Japaner lieben die deutsche Kultur und deutsche Ingenieurkunst. BMW ist geradezu eine Kultmarke, erfuhr Winni Scheibe auf einer Reise durch das Land der Motorradbauer.
Japaner lieben die deutsche Kultur und deutsche Ingenieurkunst. BMW ist geradezu eine Kultmarke, erfuhr Winni Scheibe auf einer Reise durch das Land der Motorradbauer.
Koichi Namuras nagelneue BMW R 1100 S streikt, die Batterie hat schlapp gemacht. Der Biker bringt den teuren Boxer in die Werkstatt, schlechten Gewissens, dass sein edles Ross kaputt ist. Höflich bittet er den Firmenchef, es wieder flott zu machen. Beschweren ist nicht seine Sache, als Japaner sucht man die Schuld bei sich selbst, erst recht, wenn es sich um ein deutsches Produkt handelt. Ist etwas schiefgelaufen, sind nie die Anderen dafür verantwortlich.Steht »Made in Germany« auf dem Motorrad, muss es gut sein, besser als alles andere, besser als ein japanisches Motorrad allemal. Über Deutschland wissen Japaner sehr viel, kennen Schlösser und Burgen, Städte, Dichter und Denker, Komponisten, Ingenieure und Firmen. Und dazu gehört BMW, ein Stück deutsche Tradition. Dass gerade wir Deutschen es sind, denen Japaner ihr Herz schenken, hat geschichtliche Gründe. Nachdem sich Japan bis 1868 von der Aussenwelt abgeschottet hatte, schweifte der Blick spätestens nach der Reichsgründung nach Deutschland. Weils dort viele Parallelen gab: Kaiser, autoritäre Gesellschaftsstruktur, Kampf gegen jedwede Opposition. Japan übernahm kulturelle, wissenschaftliche und technische Errungenschaften, als Verbündete im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde der Kontakt weiter ausgebaut. Japaner verehren und respektieren Deutschland bis auf den heutigen Tag. Mit einer BMW F 650 GS bin ich unterwegs, möchte Land und Leute und die einheimische BMW-Szene kennenlernen. Ziel ist das National BMW Motorcycle Fan Festival ausgerechnet im Yamaha-Freizeitpark Tsumagoi bei Iwata, gut 250 Kilometer südlich von Tokio. Dort hat der BMW Motorcycle Owners Club of Japan sein Jahrestreffen organisiert. Rund 400 BMW-Fans sind gekommen. »Für uns ist es eine wichtige Veranstaltung«, betont Dr. Geduhn, Chef der japanischen BMW-Dependance. »Hier können wir Kontakte mit Händlern und Kunden pflegen, bieten Sicherheitstrainings und Probefahrten mit neuen Modellen an.« Nirgends fällt PR-Arbeit leichter.Die anwesenden japanischen Herren sind meist mittleren Alters, sehr gediegen gekleidet, oft mit original BMW-Anzügen. Wie geleckt die Maschinen. Begrüßung: Man verbeugt sich zigmal; freudiges Umarmen wie hierzulande ist nicht üblich. Sehr gesittet. Mir fällt auf, dass nur wenige Frauen selbst fahren. Von Akemi Osumi, 41, erfahre ich, warum. »Auf Autobahnen gilt Soziusverbot, gemeinsame Touren mit Freund oder Mann sind so fast unmöglich. Wie sollen Frauen da überhaupt auf den Geschmack kommen?« erzählt die sympathische R 1100 R-Fahrerin. Und Yayoi Furukawa, 29, ergänzt: »Motorradfahrer werden immer noch schief angeguckt. Das Klischee vom Rocker sitzt tief. Bei mir zu Hause kenne ich keine Frau, die Motorrad fährt, nur hier treffe ich welche.« Stolz fügt sie an: »Ich selbst habe aber noch keine Probleme gehabt, eine Frau auf einer BMW R 1100 S ist schließlich was ganz Besonderes.« Auf dem Treffen geht es für deutsche Verhältnisse arg ruhig zu. Fachkundige Gespräche über Technik, respektvolle Gesten gegenüber den deutschen Besuchern. Heiße Fetenstimmung, gar Besäufnisse? Nichts dergleichen.Welchen Stellenwert »Made in Germany« im Land der »Big Four« genießt, erlebe ich bei einer zweiten Veranstaltung. Zur »Boxer-Rally«, ein BMW-Klassiker-Jahrestreffen südlich von Hamamatsu, sind über fünfzig Teilnehmer mit picobello restaurierten Schwingenmodellen angereist. Die Fahrer tragen Wachscotton-Jacken und Halbschalenhelme wie früher. Viele Maschinen stehen besser als neu da. Wimpel, Aufkleber und Plaketten zeigen die Liebe zum deutschen Detail. Ich beantworte Fragen über mein Heimatland, wie man bei uns Motorrad fährt. Die Japaner wollen`s genau wissen. Sanada Terufumi zeigt ein Bild von seinem Gespann: »Darüber hat die deutsche Motorrad-Zeitschrift PS 1978 berichtet«, verrät der ältere Herr mit vor Freude funkelnden Augen. Er kenne und sammelt alles über BMW, nur diese Zeitschrift fehlte ihm. Ich verspreche, sie ihm zu besorgen. Die BMW-Oldtimer-Fans unterscheiden sich von den unsrigen kaum. Sie wissen über die alten Maschinen haargenau Bescheid, kennen die BMW-Historie im Schlaf. Und wieder herrschen die älteren Semester vor. Die ideale Klientel für die Weißblauen.Wie sich BMW-Mann Geduhn eine noch engere Beziehung der Fans zur Marke vorstellt, erläutert er so: »Das klassische japanische Motorradgeschäft ist ein Familienbetrieb, wo mehrere Marken unter einem Dach verkauft werden. Von diesen Gemischtläden will BMW weg.« Zwar habe man bereits im letzten Jahr 2150 Maschinen über 80 Händler, wovon inzwischen 33 exklusive Partner sind, absetzen können. Von letzteren sollen es aber noch mehr werden.Zu den ganz großen Händlern im Land gehört Marutomi Auto Hambai in Yokohama. Firmenchef Nagata-san (san heißt Herr) verkauft die japanischen Marken, BMW, Harley und Buell präsentiert er in separaten Gebäuden. Gut 10 000 Fahrzeuge bringt er pro Jahr unters Volk. »Das sind aber leider nicht alles BMWs«, verrät der Multi-Dealer schmunzelnd. Immerhin kostet eine bayrische Maschine gut 30 Prozent mehr als eine vergleichbare japanischen. Bevor BMW-Fans etwas kaufen, lesen sie Fachzeitschriften, vergleichen Testberichte und studieren ausgiebig Motorradkataloge.«Der Rückweg. Genügend wunderschöne Land- und Nebenstraßen, die zum Teil an den Schwarzwald erinnern, widerlegen die Vorstellung, Japan sei kein Motorradland. Allerdings liegt das Tempolimit bei 60 km/h und darunter. Aber es hält sich keiner dran, auch nicht die BMW-Fahrer. Selbst auf auf der Autobahn Speedlimit 80 - lassen es die Biker richtig krachen. Denn geblitzt wird von vorne, und die Polizei drückt beide Augen zu. So anders sind die japanischen Weiß-Blauen auch wieder nicht.