Motorradreise an der dalmatinischen Küste Kroatiens

Motorradreise an der dalmatinischen Küste Mit gemischten Gefühlen

Bis in die neunziger Jahre herrschte an der dalmatinischen Küste ein Bürgerkrieg. Heute präsentiert sie sich wieder als geniales Revier für Motorradfahrer – obwohl viele Wunden noch lange nicht verheilt sind.

Mit gemischten Gefühlen Eisenschink

Hinter Gracac kommt mir kaum noch ein Auto entgegen. Windböen fegen über die Straße, Staub wirbelt empor, der Blick streift über Talkessel und Berge. Ich bin unterwegs in der Krajina, dem Grenzgebiet. Weite Karstlandschaften und ein scheinbar endloser Horizont kennzeichnen die Gegend. Hier und da ist ein Gehöft auszumachen, eine kleine Ansiedlung – die Krajina ist altes, karges, auf Selbstversorgung ausgelegtes Bauernland. Erst als ich das Tempo verlangsame, um nach einer Tankstelle zu fragen, registriere ich, dass es weder Bauern noch Tiere noch bestellte Felder gibt. Und Häuser und Ställe sind nur noch Ruinen.

Bis 1995 tobte im kroatischen Hinterland der Unabhängigkeitskrieg gegen das ungeliebte Regime in Belgrad. Da die Fronten des einstigen Vielvölkerstaats mitten durch die Bevölkerung verliefen, schoss man von Haus zu Haus, von Nachbar zu Nachbar, der Onkel auf den Neffen. Die Spuren dieser Tragödie motivieren nicht zum Anhalten.

Tankstopp in Knin, dann weiter über Drniš in Richtung Krka-Tal. Kilometer um Kilometer geht es eben dahin, bis hinter Širitovci das Flusstal erscheint und die Straße in vielen Schlenkern nach unten führt. Die karge, vom Bürgerkrieg gezeichnete Karstlandschaft verschwindet im Rückspiegel, und gleich darauf stehe ich am Ufer der Krka. Ringsum wuchern Bäume, Büsche, blühende Sträucher – der Lauf des 72 Kilometer langen Flusses, der sich über unzählige Kaskaden und sieben Wasserfälle in Richtung Adria ergießt, führt durch einen botanischen Garten.

Eisenschink
In der Altstadt von Dubrovnik.

Die Straße mutiert zur Piste, überquert den Fluss und schraubt sich wieder aus der Schlucht empor. In der Hoffnung, einen weiteren Blick auf das aus Karst und Wasser bestehende Naturparadies zu erwischen, folge ich dem Flusslauf nach Süden und gelange so über Skradin zum Krka-Nationalpark. Von markierten Aussichtspunkten zeigt sich die tief zerfurchte Canyon-Landschaft aus der Vogelperspektive. Pfade, Brücken und Holzstege führen über den flaschengrünen Fluss, der sich in diesem Abschnitt in viele Seitenarme aufgefächert hat. Umgeben von Farnen, Moosen und Wildblumen streife ich durch urwaldartigen Auwald zum Wasserfall Skradinski buk, unternehme eine Bootsfahrt zum Wasserfall Roški slap – und wähne mich hinter jedem Felsvorsprung auf den Spuren von Winnetou und Shatterhand, die mit einem Kanu Ende der Sechziger bei den Dreharbeiten zu „Im Tal der Toten“ den gleichen Kurs einschlugen. Insgesamt wurden damals 13 Karl-May-Romane in diesem Teil Kroatiens verfilmt. Es dämmert schon, als ich meinen Nationalpark-Trip beende und die BMW zurück nach Skradin dirigiere.

Der Ort zeichnet sich durch verwinkelte Gassen, einen Yachthafen, kleine Kneipen und Fischrestaurants aus. „Sobe?“ frage ich eine Horde Kinder in der Landessprache. Und es tönt „Yes, room! Si, camere! Ja, Zimmer!” zurück. Der Anführer der sprachgewandten Rasselbande packt mich auch gleich am Jackenärmel und schleift mich durch das mittelalterliche Gassengestrüpp zu einem Haus, umgeben von Gemüsebeeten, Hühnerstall und Dattelpalmen. Eine alte Frau erscheint, der Knirps übergibt mich eine Trophäe und zieht mit seinem Tross davon. Die Preisverhandlung mit der ausschließlich kroatisch sprechenden Oma gerät zur Pantomime. Ich gestikuliere, schreibe schließlich “zwölf Euro” ins Tomatenbeet und führe die Hände symbolisch an den Mund: „Mit Frühstück?” Die Oma nickt, nimmt das Geld entgegen, zeigt mir mein Zimmer und verschwindet.

Ich gehe noch auf ein Bier bei “Agnella„ in der Jaminska Kušan, gucke den Alten beim Boccia-Spiel zu und studiere bei “Smoke on the water” und „Radar Love” die zugespachtelten Einschusslöcher an der Wand. Dann versinke ich zwischen Spitzendeckchen und gerahmten Familienfotos in den weichen Federn meines Nachtquartiers. Als ich am nächsten Morgen einen Blick in Kleiderschrank und Kommode werfe, weiß ich, warum die Oma am Abend zuvor so schnell verschwunden ist: Sie hat mir ihr eigenes Zimmer überlassen und bei Verwandten Unterschlupf gesucht. Ein üppiges Frühstück steht für mich im Wohnzimmer bereit, der Knirps von gestern stürmt mit dem Schulranzen vorbei, seine Mutter begrüßt mich herzlich auf Kroatisch. Es wäre schön, mehr über die Lebensumstände meiner Gastgeber zu erfahren – aber wie?

Kroatien (2)

Eisenschink
Panzer müssen draußen bleiben.

Nach dem Frühstück geht’s im Sattel der BMW zur Küste. Ein Blick auf die Altstadt von Šibenik muss sein, schon wegen der Krka, die hier als breiter, fast fjordartiger Strom in die Adria mündet. Dann empfängt mich die Gartenküste Dalmatiens. Olivenhaine, Obst- und Weingärten, die in hügeliger Harmonie die Adria säumen. Bei Primošten schlängelt sich die Straße durch lichte Kiefernwäldchen, Buchten mit ankernden Segelbooten tauchen auf, Urlauber in quietschbunten Bermudas, Campingplätze, Ferienappartements.

Zwischenstopp im Café “Kaos” am Yachthafen von Trogir, wo hinter mittelalterlichen Gebäuden (zirka 12. Jahrhundert) und millionenschweren Yachten (zirka 1,2 Millionen Euro) im Osten das Biokovo-Massiv aufragt. Sonnenbebrillte Yachtbesitzer schlendern mit Highheels-bewehrten Blondinen entlang der Uferpromenade, Straßenkünstler jonglieren mit Kegeln, Straßenhändler mit Maiskolben über offenem Feuer.

Zwei Ecken weiter die Altstadt von Split, entstanden aus einem römischen Kaiserpalast und heute UNESCO-Weltkulturerbe. Sterile Museumsatmosphäre? Mitnichten. Nahezu jedes Gebäude, jede Säule, jeder Stein aus der Geschichte wird liebevoll in den Alltag integriert. Im antiken Innenhof von Diokletians Kaiserpalast drängen sich voll besetzte Straßencafés; die Spliter Jugend hockt Eis essend auf römischen Säulenkapitellen; entlang der Palastmauer türmen sich Früchte und Gemüse, in den Katakomben Kunsthandwerk. Wie zu Diokletians Zeiten tobt rund um die weitläufige Kaiserresidenz das pralle Leben.

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Die Wunden des Krieges sind noch nicht verheilt.

Ich fahre weiter nach Südosten, immer entlang der Küstenstraße, die mit Recht zu den schönsten Strecken der Welt zählt. Hinter Omiš treten die sanften, pinienbestandenen Hügel zurück, und schroffe, weit über 1000 Meter hoch aufragende Felsmas-sive übernehmen das Regiment. In endlosen Schleifen fädelt sich die Straße an der Steilküste entlang. Zur Rechten die Inseln Bra`´c, Hvar, Pelješac und Kor`´cula, zur Linken die Biokovo-Berge mit dem 1762 Meter hohen Sveti Jure. In der Gipfelregion von Kroatiens dritthöchstem Berg befindet sich ein mit spektakulären Aussichtspunkten versehenes Naturschutzgebiet, das man nordöstlich von Makarska über ein kurviges Mautsträßchen anfahren kann. Es windet sich höher und höher, bis sich oberhalb von 1500 Metern eine Art Cockpit-Perspektive über Steilküste, Adria und eine mehr als tausendundein Eilande zählende Inselwelt bietet.

Die Dämmerung bricht an, als ich am Ortseingang von Makarska auf den schon bekannten Schilderwald stoße: „Sobe! Room! Zimmer! Camere! Apartment!“ Ein blonder Knirps lotst mich vor dem Motorrad herspurtend zu meinem neuen Nachtquartier. Die Hausherrin, Frau Rašic, begrüßt mich herzlich und führt mich – fließend Deutsch sprechend – zu einem Schlafzimmer, das – wie bei der Oma in Skradin – mit Familienfotos, Kleidung, Wäsche und persönlichen Dingen ausgestattet ist.

Den Willkommensdrink nehme ich im Kreis der Familie auf der Terrasse ein, erhasche von dort einen Blick auf einen mit Betten und Matratzen vollgestopften Kellerraum, in dem die gesamte Großfamilie zusammengepfercht schlafen muss, während ich im geräumigen Schlafzimmer residiere. „Zunächst der Krieg, dann die Nachkriegszeit...“, Frau Rašic ringt fast entschuldigend nach Worten, die Familie schlage sich halt so durch. Drei Kriegswaisen, Kinder von Freunden, habe sie dennoch bei sich aufgenommen. Sie zeigt auf Zeljko, 24 Jahre. Seine Eltern wurden getötet; er selbst geriet in serbische Gefangenschaft, als er 15 war. Und auf Mateo, 16 Jahre, sowie seinen Bruder Goran, 13. Die beiden haben noch sechs in alle Winde verstreute Geschwister, Vater und Mutter wurden erschossen. Von Serben? Nein, von bosnischen Moslems. Frau Rašic blickt zu Boden, die Augen füllen sich mit Tränen, dann lenkt sie das Thema auf den Wetterbericht für morgen: heiter, sonnig, an der Küste bis 29 Grad.

Kroatien (Infos)

Kroatien hat sich längst wieder als Urlaubsziel etabliert – dank einer einzigartigen Küstenlandschaft, fantastischer Inselwelt, tollen Stränden und attraktiven Städten wie Dubrovnik. Die Spuren des Krieges sind jedoch weiterhin präsent.

Eisenschink
Nachts leuchtet Dubrovnik.

Anreise:
Die Hauptroute durch die Alpen führt von München über Salzburg und Villach nach Ljubljana. Neben der österreichischen Autobahnvignette fallen die Gebühren für Tauernautobahn und Karawankentunnel an. Auch Slowenien erhebt Mautgebühren für die Autobahn. Eine Alternative ist die Anreise per Autozug von Hamburg, Dortmund oder Frankfurt bis ins kroatische Rijeka. Für ein Motorrad fallen in der günstigsten Kategorie einfach ab 87 Euro an, für eine Person ab 68 Euro (Einzelplatz bei fünf Liegen in einem Abteil). Infos und Buchung unter Telefon 01805/241224 sowie im Internet unter www.dbautozug.de.

Unterkunft:
An Hotels, Pensionen und Campingplätzen sämtlicher Kategorien besteht in Kroatien kein Mangel. Wer preisgünstig und familiär übernachten will, hält Ausschau nach Schildern, auf den „Sobe“ (Privatzimmer) zu lesen ist.
Die Tipps der Autoren: Slavica und Nicola Rašic, Zagrebacka 100, Makarska, Telefon 00385/21/616555 oder 612960. Für die Übernachtung zahlt man 12,50 Euro pro Person, Frau Rašic spricht perfekt deutsch. Tomislava und Ciro Ivkovic, Put Demunta 30, Trogir, Telefon 00385/21/881797. Hier kostet die Nacht pro Person 17,50 Euro, Frau Ivkovic kann Englisch, Herr Ivkovic Deutsch. Vera und Nicola Šišic, Andrije Hebranga 14, Dubrovnik, kein Telefon. Herr und Frau Šišic sprechen nur kroatisch – mit fünf Kroatisch-Vokabeln und etwas Improvisationstalent kommt man jedoch sehr gut klar. Für die Übernachtung in Altstadtnähe sind 17,50 Euro pro Person zu entrichten.

Weitere Auskünfte und Infomaterial liefert die Kroatische Zentrale für Tourismus, Telefon 069/2385350, Internet: www.kroatien.hr. Auskünfte zu Bosnien-Herzegowina erteilt die Botschaft des Landes, Telefon 030/81471210, Internet: www.botschaft.bh.de. Achtung: Bei Reisen nach Bosnien-Herzegowina empfiehlt es sich, wegen Minengefahr die befestigten Straßen nicht zu verlassen! Detaillierte Sicherheitshinweise gibt es im Internet unter www.auswaertiges-amt.de.

Karte: Maucher
Zeitafuwand: eine Woche; Streckenlänge 1000 Kilometer.

Sehenswert:
Die Kernzone des 142 Quadratkilometer großen Krka-Nationalparks ist nur zu Fuß oder mit dem Boot erreichbar. Besonders schön sind die Wasserfälle Skradinski buk und Roški slap sowie die Insel Visovac. Auskünfte erteilt die Nationalpark-Verwaltung in Šibenik, Telefon 00385/22/217720; Internet-Infos: www.npkrka.hr. Für die Besichtigung von Dubrovnik (UNESCO-Weltkultur-erbe) sollte man gleich mehrere Tage reservieren. Besonders beeindruckend ist die gewaltige Stadtmauer, auf der man die gesamte Altstadt umrunden kann. Der Palast Diokletians in Split (UNESCO-Weltkulturerbe) zählt zu den besterhaltenen Monumenten römischer Architektur und bietet reichlich Raum für Erkundungen.

Die nach Restaurationsarbeiten 2004 wieder eingeweihte Alte Brücke von Mostar in Bosnien-Herzegowina steht kurz vor dem Sprung auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes und zählt samt Altstadt zu den Top-Sehenswürdigkeiten der Region.

Geld:
Die kroatische Währung heißt Kuna (1 Kuna = 100 Lipa). Für einen Euro bekommt man zirka 7,3 Kuna. Die Währung im benachbarten Bosnien-Herzegowina ist die Konvertible Mark, deren Kursverhältnis zum Euro der alten D-Mark entspricht (1 Euro = 1,95 Konvertible Mark).

Literatur:
Gut ausgerüstet ist man mit dem 384 Seiten starken Urlaubshandbuch „Dalmatien und seine Inseln“ aus dem Reise-Know-How-Verlag für 14,90 Euro (mit Ausflugstipps nach Bosnien-Herzegowina). Aus dem gleichen Verlag stammt der bei Verständigungsschwierigkeiten überaus praktische Kauderwelsch-Band Nr. 98 „Kroatisch Wort für Wort“ für 7,90 Euro. Zur Orientierung eignet sich die Generalkarte „Kroatische Küste – Mitte und Süd“ im Maßstab 1:200000 von Mairs Geographischer Verlag. Preis: 6,50 Euro.

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