Meterhohe Sanddünen erstrecken sich vor mir. Von Wind und Wetter modelliert. Jeder Schritt beim Hochklettern wird zur Anstrengung. Zwei vor, einer zurück. Pause. Dazu dieser immense Wind. Wo die Haut frei liegt, wird sie sandgestrahlt, was sich wie unzählige Nadelstiche anfühlt. Obwohl ich den Helm aufhabe und das Visier geschlossen ist, knirscht der Sand zwischen den Zähnen und verirrt sich bis in die Ohren. Sahara-Feeling. Dabei befinde ich mich nicht auf dem Schwarzen Kontinent, sondern im Norden Dänemarks. Inmitten der Dünen von Rubjerg Knude, die zu den größten des Landes zählen und allmählich einen Leuchtturm sowie zwei weitere Gebäude unter sich begraben. Wenn hier nicht bald jemand eine Schaufel in die Hand nimmt, dann wird in Kürze nur noch die Spitze des Turmes zu sehen sein.
Getrieben vom rauen Westwind, segelt die Honda nach Norden. Durch unerwartet hügeliges Land. Und so sorgen auf den winzigen Nebenstraßen bis Skiveren sogar ein paar Kurven für Fahrspaß. In Skiveren selbst kommt allerdings noch mehr Freude auf: Der Strandabschnitt, der dort beginnt, darf befahren werden. Links das tosende Wasser, rechts Sanddünen. Und ein überraschend fester Untergrund. Kilometerweit gleiten. Genial.
Einen Steinwurf weiter befindet sich die nächste Attraktion: Råbjerg Mile, Dänemarks größte Wanderdüne, die immerhin 40 Meter hoch aufragt und sich, vom Wind getrieben, auf dem Weg von der West- zur Ostküste befindet. Bei einer Reisegeschwindigkeit von zwanzig bis dreißig Metern pro Jahr wird dieser Trip allerdings noch ein paar Jahrzehnte dauern.

Durch eine steppenartige Landschaft rausche ich weiter nordwärts. Nur die graubraun vertrockneten Grasbüschel geben der wogenden Dünenlandschaft halt. Am Kap Grenen kurz hinter Skagen ist das Land dann auf einmal zu Ende. Dänemark verschwindet mit einer eleganten Landzunge unter dem Meeresspiegel, genau dort, wo Nord- und Ostsee aufeinander treffen. Im Moment weisen nur friedlich plätschernde Wellen auf dieses Zusammentreffen hin. Aber der Eindruck täuscht. Vor allem im Winter ringen die beiden Meere stürmisch um die Vorherrschaft. Diesen geographisch interessanten Ort lässt sich natürlich niemand entgehen die sandige Landzunge ist hoffnungslos überlaufen: Jedermann will mit einem Bein in der Ost- und mit dem anderen in der Nordsee stehen. Ich steige lieber die hundertachtzig Stufen auf den alten Leuchtturm hinauf. Von dort lässt sich das Ende Dänemarks aus der Vogelperspektive bestaunen.
Von nun an geht es nur noch südwärts, und ich peile Strandby an. Neben Hirtshals und Skagen besitzt dieser Ort den dritten großen Fischerhafen im nördlichen Jütland. Am späten Vormittag ist am Kai allerdings nicht mehr viel los. Von einem Fischer, der ein Fangseil auf seinem Kutter repariert, erfahre ich, dass die Fischauktion bereits früh am Morgen stattgefunden hätte und er deswegen bereits nachts um drei rausgefahren sei, um Schollen zu fangen, den typischen Sommerfisch. Und er erzählt mir etwas, das ich sehr gern höre. Der Wind soll die nächsten Tage aus Nordosten kommen was in der Regel gutes Wetter bedeute.
Noch geht es unter dunklen Regenwolken in Richtung Frederikshavn. Dort findet draußen beim Bangsbo Museum ein recht ungewöhnlicher Skulpturenwettbewerb statt. Künstler aus aller Welt sitzen beisammen, um das diesjährige Thema Licht und See mit unterschiedlichsten Materialien plastisch umzusetzen. Das Ganze erinnert mehr an ein Handwerkertreffen: Es wird mit Motorsäge, Gasbrenner, Steinbohrer, Schleif- und Hobelmaschine hantiert wie auf einer Großbaustelle.
Dänemark (Infos)
Keine Kurven und keine Pässe? Macht nichts, denn Dänemarks Reize liegen klar woanders. Wer sein Motorrad einmal unter diesem weiten Himmel bewegt oder in den Dünen gesessen hat, kommt massiv ins Schwärmen.
Anreise
Das dänische Festland ist am schnellsten über die A7 zu erreichen, die über Hamburg nach Flensburg führt. Von den Hafenstädten Puttgarden und Rostock legen zudem mehrmals täglich Fähren (Scandlines) in Richtung der dänischen Insel Lolland ab. Die Passage kostet einfach pro Motorrad und Person ab etwa 30 Euro. Infos: 0180/57226354637; www.scandlines.com.
Übernachten
Dänemark hat sich voll und ganz auf Tourismus eingestellt Hotels, einfache Pensionen und Ferienhäuser finden sich entlang der gesamten Küstenlinie. Zudem verfügt das Land über ein dichtes Netz von Campingplätzen, die in der Regel sehr gepflegt sind. Wer dort übernachten will, benötigt aller-dings eine Campingkarte, die beispielsweise vom ADAC ausgestellt wird. Tipp: Da es an den Küsten ziemlich windig sein kann, sollte bei der Platzwahl auf guten Windschutz geachtet werden. Das Dänische Fremdenverkehrsamt informiert sehr ausführlich, Telefon 040/32 02 10.
Reisezeit
Während der Hauptreisezeit im Juli und August (Schulferien) sind praktisch alle Unterkünfte ausgebucht. Wer wirklich Ruhe sucht, reist besser im Mai und Juni oder September nach Dänemark, wobei im Herbst statistisch gesehen mehr Regen fällt als im Frühjahr.
Sehenswert
Dänemark besitzt eine überraschend große Auswahl an Sehenswürdigkeiten. Landschaftlich sind vor allem die beiden Sanddünen-Gebiete Råbjerg Mile und Rubjerg Knude interessant sowie die langen, breiten Strände entlang der Nordseeküste. Nicht zu vergessen: die weißen Kreideklippen auf der Insel Møn. Wer ohnehin durch Silkeborg fährt, kann im Stadtmuseum einen Blick auf den »Tollundman« werfen, eine etwa 2400 Jahre alte Moorleiche, die überraschend gut erhalten ist. In Grenaa, einem Fährhafen, von wo aus man auf die Insel Anholt oder nach Schweden gelangt, informiert das Kattegatcenter ausführlich über das Meeresleben in der Oststee. Auf der Insel Seeland passiert man zahlreiche Schlösser, von denen Frederiksborg zu den imposantesten gehört. Ein Regentag in Kopenhagen? Kein Problem. Entweder in den zahlreichen Kneipen abhängen oder Tussauds Wachsfigurenkabinett besuchen. Ripleys »Believe it or not sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Ripley, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgedehnte Reisen unternommen hat, sammelte so ziemlich alles, was ihm merkwürdig, skurril oder einfach lustig vorkam.
Literatur
An Reiseliteratur über Dänemark herrscht kein Mangel. Umfangreich und trotz seiner Fülle an Informationen gut strukturiert ist der Reiseführer »Dänemark« aus der Reihe Abenteuer und Reisen von Mairs Geographischer Verlag für 14,95 Euro. Auf der Marco-Polo-Karte »Dänemark« im Maßstab von 1:300000 sind auch die kleinsten Sträßchen eingezeichnet. Preis: 7,50 Euro. Wer im Voraus seine Tour am PC planen möchte, dem sei der aktuelle MOTORRAD-Tourenplaner empfohlen, der auch für Dänemark-Fans diverse Tourentipps und Reiseinfos bereit hält. Als CD oder DVD für 39,95 Euro zuzüglich 2,35 Euro Versandkosten zu bestellen unter Telefon 0711/182-2442 sowie unter www.motorradonline.de.
Dänemark (2)

Eine kleine Straße führt mich weiter durch eine recht einsame Gegend. Stilles Reisen durch goldgelbe Getreidefelder und an alten Bauernhöfen vorbei. Auf einmal weckt ein merkwürdiges Verkehrsschild mein Interesse: 5 Sving ist darauf zu lesen. Fünf Kurven alle augenscheinlich hintereinander. Na, wenn das nichts ist. Genüsslich nehme ich sie unter die Räder und gelange schließlich an den Limfjorden, der sich quer durch den Norden zieht und von meinem Standpunkt aus so weitläufig wirkt, als stünde ich am Rand der Nordsee. Dieser Fjord teilt Dänemark in zwei Hälften, und somit ist Jütland eigentlich die größte Insel des Landes.
Per Fähre überquere ich bei Hvalpsund einen der zahlreichen Wasserarme, ein paar Kilometer weiter wartet die nächste, dann befinde ich mich auf der Insel Fur. Ein kleiner Flecken im Meer, der allerdings zu den größten Attraktionen des Landes zählt. Die Insel, im Süden flach wie die berühmte Flunder, verfügt im Norden über gewaltige Steilabbrüche, die nahezu senkrecht in den Fjord abfallen. Zwar nicht ganz so spektakulär, wie es die Autoren einer Werbebroschüre beschreiben, aber genial ist der Blick hinunter ins blau schimmernde Wasser schon. Auf dem Rückweg zum kleinen Schiffsanleger statte ich dem Inselmuseum noch einen kurzen Besuch ab. Mich interessiert besonders das Skelett eines Wales, das bei Drainierungsarbeiten auf einem Feld mitten auf der Insel gefunden wurde und etwa 5900 Jahre alt ist. Damals lag Fur noch tief unter der Wasseroberfläche.

Zurück auf dem Festland gehts quer durchs Heidegebiet Hjelm Hede über Møgenstrup und Kjeldbjerg hinunter nach Daugbjerg. Der Ort, der durch seine Kalkgruben bekannt geworden ist, in denen jeden Winter bis zu zwölftausend Fledermäuse die kalte Jahreszeit überstehen, hat eine weitere Sehenswürdigkeit zu bieten. Das halbe Dorf wurde 1791 Opfer eines verheerenden Brandes, und nun hat man es wieder originalgetreu aufgebaut allerdings im Hundehüttenformat. Passionierte Modelleisenbahner würden beim Anblick dieser Anlage ob der Perfektion garantiert Herzrasen bekommen.
Ich peile das verschlafen wirkende Silkeborg an. Um die Stadt liegen die meisten Süßwasserseen Dänemarks, quasi die dänische Seenplatte. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb der Ort am Sonntagmittag wie ausgestorben wirkt vermutlich sind alle Bewohner mit ihren Booten auf dem Wasser unterwegs. Mich lockt Museum Nummer zwei mit einem weiteren, spektakulären Exponat: In einer schummrig beleuchteten Glasvitrine befindet sich eine rund 2400 Jahre alte Leiche eines Mannes mit einem Strick um den Hals. Sogar seine Lederkappe hat er noch auf dem Kopf. Der Tollundman, wie er nach seinem Fundort genannt wird, war 1950 in nur zweieinhalb Metern Tiefe von Torfstechern entdeckt worden. Der Körper wurde von der tanninhaltigen Torfatmosphäre so perfekt konserviert, dass selbst der Mageninhalt des Mannes analysiert werden konnte: dreißig verschiedene Kräuter und Getreidesorten vermutlich die Henkersmahlzeit, da der arme Bursche aus irgendeinem Grund aufgehängt wurde.
Gleich hinter der Stadt wirft sich die dritthöchste Erhebung Dänemarks in Pose der 147 Meter hohe Himmelbjerget. Und der Ansturm auf die Gipfelregion ist überwältigend. Massen von Ausflüglern. Auf der Zugspitze gehts an einem sonnigen Wochenende kaum turbulenter her.