umso lauter. Die Lösung des Problems: Bremszangen mit unterschiedlich großen Kolben. Während die auflaufende Belagseite von einem kleinen Kolben auf die Scheibe gepresst wurde, arbeitete auf der ablaufenden Seite ein großer Bremskolben, der aufgrund seiner größeren Fläche und damit des hydraulischen Übersetzungsverhältnisses eine höhere Kraft ausübt. Wodurch der ungleichförmige Verschleiß der Vier- und vor allem der überdimensionierten Sechskolbenzangen nahezu kompensiert wurde. Die Eigenheiten der auflaufenden Bremsbelagseite macht man sich im Rennsport zunutze, bestückt die Vierkolbenzangen mit vier einzelnen, kleinen Belägen und verdoppelt somit die auflaufenden Kanten und damit den Servo-Effekt für eine bessere Bremswirkung bei geringstem Kraftaufwand.

Aus dem Rennsport entwickelten sich auch die so genannten Monobloc-Bremszangen, die mittels aufwendiger Fräsmaschinen aus einer hochfesten Aluminiumlegierung als einteiliges Werkstück hergestellt werden, während Großserienbauteile aus zwei verschraubten Hälften bestehen. Der Monobloc-Vorteil: minimalste Aufweitung durch den Bremsdruck und damit eine sehr feine Dosierbarkeit.

Der Gegensatz dazu ist die weit verbreitete, simple und kostengünstige Schwimmsattelbremse. Dort arbeiten nur auf der Radaußenseite ein (Einkolbenzange) oder zwei Bremskolben (Doppelkolbenzange). Rücken diese unter hydraulischem Druck aus, verschiebt sich die gesamte, auf zwei Bolzen schwimmende gelagerte Zange seitlich und drückt den auf der Innenseite fest montieren Belag ebenfalls auf die Bremsscheibe. Solche Konstruktionen sind nicht nur kostengünstig, sondern bauen auch durch die eingesparten inneren Kolben schmäler. Nur so konnten man viele Drahtspeichenräder, ganz speziell bei Enduros, mit Scheibenbremsen ausrüsten, da der Abstand von Bremsscheibe zum Speichengeflecht keinen Platz für eine konventionelle Zwei- oder Vierkolbenzange ließ. Die Nachteile: Die Steifigkeit der Bremszange ist geringer, wodurch sich die Dosierbarkeit bei extremer Beanspruchung verschlechtert. Deshalb finden sich Schwimmsättel überwiegend an Hinterradbremsen oder bei kostengünstigen Mittelklasse-Motorrädern.

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Schrägverschleiß und Servo-Effekt: Die auflaufende, in Drehrichtung (grüner Pfeil) vorn befindliche Seite (rote Pfeile) des Bremsbelags wird stärker beansprucht, als die hintere, ablaufende Seite. Deshalb beißen Vierkolbenzangen mit vier Einzelbelägen aggressiver zu, als mit einem Belag.

Blickt man auf die Anfänge und Entwicklung der letzten 30 Jahre zurück, ist es kaum zu glauben, dass aktuelle Tourenmaschinen mit knapp einer halben Tonne Lebendgewicht selbst flotte Passabfahrten klaglos wegstecken. Auch wenn es im Tal leicht "nach Bremse" riecht, bleiben Druckpunkt und Verzögerung auf der sicheren Seite. Der Grund: Zwei rund 300 Millimeter große, solide Vorderrad-Bremsscheiben und hitzeresistente Sintermetall-Bremsbeläge geraten auch bei höchster Beanspruchung nicht aus der Fassung.

Speziell die Mischungen und Werkstoffe der Bremsbeläge und Scheiben sind dafür verantwortlich, dass moderene Bremsen heute eine so verlässliche, hohe Standfestigkeit aufweisen. Die über lange Jahre verwendeten, so genannten organischen Beläge waren stark temperaturabhängig. Kalt mit wenig Biss, steigerte sich die Bremswirkung mit zunehmender Temperatur, um bei Überhitzung mit einem geradezu dramatischen Verlust an Reibwert zu reagieren.

Erfreulich, dass die brillante Bremswirkung moderner Bremsen mit relativ geringem Krafteinsatz erzeugt wird. Was auch damit zu tun hat, dass perfekt aufeinander abgestimmte Reibpaarungen von Belag und Scheibe eine sehr hohe mechanisch-hydraulische Übersetzung von Handkraft zur Bremszange zulassen. Bildlich dargestellt, zieht der Fahrer an einem langen Hebel und muss somit weniger Handkraft für eine hohe Bremskraft aufwenden. Das Schöne daran: Motorradfahrer der Neuzeit müssen ihre Pausen nicht mehr nach dem thermischen Zustand ihrer Bremsen ausrichten, um sicher ins Tal zu gelangen.

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