Motorradfahren und Bergsteigen im Wallis

Motorradfahren und Bergsteigen im Wallis Eine neue Dimension

Das Wallis ist ein traumhaftes Revier zum Pässeräubern, keine Frage. Aber schon mal darüber nachgedacht, noch weiter nach oben zu gelangen und mit Pickel und Steigeisen einen 4000er zu erobern?

Eine neue Dimension Deleker

Konturlose, graue Wolken, wohin ich blicke. Wenn ich nicht bald den Kopf einziehe, werde ich auf der langsam ansteigenden Gotthard-Autobahn bald in ihnen verschwinden. Die einzige Fluchtmöglichkeit: der Gotthardtunnel, durch den ich schnell ins sonnige Italien gelangen könnte. Aber das ist keine Alternative zu meinem Plan, durch das magische Dreieck der Schweizer Pässe zu kurven: Furka, Grimsel und Susten.

Also biege ich in Wassen rechts ab zum Sustenpass, treibe die Honda bergwärts, bis mir tatsächlich der Himmel auf den Kopf fällt. Eine einzige graue Suppe. So sehen also Wolken von innen aus. Zweiter Gang, 30 Sachen. Klarer Fall von Blindschleiche. Vor den Kehren muss ich nicht mal bremsen. Zudem wird es ungemütlich kalt. Und plötzlich auch noch zappenduster – der Scheiteltunnel auf 2224 Meter Höhe. Doch dann brennt sich gleißendes Licht am Ende des Tunnels durch den Nebel. Wie ein Scheinwerfer mit Millionen Watt. Sonne! Innerhalb von 325 Tunnelmetern hat sich die Welt komplett verändert. Als ob die finstere Röhre mich auf einen anderen Planeten gebeamt hätte. Einen mit viel Licht, Wärme, Farben und einer sensationellen Aussicht.

Unten im grünen Tal leuchtet ein grauer See, den der Steingletscher bei seinem Rückzug hinterlassen hat. Dessen eisige Zunge entspringt weit oben vor den steilen Flanken des Susten- und Gwächtenhorns. Ich parke die Dominator am Straßenrand, krame das Fernglas raus und versinke in der fremden Welt aus Eis und Fels. Fernsehen, wie es besser nicht sein könnte. Auf dem schneeweißen Gipfelgrat des Tierbergs entdecke ich vier winzig kleine Punkte – Bergsteiger. Zu gerne würde ich einmal mit diesen Burschen tauschen!

Ich starte meinen Eintopf und stürze mich zu Tal. Die Westrampe des Susten hat es in sich, gehört sicher in die Champions League der Bergstraßen. 1600 Höhenmeter, fast ebenso viele fantasievoll arrangierte Kurven, ausgelegt mit bestem Asphalt. Schweizer Straßen sind immer sauber und gepflegt, gerade so, als ob sie jede Nacht geputzt würden.

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Schweizer Postkartenidyll.

Der Sustenpass endet in Innertkirchen. Blinker links und hoch zum Grimsel. Der hat einen völlig anderen Charakter, gewinnt in weiten Kurven an Höhe und streut erst oben eine Hand voll Kehren ein. Die Passhöhe ist fest in Bikers Hand, hat sich zu einem der beliebtesten Treffpunkte im Wallis entwickelt. Landschaftlich kann der Grimsel dem Susten zwar nicht das Wasser reichen, hält jedoch ein Schmankerl in der Hinterhand: die per Ampel geregelte Sackgasse zum Oberaarsee. Eine grandiose Strecke. Nicht zum Kurven-wetzen, sondern zum Staunen. Weit unten leuchtet der fjordartige Grimselsee in einem merkwürdigen Grüngelbgrau. Nach Westen fällt der Blick auf die atemberaubend steile Wand des fast 4300 Meter hohen Finsteraarhorns. Und auf den Oberaarsee mit seiner breiten Gletscherzunge. Allerfeinstes Alpenpanorama.

Das ändert sich schnell, als ich die Grimselsüdrampe runterfege und der jungen Rhône folge. Im Rhônetal gibt es keine spannenden Ausblicke mehr. Zu dicht engen belanglose Berge das Tal ein. Dafür begeistern Dörfer wie Ulrichen oder Ernen mit ihren urigen schwarzbraunen Holzhäusern. Unzählige Blumenkästen mit üppigen Geranien schmücken die Fensterbänke. Alles ist picobello sauber, wie in einem Freiluftmuseum. Wahrscheinlich hat die Schweiz den weltweit höchsten Pro-Kopf-Bedarf an Geranien.

Das Bild wandelt sich allerdings, je weiter ich dem Rhônetal folge. Brig, Visp und Sierre sind zumindest im Randbereich wenig schöne Großstädte, verbunden durch die E 62, über die sich viel zu viel Verkehr wälzt. Hier ist’s vorbei mit der Bilderbuch-Schweiz. Und von den Eisriesen des Berner Oberlands und des Wallis ist auch nichts zu sehen. Mir stinkt’s in der Hitze des Tals, ich will wieder Kurven fahren und richtige Berge sehen. Zum Glück führen zahlreiche Sackgassen vom Rhônetal hinauf ins Reich der Riesen.

Ich wähle das Val d’Anniviers im französischsprachigen Teil des Wallis. Über ein paar Serpentinen tauche ich wieder in die „echte“ Schweiz ein: rustikale Blockhäuser, bunte Geranienkästen, glückliche Kühe auf gepflegten Wiesen und schneebedeckte Berge. Der Reiseführer verspricht vom fast 2000 Meter hoch gelegenen Skiort Chandolin aus sogar einen Blick aufs Matterhorn, dem wohl berühmtesten Berg des Kontinents. Tatsächlich ist die weite Sicht über das grüne Tal genial. Mit Fernglas und Landkarte identifiziere ich einige 4000er wie das Zinalrothorn und den Dent Blanche. Genau dazwischen müsste das Matterhorn sein. Leider parkt dort eine graue Wolke wie festgenagelt und verhüllt das Horn der Hörner.

Motorradfahren und Bergsteigen im Wallis (2)

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Pflichtprogramm für jeden Kurvenfan: der Sustenpass.

Na gut, dann suche ich mir eben einen anderen Abstecher und schwinge zum türkisgrünen Lac Moiry. Auf 2300 Metern verhindert das raue Klima jegliches Idyll, lässt nur noch hartes, graugrünes Gras zwischen den Felsen gedeihen, garniert mit ein paar Büschen und Weidenröschen. Einige hundert Meter höher wächst fast gar nichts mehr, es beginnt das kalte Reich von Eis, Schnee und Felsen. Die 4000er sind eigentlich zum Greifen nah – und trotzdem nicht zu sehen, weil sie von langweiligen 3000ern verdeckt werden. Was fehlt, ist eine Panorama-Passstraße hinüber ins nächste Tal. Für solch kühne Projekte sind die Berge jedoch zu steil und zu hoch. Bleibt nur der Rückweg ins Rhônetal, um ein paar Kilometer weiter die nächste Sackgasse in die Berge unter die Räder zu nehmen.

Nun peile ich das Mattertal an, das touristische Epizentrum des Wallis. Es endet in Zermatt direkt vor dem Matterhorn. Und das wollen offenbar alle sehen. Stoßstange an Stoßstange wälzen sich Autos und Busse bergwärts. In Täsch, sechs Kilometer vor Zermatt, versperrt eine Schranke die Weiterfahrt. Der reichste Ort der Schweiz ist autofreie Zone. Von Täsch aus ist das Horn der Begierde aber nicht zu sehen. Stattdessen Parkplätze so groß wie am Münchner Olympiastadion und Parkhäuser wie in Downtown Köln. Wer nach Zermatt will, muss den Zug nehmen. Ich schlage dagegen lieber mein Lager auf dem örtlichen Campingplatz auf und suche auf einer topographischen Karte nach einer Alternative, um so nah wie möglich ans Horn zu kommen. Und werde fündig: Eine winzige Bergstraße klettert hinauf zur Täschalp. Sie sollte so hoch führen, dass der Blick aufs Matterhorn frei ist.

5.50 Uhr, 30 Minuten vor Sonnenaufgang. Ich kratze eine Eisschicht von der Sitzbank, starte die Honda und nehme die Alp ins Visier. Der kaum handtuchbreite Weg taucht in einen alten Kiefernwald ein und klettert konstant bergan. Bald ist die 2000-Meter-Marke geknackt. Dann eine Lichtung, die Straße kurvt um einen felsigen Vorsprung, und zack – völlig unvermittelt ragt das Matterhorn vor mir auf. Riesig, wunderschön, einzigartig. Die ersten Sonnenstrahlen tauchen den Gipfel in zartes Rosa, wenig später glüht die komplette Felspyramide in einem kräftigen Orange. Ein Schauspiel, das kaum zu überbieten ist.

Erst in Saas-Grund, das bereits im Nachbartal liegt, gönne ich mir ein längere Frühstückspause. Zwischen zwei Bissen erweckt ein riesiges Poster in einem Schaufenster eines Sportgeschäfts meine Aufmerksamkeit. Es zeigt einen vereisten Berggrat, und darüber ist zu lesen: „Mein erster 4000er“. Das Bild lässt mich nicht los. Nach dem dritten Kaffee bin ich reif, gehe hinüber in das Sportgeschäft, frage und frage und habe gut eine halbe Stunde später den Kurs „4000er im Wallis“ gebucht. Tollkühn oder abgedreht? Ich weiß es selber nicht. Motorrad fahren ist eine Sache. Hochgenial, keine Frage. Dennoch bleiben die Berge irgendwie unantastbar. Was mir im Moment offenbar nicht mehr ausreicht. Ich will mehr, will die Erschöpfung, die Gefahren, die Aussicht und das Glücksgefühl auf einem 4000er hautnah spüren. Jetzt oder nie.

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Fast ganz oben: Das Panorama am Gipfelgrat des Weissmies entschädigt für alle Mühen.

Am nächsten Abend trifft sich unsere kleine Gruppe. Birgit aus Köln, Marco aus Zürich, Gideon aus Amsterdam sowie Bergführer Schorsch, der einen wahren Wust an Ausrüstung angeschleppt hat: Seile, Gurte, Karabiner, Steigeisen und Eispickel. Sieht für Laien vielmehr nach einer Mount-Everest-Expedition denn nach Schweizer Bergwelt aus. Doch egal, ob knapp 9000 oder nur 4000 Meter, bevor es losgeht, müssen angehende Bergsteiger lernen, einen Klettergurt an-zulegen, die Steigeisen unfallfrei an die Bergstiefel zu binden und merkwürdige Knoten kunstvoll ins Seil zu flechten. Schon mal was vom Sackstich, den Halbmastwurf oder den gesteckten Prusik gehört? Na bitte. Immerhin hat die Hotelbar bis spät in die Nacht geöffnet. Ein ziemlich guter Ort, um der Übung halber an dem Tau herumzufrickeln.

Tag zwei. Mit angeschnallten Steigeisen geht es auf den Triftgletscher. Es dauert, bis ich der Gehhilfe vertraue und einigermaßen vorankomme, ohne mir ständig die scharfen Zacken in die Waden zu bohren. Schon erstaunlich, was für steile Eisflanken sich so bezwingen lassen. Abends in der Berghütte heißt es wieder: Knoten üben bis zum Abwinken.

Die Nacht ist kurz. Um vier Uhr scheucht uns Schorsch aus den Betten, eine Stunde später stehen wir am Gletscher, legen die Steigeisen an, sichern uns mit dem Seil und stapfen los. Fast 1000 Meter über uns leuchtet der Gipfel des Weissmies. Schorsch geht voran, bestimmt den Rhythmus. Vorsicht ist bei den Gletscherspalten angesagt. Die können Dutzende von Metern tief sein. Jeder Sprung über eine Spalte sorgt für maximale Adrenalinproduktion.

Plötzlich sacke ich weg, stecke bis zum Rucksack im Schnee. Die Beine baumeln frei in der Luft. Eine unsichtbare, mit Schnee bedeckte Gletscherspalte. Gut, dass der Rucksack meinen Fall aufgehalten hat und die anderen das Seil straff halten. Vorsichtig ziehe ich mich hoch auf festen Schnee. Weiter. Wir stapfen durch einen bizarren Gletscherbruch. Als ob Riesen mit Lkw-großen Eisblöcken gespielt hätten. Eine fremde und atemberaubende Welt. Letzteres auch im wörtlichen Sinn. Die Luft wird immer dünner, die Spur steiler. Trotzdem wir kommen gut voran, überholen sogar eine andere Seilschaft. Das motiviert.

Als uns eiskalter Wind Schneekristalle schmerzhaft ins Gesicht bläst, liegt er schließlich vor uns – der spektakuläre Grat, der zum Gipfel führt. Haargenau wie auf dem Poster. Nach Osten stürzt sich eine fast senkrechte Eiswand in die Tiefe. An deren Kante balanciert die Spur die letzten 200 Höhenmeter bis zum Gipfel. Die Steigeisen knirschen im eisharten Firn. Schritt für Schritt schleichen wir voran. Endlich blendet uns die Sonne, und die Steigung hört einfach auf. Der Weissmies-Gipfel, 4023 Meter hoch! Stolz, Erschöpfung und Euphorie bilden einen berauschenden Mix von Gefühlen. Wir schütteln uns die Hände, packen die Thermosflaschen aus und staunen über die überwältigende Landschaft. Im Norden ragen die 4000er des Berner Oberlands auf, im Westen die Bergpromis des Wallis, Dom, Täschhorn und die riesige Monte Rosa. Wir entdecken auch unsere nächsten Ziele, das Allalinhorn und den Alphubel. Aber jetzt geht es erst mal runter ins Tal, duschen, gut essen und ausruhen. Die Beine sind schwer wie Blei. Das fühlt sich verdammt nach Muskelkater an.

Infos Wallis

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Blick auf das Oberaarhorn samt Gletscher und See.

Der Kanton Wallis bietet nahezu alles, was Motorradler begehren: geniale Passstraßen, eindrucksvolle Gebirgslandschaften und das laut Statistik beste Wetter der Schweiz.

Anreise
Wer aus dem Nordwesten Deutschlands kommt, reist am besten über Basel und Luzern an und folgt von dort der N 8 bis Innertkirchen am Fuß von Grimsel- und Sustenpass. Die kürzeste Anreise von Süd- und Ostdeutschland führt über Lindau am Bodensee, ab dort über die N 13 bis Chur und weiter über die 19 bis Andermatt. Die Gebühr für die Schweizer Autobahn-Vignette – immerhin 27 Euro – lässt sich sparen, indem man über Landstraßen bis ins Wallis vordringt.

Reisezeit
Spätestens Anfang Juni dürften die Pässe aus dem Winterschlaf erwacht sein. Im August sind die meisten Touristen unterwegs, aber selbst dann finden sich spontan Unterkünfte. Für viele ist der September der schönste Monat für einen Alpentrip. In der Regel ist es noch angenehm warm, und die Straßen sind wieder leer. Im Oktober beginnt der farben-frohe Herbst, dann fällt auf den Pässen allerdings oft schon der erste Schnee.

Unterkunft
Die Schweiz ist ein teures Reiseland. Billiger als in Deutschland sind lediglich Benzin und die Campingplätze, von denen es im Wallis besonders viele gibt. Dort findet sich selbst im August noch Platz für ein Zelt. Für ein einfaches Zimmer müssen ab 35 Euro pro Person und Nacht gerechnet werden. Ein Tipp: „Hotel Hof & Post“ in Innertkirchen, das strategisch günstig zwischen Susten- und Grimselpass liegt und ein spezielles Angebot für Motorradfahrer bereithält: zwei Nächte inklusive Frühstück und Abendessen Kosten 100 Franken (64 Euro) pro Person. Telefon 0041/33/9711951; Internet: www.hotel-hof-post.ch.

Karte: Mairs/Maucher
Zeitaufwand: zwei Tage (Bergtour 6 Tage); gefahrene Strecke: 500 Kilometer.

Informationen
Allgemeine Infos und jede Menge Übernachtungstipps erteilt das eidgenössische Fremdenverkehrsamt „Schweiz Tourismus“, in Frankfurt, Telefon 069/2560010; Internet: www.schweiz-tourismus.de. In fast allen Orten gibt es zudem eine Touristen-information, die nicht nur Auskünfte erteilen, sondern auch Zimmer vermitteln. Um sich weiter vorab zu informieren, lohnt ein Blick ins Internet: www.saastal.ch und www.wallis.ch.

Literatur
Spezielle Wallis-Führer sucht man vergebens. Von Polyglott kommt das kleine Buch „Wallis und Westschweiz“ für 7,95 Euro. Bei Reise Know-how ist ein 670 Seiten dicker Schweiz-Führer erschienen, der 22,50 Euro kostet. Die Bibel für Motorradfahrer ist nach wie vor der „Denzel“, der jüngst in 22. Auflage erschienen ist. Das üppige Werk kostet 36 Euro und beschreibt nahezu jede befahrbare Straße in den Alpen.

Eine gute Karte für eine Pässetour: die Shell-Eurokarte Schweiz im Maßstab 1:303000 für 7,50 Euro. Das Schweizer Bundesamt für Landestopographie gibt unter anderem eine sehr gute, vierteilige Karte im Maßstab 1:200000 für das gesamte Land heraus, die pro Blatt 16,50 Franken kostet. Zu bestellen im Onlineshop unter: www.swisstopo.ch.

Infos Bergsteigen

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Das Matterhorn lockt Kletterer aus aller Welt.

Geführte Bergtouren versprechen selbst Anfängern völlig neue Eindrücke in den Alpen – das Erlebnis, einen über 4000 Meter hohen, eisgepanzerten Gipfel erklommen zu haben, dürfte einzigartig sein. Aber Vorsicht: Es besteht Suchtgefahr!

Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Einen 4000 Meter hohen Gipfel zu besteigen ist leider kein Sonntagsspaziergang. Wer schon beim Treppensteigen über fünf Stockwerke aus der Puste gerät, der bleibt besser im Tal oder gondelt mit einer Seilbahn hinauf zu den Gletschern. Andererseits muss man keinen Marathon laufen können, um einmal ganz oben zu stehen. Sie fühlen sich einigermaßen fit und treiben zumindest etwas Sport? Dann rauf auf den Berg! Einen Versuch ist es in jedem Fall wert.

Das Angebot an geführten Bergtouren ist inzwischen riesig und reicht von der einfachen Wanderung bis zur Besteigung des Mont Blanc. Je höher und schwieriger das angepeilte Ziel, desto mehr Zeit muss für die Vorbereitung eingeplant werden. Wer beispielsweise an einer Tour auf einen 4000er teilnehmen möchte, muss zuvor einen ein- oder zweitägigen Kurs zum Bergsteigen im Eis absolviert haben. Für den Anfänger kommen ohnehin nur die „leichten“ 4000er in Frage. Wer dann jedoch mit dem Gipfelvirus infiziert ist, der kann den nächsten Schritt wagen und Berggiganten wie den Monte Rosa und den Mont Blanc angehen. Noch schwieriger sind Gipfel wie der Dom oder das Matterhorn, wo außer sicherem Bewegen auf Eis auch noch Klettern im Fels gefordert ist.

Karte: Mairs/Maucher
Das Wallis ist das 4000er-Zentrum der Schweiz.

Berganfänger müssen sich zunächst mit verschiedenen, grundlegenden Techniken vertraut machen – Sicherheit ist das oberste Gebot. Das richtige Anlegen des Klettergurts gehört genauso dazu wie der entsprechende Umgang mit Knoten, Pickel und Steigeisen. Erst dann geht’s in der Regel auf einen Gletscher, um sich im Eis mit der Technik und den Bewegungsabläufen vertraut zu machen. Und es wird geübt, wie man sich in Notfällen zu verhalten hat. Dazu wird ein Teilnehmer – natürlich angeseilt – in eine Gletscherspalte hinuntergelassen, um unter fachkundiger Anleitung von der Seilschaft gerettet zu werden. Wer sich alleine auf einen Gletscher wagt und in eine Spalte stürzt, hat in aller Regel kaum eine Chance, dies zu überleben.

Ein großes Risiko birgt zudem die sauerstoffarme Luft im Hochgebirge. Bereits ab einer Höhe von 3000 Metern reagiert der Körper spürbar mit Kurzatmigkeit, einer reduzierten Leistungsfähigkeit und oftmals auch mit Übelkeit auf den abnehmenden Sauerstoffgehalt. Das einzige Mittel gegen die drohende Höhenkrankheit ist eine langsame Anpassung an die veränderten Bedingungen: Wer sich ohne Akklimatisation per Seilbahn auf das Kleine Matterhorn (3800 Meter) bringen lässt, um von dort aus einen benachbarten 4000er zu be-steigen, handelt aus gesundheitlicher Perspektive völlig verantwortungslos.

Bei einem Kurs ist ein solches Risiko ausgeschlossen. Wenn alle Teilnehmer einigermaßen sicher mit der neuen Materie vertraut sind, steht dem Gipfelsturm kaum noch etwas Weg. Der große Anstieg beginnt meist mitten in der Nacht oder sehr früh am Morgen. Eine Regel unter Bergsteigern lautet, möglichst gegen Mittag die Tour beendet zu haben oder zumindest keine gefährlichen Zonen mehr passieren zu müssen. Durch die Hitze des Tages – und auf 3500 Meter kann es überraschend warm werden – steigt die Steinschlaggefahr, der Schnee wird zudem sehr tief, weich und nass, was extrem Kraft kostet. Ein zusätzliche Gefahr geht von aufgeweichten Gletscherbrücken aus, die dann deutlich labiler als im gefrorenen Zustand sind. Wer beispielsweise die etwa zehnstündige Tour auf das Strahlhorn unternehmen möchte, wird also kurz nach Mitternacht aufbrechen müssen.

Eine entscheidende Rolle spielt das Wetter. Bei einem plötzlichen Umschwung liegt es ausschließlich im Ermessen des Bergführers, ob überhaupt gegangen wird oder falls man bereits in den Bergen unterwegs ist, wie man sich zu verhalten hat. Ein und dieselbe Tour kann sich schnell vom aussichtsreichen Genießen in einen Kampf gegen Sturm und Schnee wandeln.

Und der Lohn aller Mühen? Bei perfekten Bedingungen, also sonnig, klar und windstill, sind die Eindrücke, die sich während des Aufstiegs und vom Gipfel aus präsentieren, schlichtweg überirdisch.

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