Das Ace Café

Das Ace Café Café-Racer

Rund um das ehemalige Ace Café in der Londoner North Circular Road rankt ein Großteil der englischen Rockertradition. Nun kämpfen zwei Londoner Biker um die Wiedereröffnung des alten Motorradtreffs.

»See you at the Ace«, verabschiedet sich Mark Wilsmore und kickt seine Triton an. Der Tee in unseren Pappbechern schwappt über, und Sekunden später verschluckt die Londoner Rush-hour den Initiator der Ace Café Reunion. Er hat es eilig. Wie immer, seit er vor fünf Jahren die Reunion zusammen mit seinem Bruder Robert gegründet hat. Ziel der Wilsmore-Brüder ist die Wiedereröffnung des legendären Ace Cafés. Hier trafen sich in den 50er Jahren die Rocker und machten es zu dem Motorradtreffpunkt schlechthin.Die Geschichte des Cafés an der Londoner North Circular Road begann jedoch schon 1938. Ursprünglich für Lkw-Fahrer gedacht, entwickelte es sich schon in Vorkriegszeiten zu einem beliebten Platz für Motorradfahrer aus London und Umgebung. Aus dem Leben vieler englischer Biker ist es ebensowenig wegzudenken wie der Nürburgring oder das Elefantentreffen für deutsche Motorradfahrer. Die Nachkriegsgeneration, gelangweilt von alten Wertvorstellungen und konfrontiert mit sozialer Unsicherheit, suchte nach ihrer Identität - Rock´n´Roll und Motorräder boten eine Basis, Blue Jeans und Lederjacken das richtige Outfit. Es entstand der »Black Leather Rebel«. Man traf sich in Rock´n´Roll-Clubs, hörte Musik und trug unter anderem auf der North Circular Road Rennen aus, die sogenannten »ton ups«. Mit allem, was die Maschine hergab, ging es durch London. Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung wurde übrigens erst Ende der 60er Jahre eingeführt.Obwohl von der Gesellschaft bisweilen geradezu hysterisch angefeindet, übten diese »ton up boys« enormen Einfluß auf die Jugend aus. Rock´n´Roll wurde zu ihrer Musik, das Outfit zu ihrer Uniform und natürlich führte man ein wildes und gefährliches Leben. Den Takt gab der treibende Rhythmus des Rock´n´Roll an, die Droge war Geschwindigkeit. Obwohl viele dieser Einflüsse aus Amerika kamen, integrierte man diese in einen speziellen englischen Stil. Die Motorräder - damals tatsächlich die besten und schnellsten - waren ebenso britisch wie die Musik und Tee, und fish ´n´ chips wurden zum Hauptnahrungsmittel. Außerdem fuhr Marlon Brando in »The wild one« eine Triumph.Mitte der sechziger Jahre war der Höhepunkt des Rock´n´Roll überschritten, die Rocker wurden zunehmend vom Zeitgeist der Beat-Ära ausgegrenzt. Dem Gruppengefühl und Selbstverständnis der Rocker tat dies keinen Abbruch. Nach wie vor war das Ace Café ihr Zuhause, und nur selten traute sich ein Durchschnittsmensch dorthin. Mit zunehmender Individualisierung gegen Ende der sechziger Jahre schwand allerdings der Zusammenhalt. Es war die Zeit des Vietnamkriegs und der 68er Studentenbewegung. Wer hip war, las nun die Mao-Bibel, trug langes Haar und hörte Bob Dylan. Die Rocker erhielten kaum noch Zulauf, und im Jahr 1969 wurde das Ace Café-Gebäude an eine Reifenkette verkauft. Um nun die alte Zeit wieder aufleben zu lassen, organisieren Mark und Robert Wilsmore stilechte Treffen, außerdem einmal im Jahr eine Rallye zu dem alten Schauplatz. Die erste startete 1994. »Wir waren überwältigt von der Resonanz. Uber 12 000 Leute mit etwa 7000 Maschinen trafen sich auf dem Platz vor dem alten Café«, erinnert sich Mark. »Das einzige Problem bestand darin, daß es dort eigentlich viel zu eng war.«Deshalb wählten die Wilsmores 1996 Das Seebad Brighton als Zielpunkt der »Ride with the Rockers«-Sternfahrt. Der Madeira Drive in Brighton kochte schier über. 15 000 Besucher, viele darunter vom europäischen Festland angereist, feierten hier den »Ace Day«. Harter Rock´n´Roll-Sound mischte sich mit dem Geräusch von Motoren. Vor den Bühnen der Live-Bands tanzten die Rockers mit ihren Mädchen. Prächtige Stimmung herrschte ebenso in den Pubs.Am späten Abend waren sich Initiatoren und Publikum einig - der Ace Day sollte auch zukünftig jedes Jahr in Brighton stattfinden. Schließlich bewegt man sich hier auf historischem Boden. In Brighton haben sich Mitte der 60er Jahre die wilden Schlachten zwischen Mods und Rockern abgespielt. Und jetzt sind sie wieder da - ein paar Mods und Hunderte von Rockern. Allerdings benimmt man sich heute wesentlich gesitteter und kann sogar über die vergangenen Zeiten lachen.Aber auch die gegenwärtige Rocker-Szene ist in London noch lebendig, wie Mark Wilsmore erklärt. Gemeinsam fahre man zu Treffen und Ausstellungen, organisiere eigene Veranstaltungen, oder treffe sich abends in einem Rock-Club. Zum Beispiel im Boston Arms in der Junktion Road. Vor dem Eingang parken Norton und BSA, und in der Eingangshalle drängen sich »the Boys«, ausnahmslos in schwarzem Leder und mit Haartolle, »the girls« in Röhrenjeans oder Petticoats. Geballte Fifties-Atmosphäre. Innen dröhnt aus einer alten Wurlitzer-Musikbox Jerry Lee Lewis´ »There´s a whole lotta shakin´ goin´ on«. Auf der Tanzfläche schleudern Beine und Arme durch die Luft. Es sieht aus, als würde gerade die Fortsetzung von »The Wild One« gedreht. Nicht minder interessant ist das »Queens Head«. Auch hier prangt auf dem Parkplatz neben modernen Streetfightern wieder die glorreiche britische Motorradtradition, Triumph, AJS, Velocette, Rudge, Ariel. Fast alle in nahezu makellosem Zustand und kaum das Vorurteil der immer ölenden Ladies bestätigend. Richtig interessant wird es hier allerdings nach Kneipenschluß um 23 Uhr. Ein »ton up« ist angesagt. Eines jener legendären Rennen, durch die Stadt, bei der eine Geschwindigkeit von 100 mph - »the ton« - zu erreichen sind. 160 Stundenkilometer etwa. Rund dreißig Rocker formieren sich auf der Straße, und dann geht es unter gewaltigem Motorengebrüll los. Im Tiefflug jagt der Pulk durch die Londoner Straßen, jede Lücke im dichten Verkehr zum Überholen nutzend. Von den dröhnenden Motoren aufgeschreckte Passanten schauen auf, erhaschen aber für Bruchteile einer Sekunde nur noch blitzendes Chrom. 160 Sachen sind verdammt schnell in der Stadt. Zielpunkt ist die »Bar Italia« im Stadtteil Soho. Die »Bar Italia« hat solange geöffnet, wie Kundschaft da ist und bildet den nächtlichen Sammelpunkt der Rocker und Leather Boys. Die Maschinen werden am Straßenrand im Spalier abgestellt, denn es findet gerade die Hot Rod und Classic Bike Prozession statt, die jeden Donnerstag hier angesagt ist. Leicht entspinnt sich ein Gespräch mit den Leuten, über Motorräder, Musik, den Rockerkult. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand selbst ein Rocker, ein Chopper- oder ein Tourenfahrer ist. Eine Art »Wir«-Gefühl ist spürbar. Grund genug, um immer mehr jüngere Motorradfahrer zur Szene zu locken. Ein anderer ist sicher die Ehrlichkeit der Szene. Es ist kein Werbegag eines großen Herstellers oder der Medien. »Ein Rocker verkleidet sich nicht, wenn er seine bis ins Detail perfekte Kluft anlegt, sondern verleiht über das Outfit und die Maschine seinem Lebensgefühl sichtbaren Ausdruck«, erklärt Mark stolz.Ein wichtiger Bestandteil des Londoner Bikerszene ist Rex und das »Victory Motorcycles«. Einem Motorradladen, wo sich die Rocker mit allem Notwendigen versorgen können. Lewis, Lederjacken, Halbschalenhelme, weiße Seidenschals oder auch Werkzeuge und Ersatzteile sind hier zu finden. Rex ist ein Experte in Sachen alter britischer Ladys. In der Werkstatt richtet er gerade den Motor einer alten Norton Commando. Sein Kumpel Gordon erinnert sich noch an die wilden Ace-Zeiten: »Irgendwann wollte der Café-Manager den Teepreis um einen Penny (damals vier Pfennige!) erhöhen. Die Jungs standen auf und warfen alles, was nicht niet- und nagelfest war, aus den Fenstern. Der Manager ging zurück in sein Büro und der Teepreis blieb bis zur Schließung des Ace Cafés unverändert.« Rex macht klar, daß die Leute sich noch immer ziemlich stark mit der Geschichte der Rocker identifizieren. »Dabei geben nicht allein das Nachtleben, die Musik oder die Motorräder den Ausschlag. Eigentlich geht es vor allem um die Kameradschaft.«Ein Großteil ihres Traums haben die Wilsmore-Brüder schon verwirklicht. Einen Traum, den viele Motorradfahrer mit ihnen teilen. Yes Mark, see you at the Ace, definitely!

Ace Café in London

Weitere Informationen zu ACE CAFE und ACE CAFE REUNION sind erhältlich bei:motours motormedia communicationsD-47906 KempenAchterberg 12Telefon 02845/98617, Fax: 98618eMail: momoc@t-online.dehttp://home.t-online.de/home/momoc

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