Wer Motorräder verkauft, sollte auch für deren Bewegung sorgen: Immer mehr Händler gehen mit ihren Kunden auf Tour.
Wer Motorräder verkauft, sollte auch für deren Bewegung sorgen: Immer mehr Händler gehen mit ihren Kunden auf Tour.
Könnt ihr mir mal’n Ohr schenken?« Bernd Fischer brüllt vom Zaunpfeiler vor seinem Motorradladen. »Mann Alter, und wie sieht das nachher aus«, schallt’s von der anderen Straßenseite zurück.
Lockere Stimmung in Melzingen, Orts-
mitte, wo im ehemaligen Edeka-Laden seit 1992 statt Mehl und Graupen Yamaha und Triumph verkauft werden. Um die 60 Biker haben sich versammelt und wollen mit
ihrem Händler in den Frühling düsen.
Man kennt sich, zumindest kennen die allermeisten Bernd Fischer, Kompagnon Lars Friedenberger und Verkäufer Karsten Germer. Bei Erster- oder Letzterem haben viele ihr Motorrad erstanden, Lars hilft, wenn es was zu inspizieren und reparieren gilt. Ende März war man zuletzt beisammen: Biker-Frühlingsfest. Da wurden 1000 Bratwürste gegrillt. »Große. Davon haben die wenigsten zwei gegessen.« Und nach der Arbeit – dicke Bratwürste verdrücken und neue Motorräder bestaunen – kam
wie immer das Vergnügen: Abends wird der Verkaufsraum ausgeräumt, dann gibt’s Bier und Livemusik. Die Räusche sind längst verflogen, Mitte April steht nun die erste berauschende Ausfahrt an.
Bernd wird seine Rede doch noch los, etwas klamm ist ihm zumute, denn »so
viele Leute waren noch nie da«. Ein beachtlicher Lindwurm zieht Richtung Lüneburg. Ganz vorn brabbelt es dreizylindrig, das ist Karstens Sprint, hinten surrt Bernds Vierzylinder-Fazer, irgendwo bollert eine XT, und eine Transalp hat sich auch
eingeschlichen. »Wär’ ja völliger Quatsch,
hier nur Yamaha und Triumph zuzulassen, oder?« Bernd Fischer will heute mehr
Motorradfahrer als Händler sein.
Obwohl: Ein Händler lebt vor allem
von der Zufriedenheit jener Kunden, die
er schon hat. Und so eine geführte Tour, die macht zufrieden. Bei knappen 20 Grad, auf angenehm leeren Straßen und mitten durch sprießendes Frühlingsgrün. Doch dann: Öde, Staub, Wüstenei. Kann nur
als Verhöhnung aller Raucher gewertet werden, die erste Zigarettenpause mitten auf einer Großbaustelle. Ist aber tierischer Ernst, denn unweit von Lüneburg entsteht just das riesige ADAC-Fahrsicherheits-
zentrum Embsen. Fischer & Friedenberger
haben sich da reingehängt, als sie vom Schwerpunkt Motorradtrainings hörten. Und ihren beiden Importeuren leiern sie gerade je sechs Motorräder raus, auf
denen ab Juli fleißig geübt werden darf.
Sichere Kunden entstehen so, und darauf kommt’s im doppelten Wortsinn an. Nils Wichmann wird die Trainings koordinieren, mit knappen Worten erläutert er, was demnächst in Lüneburg abgeht. Dann geht’s wieder ab. Hohenzeten, Pudripp, Sallahn: Sogar Ortsschilder machen im Wendland Laune, erst recht die Alleen, die frischen Wiesen, die großen Gehöfte. Auf deren Dächern schon Störche klappern.
Klappern gehört zum Handwerk: Im vierten Jahr bieten Fischer & Friedenberger ihre Sonntagstouren an. Zuerst waren’s fünf Termine, heuer neun, zwei Mehrtages-Touren führen sogar in die weite Welt hinaus: in den Harz zum Brocken, nach Hinckley zu Triumph. »Mit zehn Leutchen sind wir früher losgefahren«, erinnert sich Bernd Fischer. An der Elbfähre Westprignitz zählt er heute immer noch an die 40. Die Aussteiger melden sich brav ab, dem einen war’s zu langsam, dem anderen zu schnell, der nächste muss zur Konfirmation.
Alles herrlich normal. Kein Wunder, denn von rund 2000 Kunden kriegen nur jene eine Mail, die Touren mögen. Oder werden im Laden angesprochen. Die Knieschleifer sind dran, wenn Oschersleben oder das Fischereihafenrennen in Bremerhaven steigen. Sicherheits- und Kurventrainings gehen natürlich jeden an, die richten Fischer & Friedenberger gemeinsam mit dem ADAC aus. »Alles non pro-
fit«, sagt Karsten, der Verkäufer. Darf aber
sicher sein, dass von denen, die ihm heute folgen, mancher bald im Laden auftaucht.
Eine Bikerin aus Salzwedel tauscht ihre XVS 1100 gegen die BT 1100 Bulldog. Ein Vorführmotorrad. Sie möchte ihren Liebs-
ten am liebsten schon unterwegs zum Kauf animieren. Eine vorsichtige Fahrerin beschließt beim Rasten, von der Enduro XT 660 Abstand zu nehmen. Und alsbald die Supermoto-Variante zu testen. Auch ein Berliner Tourer, der aus alten Zeiten noch ein Haus im Wendland besitzt, kommt garantiert wieder: »Zur nächsten Tour, die mach’ ich eigentlich alle mit.«
Warum eigentlich? »Am Anfang der Saison wollen die Leute mal einen ganzen Tag lang raus. Unbeschwert von Karten-
lesen und solchen Nervereien, einfach was machen, das klappt.« Bernd und Karsten fahren alle Touren kurz vor Start noch einmal ab. »Sonst stehst du plötzlich vor einer blöden Baustelle.« Was ein erbauliches Ende gefährden könnte. Schlusspunkt ist nämlich ein Oldtimer-Markt in Elringen, der Concours d’Elégance für Norddeutschlands Treckerfahrer. Und die dampfen gegen fünf Uhr nach Hause.
Ungefähr um diese Zeit hat Rossi seinen ersten MotoGP-Lauf für Yamaha gewonnen. Keine Störche gesehen, keine winkenden Omas. Ist nicht Fähre gefahren und hat keinen Lanz bestaunt. Helden haben’s schwer – und werden wahrscheinlich nie treue Yamaha-Fahrer.
Unterwegs sind alle Motorradfahrer gleich, so heißt es. Händler und
Kunden auch?
Nein, nicht völlig. Bei unseren Touren sind wir immer wieder Ansprech-
partner für technische Probleme und Fragen rund ums Motorrad. Wir haben die
Verantwortung für das Gelingen der Tour, die wir vorher noch einmal abfuhren.
Aufgrund unserer Stellung als Händler empfinden wir uns – egal, ob auf Treffen oder Touren – immer ein wenig außen vor. Das ist nicht schlimm, aber man ist nicht mehr »nur« Motorradfahrer.
Welche Resonanz finden Aktivitäten wie beispielsweise die Kunden-Touren bei den Importeuren?
Die Resonanz bei den Importeuren ist gut. Wir haben die Erfahrung
gemacht, dass so etwas bei Triumph sehr gern gesehen wird, und Triumph bittet seine Händler auch von sich aus, aktiv so genannte »RAT-Packs« zu gründen,
um Aktivitäten neben dem normalen Handelsgeschäft zu tätigen. Auch bei Yamaha beginnt sich ein Interesse für solche Händleraktivitäten zu regen, wie das Yamaha-Summerfestival im Juli zeigt.
Der Händler verkauft und repariert Motorräder, sorgt für Helm und Handschuhe, bietet Touren und Sicherheitstrainings: Wird er allmählich zur Drehscheibe der Motorradszene?
Für den unvoreingenommenen Motorradfahrer wird man als aktiver Händler sicherlich zur Drehscheibe. Viele andere hingegen betrachten den Händler trotz seiner Aktivitäten immer noch mit Misstrauen: teuer, arrogant, will ja nur verkaufen.
Kann ein Motorradhändler heute ausschließlich vom nüchternen Handel leben?
Ein klares Nein. Niedrige Margen, hohe Verwaltungskosten, Rabattschlachten kaufmännisch dummer Händlerkollegen, Ebay und andere Smartshopper machen das Verdienen sehr schwer. Alles muss billig sein, eine leider auch bei vielen Kunden verbreitete Einstellung, die den Wert jeder guten Arbeit aushöhlt. Zusätzliche Aktivitäten kosten aber zusätzlich Geld und Initiative. Leicht ist es nicht.