Fahren mit Sozius

Fahren mit Sozius Kostbare Fracht

Frei nach dem Motto: „Geteilte Freude ist doppelte Freude“, reisen etliche Menschen gerne zu zweit auf dem Motorrad. Damit das für Fahrer und Beifahrer ein positives Erlebnis wird, müssen sie miteinander kommunizieren. MOTORRAD gibt Tipps, wie die Tandem-Tour gut klappt.

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Motorradfahren zu zweit, das kann den Fahrspaß und die Erlebnistiefe intensivieren. Es kann aber auch in die Hose gehen, wenn der Beifahrer nicht an der Welt des Fahrers und der Fahrer nicht an der Welt des Beifahrers teilnimmt. Eine Sozia beispielsweise, die zum ersten Mal auf einem Motorrad mitfährt, sollte aus freien Stücken und aus Neugier aufsteigen. Wer Angst hat und verkrampft, kann den Fahrer in arge Bedrängnis bringen. Psychologen geben folgenden Hinweis zum Stressabbau: Angst reduziert sich nicht dadurch, dass man Situationen, die erschrecken können, aus dem Weg geht, sondern dadurch, dass man sich bewusst mit ihnen auseinandersetzt.

Also, ran an die Maschine und sich vom Fahrer das Motorrad, seine Technik und Fahrdynamik kurz erklären lassen. Wenn der Beifahrer im Bewusstsein hat, mit welchen Dingen sein Chauffeur zu tun hat und der Fahrer die Bedürfnisse und Nöte des Beifahrers einschätzen kann, wird aus der Doppelbesetzung des Motorrads ein erfolgreiches Team.

Die zehn Gebote für das Fahren zu zweit

Fahrer
1. Motorrad vorbereiten: Fahrwerk und Reifendruck anpassen
2. Vertrauen schaffen: dem Beifahrer Motorrad- und Fahrtechnik erläutern
3. Kommunikation: Zeichen für Verständigung ausmachen
4. Fahrweise: nicht ruckartig beschleunigen und bremsen
5. Geschwindigkeit: nicht schneller als 160 km/h

Beifahrer
6. Selbstschutz: Sicherheitskleidung tragen
7. Mitfahren: Verkehrsgeschehen verfolgen
8. Schwerpunkt: nah an Fahrer rücken
9. Kurven: eine Linie mit dem Fahrer bilden
10. Blickführung: in Linkskurven links, in Rechtskurven rechts über die Schulter schauen

Tipps für das erste Mal hintendrauf

Ein Mensch, der noch nie auf einem Motorrad mitgefahren ist, wird der Maschine unabhängig von Leistung und Gattung meistens eine gehörige Portion Respekt entgegenbringen. Die wichtigste Voraussetzung, bevor man nur einen Meter weit rollt, ist daher ein gewisses Grundverständnis der Materie und Vertrauen zum Piloten. Beides kann gefördert werden, wenn der Chauffeur seinem Passagier vor dem Aufsitzen locker ein paar Features zu Technik und Fahrdynamik erklärt.

Er sollte den unerfahrenen Partner auch in die Straßenverhältnisse und seine Fahrtechnik einweisen sowie Zeichen für eine Verständigung ausmachen. Dem Interesse, der Kooperation und der Kommunikation förderlich ist außerdem eine gemeinsame Routenplanung. Ohne den Sturzteufel auf den Asphalt malen zu wollen, sollte der Pilot zudem unbedingt Sorge dafür tragen, dass sein Passagier bei der Ausfahrt – und sei sie noch so kurz – Helm, Handschuhe, festes Schuhwerk und sichere Motorradbekleidung trägt.

Anforderungen an einen menschenwürdigen Soziusplatz

Wie man sitzt, so fährt man -sagt ein altes Motorradfahrer-Sprichwort. Doch was für den Fahrer passt, der ständig mit Kuppeln, Schalten, Gasgeben und Bremsen beschäftigt ist, kann für den weitgehend passiv auf dem Rücksitz verharrenden Sozius zur Tortur werden. Deshalb sollte dessen Sitzhaltung komfortabel sein und eine an-gemessene Bewegungsfreiheit ermöglichen. Der Kniewinkel darf nicht zu eng ausfallen, und auch eine asymmetrische Anordnung der Fußrasten kann unangenehm sein. Das ideale Sitzpolster ist groß dimensioniert, rutschfest, wasserdicht, ergonomisch gut geformt und weist keine störenden Kanten auf.

Auch wenn der Sozius sich primär an den Fahrerhüften festhalten sollte, ist es kein Nachteil, wenn die Maschine zusätzliche Halte- und Abstützmöglichkeiten für Brems- und Beschleunigungsvorgänge besitzt. Sehr hohe Soziusplätze wie beispielsweise auf einer Triumph Sprint ST 1050 oder der aktuellen Tiger, aber auch auf Supersportlern (die zudem meistens viel zu hoch montierte Fußrasten haben) bieten zwar eine bessere Übersicht, bedeuten aber auch mehr Windturbulenzen, schlechteren Fahrerkontakt, schwierigeres Aufsteigen. Sitzbänke ändern die Firmen Kahedo (www.kahedo.de) oder Jungbluth (www.alles-fuern-arsch.de).

Ratschläge für spassbeladene Fahrten mit Sozius

Das sollte der Fahrer bei der Passagier-Mitnahme beachten:

  • Sanft anfahren, schalten und bremsen.
  • Stärkere Beschleunigung nur nach Absprache und auf ein Zeichen hin.
  • Hohe Dauergeschwindigkeit vermeiden (160 km/h sind genug), die Nackenmuskulatur der Sozia/des Sozius wird aufgrund der Verwirbelungen extrem belastet und ist ohnehin meist nicht so trainiert wie die eines Vielfahrers. Auch das Hinterteil des Mitfahrers ist oft schneller strapaziert als das eigene.
  • Häufige Pausen machen (besser alle 100 als alle 200 Kilometer, am Anfang noch häufiger), den Passagier in den Pausen zu Entspannungsübungen animieren, sich unterhalten, Erlebnisse und Erfahrungen austauschen, das Interesse und den Genuss am Fahren entwickeln und aufrechterhalten.
  • Vor Schlaglöchern warnen.
  • Auf Bitten und Bedürfnisse des Bei-fahrers Rücksicht nehmen.
  • Extreme Schräglage und Überholmanöver auf Tuchfühlung vermeiden.

Die Maschine sollte auf Mitfahrer vorbereitet werden

Vor der Fahrt sollte man die Federelemente an die Belastung anpassen. Das bedeutet bei den meisten Maschinen ein Vorspannen der Feder im Heck. Wer ein Motorrad mit voll einstellbarem Federbein besitzt, kann zusätzlich noch die Druck- und Zugstufendämpfung erhöhen. Ist die Gabel einstell-bar, kann man sie etwas härter drehen, um beim Bremsen allzu starkes Eintauchen zu mindern. Außerdem sollte man den Reifenluftdruck hinten auf den Maximalwert bringen. Ist er nicht im Fahrerhandbuch vermerkt, können bei allen Radialreifen je nach Zuladung ab 160er-Baubreite 2,9 bis 3,1 bar nicht schaden. Am Vorderrad muss der Druck aufgrund der kaum erhöhten Radlast nur um 0,2 bis 0,3 bar auf 2,5 bis 2,7 bar aufgestockt werden, damit Bremsstabilität und Lenkpräzision erhalten bleiben.

Tipp für ambitioniertere Fahrer, die das Fahrwerk schon im Solobetrieb an einen dynamischeren Fahrstil angepasst haben: Mit einem Helfer per Zollstock messen, in welcher Höhe sich das Fahrzeugheck befindet. Dann Federvorspannung erhöhen, den Mitfahrer aufsitzen lassen und erneut messen. Wenn das Heck im Stand mit Passagier in etwa die gleiche Höhe aufweist wie im Solo-Einsatz, wird das Fahren aller Voraussicht nach auch zu zweit Vergnügen bereiten. Darüber hinaus kann es nicht schaden, die Scheinwerfereinstellung zu kontrollieren oder zu justieren, um Blendungen zu vermeiden. Beim Inspizieren auch gleich einen Blick auf die Bremsen werfen, die im Soziusbetrieb einer erhöhten Belastung ausgesetzt sind. Auch auf die Hinterradbremse achten, die bei starken Verzögerungen sehr an Bedeutung gewinnt.

Auswirkungen der kostbaren Fracht auf die Fahreigenschaften

Ein Passagier auf dem Soziussitz eines Motorrads verändert das gesamte dynamische System Mensch-Maschine nachhaltig: Das Vorderrad wird leicht, hebt vor allem beim Beschleunigen schnell ab und überträgt die Lenkbefehle weniger exakt. Hinten sackt das Motorrad dagegen stark ein und verliert dadurch spürbar an Handlichkeit. Die dynamische Radlastverschiebung wird extremer, und der Maschinenschwerpunkt nach hinten und oben verlagert. Die gesamte Fahrwerksgeometrie verändert sich, was fahrtechnisch ambitionierteren Fahrern alles andere als gelegen kommt. Bei moderater Fahrweise mit Sozia/Sozius und Gepäck lasten 80 und mehr Prozent des Gesamtgewichtes auf der Hinterachse.

Die rückwärtigen Federn, Dämpfer und der Reifen werden dadurch stark belastet und können das Fahrverhalten mindestens genauso negativ beeinflussen wie ein Passagier, der sich falsch verhält. Ein pumpendes oder durchschlagendes Maschinenheck lässt jede vernünftige Kurvenlinie scheitern, anstelle von Fahrspaß macht sich Angst und Ärger breit. Motorräder, die wenig Federweg besitzen und weich abgestimmt sind, eignen sich kaum für spaßbringenden Soziusbetrieb auf längeren Strecken. Wenn es sich beim Passagier dann noch um einen Genussmenschen handelt, der die Kontrolle über seine Pfunde verloren hat, wird das Fahrverhalten unterirdisch.

Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass selbst bei stärkeren Motoren ein Zusatzgewicht von 60 oder 80 Kilogramm besonders bei Überholvorgängen bergauf deutlich zu spüren und ins Kalkül zu ziehen ist. Fazit: Ein Mitfahrer auf dem Motorrad verändert die Fahrleistungen und das Bremsverhalten nachhaltig. Durch das „leichte“ Vorderrad kann es je nach Bereifung verstärkt zu Lenkerflattern (Shimmy) im Bereich von 60 bis 100 km/h kommen. Bei entsprechend empfindlichen Pneus gilt deshalb: Nicht frei- oder einhändig fahren. Wer in den Alpen unterwegs ist, sollte berücksichtigen, dass der Bremsweg bei starkem Gefälle deutlich zunehmen kann.

Die zehn besten Soziusplätze

  1. Honda Pan European
  2. BMW R 1200 RT
  3. Moto Guzzi Stelvio 1200 4V
  4. BMW K 1200/1300 GT
  5. Yamaha FJR 1300 A
  6. Moto Morini Granpasso 1200
  7. Honda Varadero 1000
  8. Suzuki V-Strom 1000
  9. BMW R 1200 GS
  10. Kawasaki 1400 GT

Tipps für den ultimativen Genuss auf den hinteren Rängen

Das sollten Sozia/Sozius beim Fahren beachten:

  • Locker sitzen, trotzdem eine gewisse Grundspannung im Körper belassen.
  • Aufrechte Sitzposition (Brust raus) hilft gegen das Aneinanderschlagen der Helme aufgrund der Massenträgheit beim Bremsen oder der Zugkraftunterbrechung beim Schalten.
  • Die Bewegungen des Fahrers mitmachen (Körperkontakt hilft dabei), in einer Linie mit ihm bleiben, auch bei größeren Schräglagen. Motorräder können je nach Gattung sehr schräg fahren. Also keine Panik, wenn Maschinenteile am Asphalt kratzen.
  • Sich niemals aus Angst in der Kurve aufrichten. Der Steuermann muss dann mit noch mehr Schräglage reagieren, um der Fliehkraft Einhalt zu gebieten.
  • Keine abrupten Bewegungen machen.
  • Dicht zum Fahrer aufrücken, ohne ihn einzuengen (der Schwerpunkt sollte nicht zu weit hinten liegen, die Maschine lässt sich weitaus besser beherrschen, wenn Fahrer und Sozia/Sozius eine Einheit bilden).
  • Sich nicht zurücklehnen.l Nach Möglichkeit lieber an der Taille des Fahrers festhalten als an Gepäckträgern oder Haltegriffen.
  • An der Ampel startbereit sein, festhalten, ebenso mitdenken wie während der Fahrt.
  • Bei starken Bremsungen um die Fahrertaille herumgreifen und sich am Tank abstützen.
  • Bei Rechtskurven über die rechte Schulter des Vordermannes blicken, bei Linksabbiegungen über die linke Schulter schauen.
  • Während der Fahrt und bei Stopps stets die Füße auf den Fußrasten lassen, um dem Fahrer die Balance der Maschine zu erleichtern.
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