Wenn die Zweizylinder nicht so bollern würden, hätte man direkt das Gefühl, durch Josef von Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ zu gleiten. Die Landschaft ist unberührt, Barocktürmchen ragen hundertfach in den Himmel, und Eichendorffs romantische Beschreibungen laufen wie in einem Film links und rechts der Straße ab.
Aber gottlob müssen wir nicht die Postkutsche nehmen, sondern sind mit der PS-KTM und den beiden BMWs der PS-Leser Jürgen Kleider und Oliver Künzig in Unterfranken unterwegs. Das hier ist ihr Revier. „Ganz wenig Verkehr und super Belag“, versprach uns Jürgen schon am Telefon.

Seit er 18 ist, fährt Jürgen hier Motorrad. Das sind jetzt 47 Jahre. Mitten in Würzburg betreibt er „Das goldene Fass“, ein kleines Hotel nahe dem Residenzschloss, an dem wir uns schließlich zur Tour treffen. Als Berufstaucher hat der gelernte Koch die ganze Welt bereist, aber für Motorräder war er immer zu haben. Neben der BMW S 1100 R von Kumpel Oliver steht sein 1200er-Sportboxer. „In den letzten Heften hattet ihr immer Ducatis, also hab ich die BMW genommen.“ Ob er denn noch mehr Motorräder habe? „Die zeig ich euch später“, lacht Jürgen, dann geht es los.
Am Main entlang fahren wir zunächst unspektakuläre Straßen flussaufwärts. In Mainbernheim kommen wir wie durch eine Kulisse aus einem Mantel-und-Degen-Film, überall könnte ein Musketier auf die gepflasterte Straße springen.
Ab Marktsteft wird es dann schwungvoller, und am Schwanberg lässt es Jürgen laufen. Hier gab es früher Bergrennen, und so wie die Straße hier in Serpentinen hinauf zur Klosteranlage führt, muss das richtig Spaß gemacht haben. Auch Jürgen hatte mal Spaß an der Rennerei, erzählt er bei einem Stopp. Ab 1991 war er viel mit seiner Frau Gisela auf Renntrainings von Mugello bis Assen. Doch 2004 ist seine Frau mit ihrer VTR am Sachsenring tödlich verunglückt. „Danach hat es nicht mehr so viel Spaß gemacht, aber wenn ich so an Brünn denke - tolle Strecke.“
Jürgen lacht, aber das Thema ist ihm merklich unangenehm. Lieber will er weiter, und auch Oliver verspricht uns jetzt Kurven pur im Naturpark Steigerwald. Und die beiden halten, was sie versprechen. Ohne je einem Lkw oder vielen Autos in die Quere zu kommen, geht es auf guten Straßen durch kleine Wäldchen und breite Wiesen. Man hat selbst an diesem Werktag das Gefühl, vollkommen allein unterwegs zu sein. Kurven aller Art für jedes Tempo schlängeln sich durch die wundervolle Landschaft. Kurz vor Erbach entdecken wir sogar die fränkische Corkscrew: Hinter einer Kuppe fällt die Straße steil in einem langen Linksbogen hinab - herrlich! „Abends und frühmorgens muss man auf Wildwechsel aufpassen“, mahnt Jürgen. „Aber sonst ist hier eigentlich nie was los.“

Oberfranken lassen wir rechts liegen, auch wenn Oliver und Jürgen die Vorzüge der Strecken Richtung Bamberg preisen. Stattdessen fahren wir in Bögen über Kitzingen, durch Weindörfer und endlose Rebhänge zurück nach Würzburg. Bis zu Jürgens „Landsitz“, einem Gartengrundstück außerhalb der Stadt. In einem offenen Schuppen stehen sie dann, seine Motorräder. „Die hier sind alle zugelassen. Im Winter stehen sie geschützter.“ Eine Diavel hat er, eine Bimota Tesi, eine Tuono Mille in limitierter R-Version, eine GS für Alpentouren und eine original BMW R 90 Daytona. „Hat sich über die Jahre halt angesammelt“, sagt er. Fränkisches Understatement - passt zur Landschaft!
Unterfranken-Tour


Wer nicht nur ungestört und flott auf guten Straßen Motorrad fahren möchte, sondern Bilderbuchlandschaften genauso zu schätzen weiß wie guten Frankenwein und das deftige und dazu noch günstige Essen der Region, der sollte einmal einen Abstecher nach Würzburg machen. Jürgen Kleider lässt sich von Gästen des „Goldenen Fasses“ (Semmelstraße 13) gern für Touren motivieren. Aber auch so finden sich in alle Richtungen traumhafte Motorradstrecken, wo sportliche Fahrer voll auf ihre Kosten kommen. Sei es die Rhön im Westen, die Gegend um Bad Kissingen oder eben tief hinein ins Frankenland, es lohnt sich, und kulturell ist auch viel geboten.
Gefahrene Strecke:
ca. 200 km
Besichtigungstipp:
Residenzschloss und Marienburg in Würzburg, Riemenschneider-Arbeiten