Zurück in der Redaktion, haben Vernunft und Wahnsinn erst einmal Sendepause. Jetzt müssen sich die Hyosung GT 650 S und die Kawasaki ZL 900 den kritischen Augen von Werkstattmeister Gerry stellen und beweisen, dass sie ihr Geld wert waren.
Zurück in der Redaktion, haben Vernunft und Wahnsinn erst einmal Sendepause. Jetzt müssen sich die Hyosung GT 650 S und die Kawasaki ZL 900 den kritischen Augen von Werkstattmeister Gerry stellen und beweisen, dass sie ihr Geld wert waren.
Was musste ich mir alles anhören zur Hyosung mit Ducati-Aufkleber. „Ein Frevel“, „das geht doch nicht“, „das ist doch ein schlechter Witz“, haben die Kollegen getönt, während ich die koreanische Ingenieurskunst verteidigt habe. Und jetzt das! Das Fahrwerk meldet sich: die Achillesferse der Hyosung GT 650 S. Eine Dichtung am Federbein hat vermutlich auf der Heimfahrt schlappgemacht, lautet die Diagnose von Werkstattmeister Gerry. Kein Wunder hat die Kiste auf den letzten Kilometern angefangen so penetrant zu schaukeln. Ein Ersatzteil muss her.
Anders sieht es mit den Reifen aus. Die Auswahl ist groß, das Angebot reicht vom Sport- bis zum Tourenreifen. Passend zur GT 650 S sollen es aber die neuen Pirelli Angel GT sein, die auch den Tourenreifentest in MOTORRAD 12/2013 für sich entscheiden konnten. Der 120er-Vorderreifen steht im Handumdrehen zur Montage bereit. Der 160er-Gummi für das Hinterrad lässt dagegen auf sich warten und scheint deutlich begehrter zu sein. Sämtliche Online-Shops und Reifenhändler in der Umgebung sind leer geräumt. Immer wieder die gleiche Antwort: Lieferzeit unbestimmt. Bis das hintere Gummi in der passenden Ausführung 160/60 ZR 17 den Weg in die Redaktion schafft, vergehen über drei Wochen. Jetzt kann es endlich losgehen, die GT 650 S darf auf der Straße mit ihren Qualitäten überzeugen – auch mit dem Ducati-Aufkleber.
Ich hab Probleme mit Gummis. Nein, nicht so, wie Sie denken, sondern mit Reifen. Werkstattmeister Gerry sagt: „Du brauchst neue Gummis, such mal nach was Aktuellem.“ Ansonsten wohl kaum Bedenkliches. Probefahrt und Sichtprüfung des Ventiltriebs ergaben ein gesundes Bild, der Motor läuft sauber und rund, keine auffälligen mechanischen Geräusche. Zündkerzen, Radlagersatz vorn sollten allerdings getauscht werden, Ventildeckeldichtung auch. Alles kein großes Ding, kostet zusammen rund 75 Euro. Als Gerry um einen Luftfilter bittet, wird die Sache schwieriger. Auf die Frage beim Händler, wo ich einen bekommen könnte, heißt es nur: „Das wüsste ich auch gern.“ Die Internetsuche führt mich zum Fanforum www.zl-treffen.de und dem Hinweis, dass sich die Elli Motor und Luftfilter mit der GPZ 900 teilt. Sehr schön: Mit 20 Euro ist das Problem gelöst.
Nach seiner Bestandsaufnahme bescheinigt Gerry dem alten Kawa-Eisen insgesamt einen ordentlichen Zustand. Kein faules Ei also, puh, da bin ich nach diesem Hals-über-Kopf-Kauf echt froh. Denn manche Elli-Teile wie Hauptbremszylinder, Kühler oder Vergaserbatterie sind über Kawasaki nicht mehr erhältlich, andere – wie etwa eine neue Zündbox – teuer (rund 450 Euro). Wichtigste Verbesserungsmaßnahme also: Pneu-Wechsel. Machbar.
Nun aber zu den Problemen. Das Motorrad ist 27 Jahre alt, Reifendimensionen 18 Zoll vorn und 15 hinten. Seinerzeit nicht unüblich, heute aber bieten die Hersteller dafür kaum noch Profile an. Die ursprüngliche Serienbereifung wurde von Elli-Fahrern gerne mal als „Dunschlapp“ bezeichnet. Mmh. Anrufe bei Kawa-Händlern geben wenig Aufschluss über sinnvolle Alternativen, oft nur die Antwort: „US-Import, zu selten im Laden.“ Nun gut, also Internetrecherche, zunächst bei den Reifenherstellern. Über die Modellsuche findet sich nur die offiziell nach Deutschland importierte ZL 1000, aber Empfehlungen für die 900er? Fehlanzeige.
Weiteres Surfen führt mich wieder zum Fanforum und zu Hinweisen auf ein Eintragungswirrwarr: Bei manchen stehen richtigerweise V-Reifen in den deutschen Papieren, bei anderen wurde die H-Eintragung aus den US-Papieren übernommen, also ein niedrigerer Geschwindigkeitsindex. Außerdem gibt es mitunter eine falsche Höchstgeschwindigkeitsangabe, nämlich die der GPZ 900, also 245 km/h statt 215 km/h. Laut Papieren brauche ich V-Reifen (bis 240 km/h), und beide Reifen müssen vom selben Hersteller sein. Aktuell beliebt bei ZL-Fans ist der Avon Roadrider. Metzeler und Bridgestone bieten nur Mischbereifungen an, gingen aber auch. Und die Dunlop-Serienbereifung, der Qualifier, ist in modifizierter Version im Programm: F20 vorn und K 525 hinten. Na also. Ein Anruf bei der AFM Reifenhandel GmbH (Telefon 0 70 32/93 60 41, www.gibgummi24.de) bringt noch mehr Licht ins Dunkel: Rund 250 Euro kosten die Gummis – das klingt okay. Ich nehm die Dunlops, Werkstattchef Gerry gibt seinen Segen dazu. Elli, mach dich schon mal warm, bald darfst du auf die Straße!
Beim Stöbern im Internet und speziell im Fanforum www.hyosung-treff.de wird schnell klar, dass mir zwei Alternativen bleiben: entweder das Wilbers-Federbein der GT 650 RR aus dem Hyosung GT 650-Cup oder das Originalteil vom Importeur MSA. In Zahlen stehen damit rund 200 Euro für Standardware gegen stolze 550 Euro beim Racing-Zubehör. Für Sparfüchse ist die Sache damit schon entschieden, für Vernunftmenschen sowieso. Schließlich schmerzen 200 Euro bei einem so jungen Motorrad schon genug, und auf der Rennstrecke muss sich die Koreanerin in diesem Leben auch nicht mehr beweisen.
Außerdem spendiert Gerry der GT 650 S neue Bremsbeläge. Das war dringend nötig, denn beim Wechseln bröselten die dünnen Restbeläge bereits von den Trägerplatten. Im Ernstfall hätte das ein böses Ende nehmen können. Darüber hinaus gibt es zum Glück nichts zu bemängeln. Der 650-Kubik-V2 läuft rund. Das Ventilspiel passt. Keine störenden Geräusche, keinerlei Auffälligkeiten. So hatte ich mir das vorgestellt, schließlich ist das Aggregat fast neu. Zur Sicherheit werden aber Zündkerzen, Ventildeckeldichtungen, Luft- und Ölfilter getauscht. Macht zusammen etwa 350 Euro. Im Preiskampf werfen mich diese Investitionen zwar ein paar Meter zurück, die Teile sind aber allesamt – auch ohne Gebrauchtmarkt-Recherche – problemlos im Fachhandel zu haben.