An Schlaf ist während unserer ersten Nacht in Nairobi kaum zu denken – Claus, Freundin Irmgard und mich halten drei Fragen wach: Sind die beiden BMW inzwischen eingetroffen? Haben sie den Flug unversehrt überstanden? Und wie schnell bekommen wir die Motorräder durch den Zoll? Knapp sieben Wochen haben wir Zeit, um von hier bis nach Kapstadt zu fahren. Nicht viel für die rund 14000 Kilometer, die wir dazwischen zurücklegen wollen. Jeder Tag zählt.
Doch scheint Afrika stets für eine Überraschung gut zu sein – der Weg durch den Zoll erweist sich als erstaunlich unkompliziert. Bereits am frühen Nachmittag sitzen wir auf den GS, verlassen die Metropole, orientieren uns in Richtung Norden und passieren noch vor Einbruch der Dunkelheit den im August leider meist wolkenverhangenen Mount Kenia.

Am nächsten Tag stellen wir uns der ersten großen Herausforderung: die Strecke von Maralal zum Turkanasee, vom Erlebniswert allerhöchste Güte, aber fahrerisch recht diffizil. 270 Kilometer ausschließlich durch Sand oder über kernige Trialpassagen. Und weil der See abseits unserer eigentlichen Route liegt, bedeutet das, das Ganze wieder zurück. Der Respekt vor dieser Strecke weicht allerdings tatsächlich schnell den überwältigenden Eindrücken. Nach dem überraschend steilen Samburu-Pass arbeiten wir uns durch Urwald, der bald darauf in eine Steinwüste übergeht. Über eine Stunde lang mühen wir uns dort nahezu ausschließlich im ersten Gang, erreichen nach einer Nacht in der Steppe erst tags darauf den salzigen See, der Heimat für über 20000 Krokodile ist und an dessen Ufer die Samburu und Turkana leben. Kinder freuen sich über den unerwarteten Besuch, führen uns an der Hand durch eines der nahen Strohhüttendörfer, während ein paar junge Krieger uns mit ernster Mine beobachten. Afrika ohne Wenn und Aber.
Kenia Kapstadt (2)

Zurück auf der Hauptstrecke, peilen wir das Nachbarland Uganda an, engagieren für den Grenzübertritt einen der vielen wartenden Schlepper, der sämtliche Formalitäten ruck, zuck erledigt. Auf einer breiten Piste rollen wir westwärts – und sind praktisch die einzigen motorisierten Fahrzeuge. Lediglich Fahrradfahrer auf in Indien produzierten Stahleseln begleiten uns unablässig. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass deren wilder Fahrstil sehr stark an den von Betrunkenen erinnert.
Wir erreichen den Murchison Falls-Nationalpark, entdecken auf einer Piste im Schutzgebiet frischen Elefanten-Dung. Da wir im dichten Busch praktisch keine Sicht haben und das Grollen der Motoren sämtliche Warnungen der Tierwelt übertönt, tasten wir uns nur langsam vorwärts. Plötzlich kreuzt eine Giraffe, und gleich darauf entdecken wir eine Herde Elefanten auf einer Lichtung am Rand der Strecke. Wir halten sofort an, wagen kaum noch zu atmen. Ein Ehrfurcht gebietender Anblick, wie sich die Tiere gemächlich in Bewegung setzen und zwischen den Bäumen verschwinden.

Schließlich stehen wir am Ufer des Weißen Nils, setzen mit einer Fähre auf die gegenüberliegende Seite über, gelangen nach weiteren 30 Kilometer zum Nilfall, wo wir in Hörweite der tosenden Gischt unser Nachtlager aufschlagen. Zur Krönung des Tages genehmigen wir uns ein kurzes Bad in einer von Felsen geschützten Bucht, können von unserem Logenplatz sogar einige Flusspferde beobachten. Afrika wie in unseren schönsten Träumen.
In Tansania angelangt, verladen wir die beiden BMW in Bukoba auf einen völlig überladenen Bananenfrachter, der uns über den Victoriasee nach Mwanza bringt. Zu schade, wir müssen dort endgültig von unserem Traum, den Serengeti-Nationalpark auf den Motorrädern zu durchqueren, Abschied nehmen. Mit Ausnahme von Uganda sind in Afrika Motorradabstecher in die Schutzgebiete aus Sicherheitsgründen streng untersagt. Das bedeutet einen etwa 750 Kilometer weiten Umweg auf einer extrem schlechten Piste. Wir kommen nur mühsam voran, leiden unter dem Staub, der von den zahlreichen Lkw aufgewirbelt wird – Überholen gleicht fast schon einem todesmutigen Manöver. Mehrere Plattfüße und Ölverlust am hinteren Federbein meiner HPN-BMW vermögen unsere Laune auch nicht unbedingt zu bessern. Und dann verhüllt sich auch noch der Kilimandscharo in dichten Regenwolken – unsere Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
Kenia - Kapstadt (Infos)
Von Kenia bis zum Kap wahrlich eine Traumstrecke, die durch die unterschiedlichsten Gegenden Afrikas führt. Trotz der derzeit weltweit angespannten Sicherheitslage ist es weiterhin möglich, diese Strecke in den erwähnten Ländern unter die Stollen zu nehmen.
Anreise
Ein Gabelflug gestattet Nairobi als Start- und Kapstadt als Endpunkt. Entsprechende Flüge bietet beispielsweise die niederländische Fluggesellschaft KLM ab 900 Euro an. Die beiden BMW wurden auf speziellen Metallpaletten von dem auf Motorrad-Luftfracht spezialisierten Unternehmen Bikeworld Travel hin- und zurücktransportiert. Pro Fahrzeug müssen dafür inklusive aller anfallenden Nebenkosten rund 2500 Euro gerechnet werden. Weitere Infos: Telefon 05231/580262 sowie unter www.bikeworld-travel.de. Eine ausführliche Übersicht von entsprechenden Speditionen für Luft- und Seefracht sowie viele Tipps für den weltweiten Motorradversand finden sich in der MOTORRAD-Ausgabe 3/2004, die bei Bedarf unter Telefon 0711/182-1229 nachbestellt werden kann.
Dokumente
Neben Reisepass sowie Führer- und Kraftfahrzeugschein (in nationaler sowie internationaler Ausführung) werden für das Fahrzeug ein internationaler Versicherungsnachweis und ein Carnet du Passage verlangt. Letzteres ist gegen eine Kaution von 3000 Euro beim ADAC erhältlich. Infos unter Telefon 089/7676-0. Von jedem Dokument unbedingt Kopien mitführen. Die aktuellen Einreise- und Sicherheitsbe-stimmungen für die jeweiligen Länder erfährt man beim Auswärtigen Amt unter www.auswaertigesamt.de. Während beispielsweise für Südafrika, Namibia, Botswana oder Malawi der Reisepass genügt, benötigt man für Kenia, Uganda, Tansania, Burundi, Sambia, Simbabwe und Mosambik jeweils ein Visum, das man sich am besten vor der Abreise bei der entsprechenden Botschaft besorgt. Wer wegen der vielen Länder den recht hohen Aufwand scheut, beauftragt am besten eine Agentur, die gegen eine Gebühr von 20 Euro sämtliche Stempel beschafft, wie zum Beispiel die Visum Centrale in Berlin, Telefon 030/230959110, www.visum-centrale.de. Alternativ kann man sich die erforderliche Einreiseerlaubnis auch an dem jeweligen Grenzübergang ausstellen lassen – was aber oftmals eine sehr zeitaufwendige Prozedur ist.
Die Strecke
Das südliche Afrika ist ein äußerst verlockendes wie abenteuerliches Reiseziel – mehr Afrika-Feeling geht kaum! Wer will, kann auf der durchweg asphaltieren Hauptstrecke von Nairobi in Kenia bis in das südafrikanische Kapstadt fahren (etwa 6500 Kilometer). Spannender und interessanter sind natürlich die vielen Nebenstrecken, die schon mal mit tiefen Sandpassagen oder trialartigen Etappen aufwarten. Nach Regenfällen sind besonders die Lateritpisten in Kenia, Uganda und Tansania extrem rutschig; ohne grobstolliges Profil (Michelin T 63, Continental TKC 80 oder Ähnliches) geht dann nichts mehr. Abseits der Hauptrouten machen ein großer Tank oder Zusatzkanister Sinn; die Reichweite sollte je nach Streckenplanung zwischen 350 und 600 Kilometer betragen. Navigation ist im südlichen Afrika kaum noch ein Problem – sämtliche Strecken und Pisten finden sich bereits auf der World Map eines handlichen Garmin-GPS-Empfängers, der sich an jeden Lenker montieren lässt. Die Spezialisten: Touratech, Telefon 07728/92790, www.touratech.de. Kontrollen durch Behörden finden auf den Straßen im südlichen Afrika praktisch nicht statt. Mit Ausnahme von Uganda sind Motorradabstecher in die wildreichen Nationalparks aus Sicherheitsgründen streng verboten. Wildes Campen ist fast überall möglich. Allerdings muss mit Diebstahl gerechnet werden; wenn möglich, nicht in Sichtweite einer Straße nächtigen und Motorrad und Ausrüstung niemals unbeobachtet lassen. In Flussnähe stets auf Spuren achten (Elefanten, Nilpferde) und beim geringsten Zweifel kein Zelt aufstellen – absolute Lebensgefahr!
Gesundheit
Folgende Impfungen sind für eine Reise durch das südliche Afrika erforderlich: Hepatitis A und B, Typhus, Polio, Diphterie, Tetanus und Gelbfieber. Weiter ist in den tropischen Regionen eine Malariaprophylaxe erforderlich (Lariam oder Malorone). Ausführliche Infos finden sich unter www.fit-for-travel.de (Tropenmedizin Uni München) oder unter www.osir.ch (Infostelle für Reisemedizin, Schweiz). Eine Auslandskrankenversicherung ist obligatorisch.
Literatur, Infos
Das Angebot an Reiseführern über das südliche Afrika ist inzwischen enorm (sehr gut für die ausführliche Vorbereitung). Da Motorradfahrer keine komplette Bücherei mitführen können, empfiehlt sich für unterwegs der Klassiker: »Durch Afrika – Band 2« von Klaus Därr (Verlag Reise Know How) für 22,50 Euro. Neben sämtlichen Infos in Sachen Einreise, Währung, Sicherheit und Straßenzustände bietet dieses Buch ausführliche Streckenbeschreibungen samt GSP-Koordinaten, Übersichtskarten und Stadtpläne. Zudem unterhält der Autor unter www.klaus.daerr.de eine ausführliche Infoseite. Für die in der Reportage beschriebene Tour reicht tatsächlich eine Karte aus dem Hause Michelin: »Zentral- und Südafrika, Blatt 746« (früher Blatt 955) im Maßstab von 1:4000000 für 7,50 Euro.