Was macht man als 16jähriger 125er-Fahrer, wenn Papa mit seinem Kumpel und Big Bike unbedingt zum Nordkap will? Genau, man bequatscht die beiden so lange, bis man mit zehn PS plus Freundin mit darf.
Was macht man als 16jähriger 125er-Fahrer, wenn Papa mit seinem Kumpel und Big Bike unbedingt zum Nordkap will? Genau, man bequatscht die beiden so lange, bis man mit zehn PS plus Freundin mit darf.
Komme mir vor wie Danny de Vito mit der SR 125. Frank mit seinem 100-PS-Big Block neben mir steht für Arnold. Zwillinge wie aus der Filmklamotte Twins? Nicht ganz. Rüdiger mit seiner steinalten 500er Honda aus den frühen Siebzigern macht aus uns eher Drillinge. Eines haben Film und Dreigestirn unserer Maschinen jedoch gemeinsam: Sämtliche Lacher sind auf unserer Seite. Außerdem gibt´s ungefragte Tipps, von Abschleppseil bis Austauschmotor. Fantasielose Ignoranten, auch mit 125 Kubik kann man ´ne Menge Spaß haben. Vor allem bei einer Tour durch Norwegen, wo Sonnenbad am Fjord und sommerliche Schnellballschlacht am Fjell ganz nah beieinander liegen, wo sprudelnde Wasserfälle, tosende Wildbäche und weitläufige kristallklare Seen das Bild bestimmen. Aber der Reihe nach. Himmelfahrt irgendwo in Deutschland: Am Grill neben duftender Bratwurst planen Dad und sein bester Motorradkumpel den Nordlandtrip. Die Sache hat nur einen Haken: Die Reisepläne finden ohne mich statt. Starkes Stück. Findet auch Nadine, Tochter von Kumpel Rüdiger und ziemlich nett. Sie spekuliert auf einen der freien Soziusplätze, ich auf die erste große Tour mit meiner 125er. Also, höchste Zeit für Einspruch: »Hey, wir wollen mit!« Anfangs erstaunte Stirnfalten verwandeln sich irgendwann in zustimmende Überraschung. Cool, Norwegen wir kommen! Knapp drei Monate später. Wir starten die Motoren. Ein Dreh am Gasschieber, Kupplung kommen lassen, und schon rollen mein Achtelliter, Rüdigers 500 Four und Dads 1200er Bandit vom Harz in Richtung Norden. Erst auf der A 7, jenseits der Grenze dann auf Dänemarks Jütlandautobahn. Eine harte Nummer für alle Beteiligten: Ich spüre irgendwann mein Hinterteil kaum noch, und Dad und Rüdigers Nerven sind bis auf s äußerste gespannt. 80 km/h Spitzengeschwindigkeit seien kaum zu ertragen, grummeln sie bei der ersten Pause. Hätten wir doch die Fähre ab Kiel genommen! Zu spät. Jetzt müssen wir durch. Irgendwann, nach unendlich vielen schnurgeraden Kilometern, erreichen wir tatsächlich Hirtshals. Neun Stunden schlafen bis Oslo. Und hoffen, dass dann alles besser wird.Wird es. Denn in Norwegen machen Tempolimit und SR-Topspeed gemeinsame Sache wer schneller als 80 fährt, dem winkt das Ticket einer freundlichen Amtsperson, die für fünf km/h drüber bereits Taschengeld-unfreundliche 100 Mark kassiert. Der absolute Horror: 20 km/h Überschuss kosten 500 Mark und den Führerschein. Gute Karten für mich. So »pfeilen« wir also durch das Land der Trolle und Feen, lassen Tyri- und Randsfjord und die sie umgebenden, dicht bewaldeten Hügel und ganz verstreut liegenden Häuschen hinter uns. Hinter Dokka werden die Berge höher und die Luft noch klarer, was der kleinen Yamaha bestens zu bekommen scheint. Mit satten 70 auf dem Tacho ist nun Kurvenräubern angesagt. Leider müssen wir nach ner Weile auf dIE vielbefahrenen E 16 abbiegen. Die bisherige Einsamkeit - pro Stunde etwa ein Auto weicht nun zähem Kolonnenverkehr. Nichts für Frank. Kurzerhand setzt er den Blinker und biegt in eine staubende Dirtroad ab. Geschichten meines Opas werden wahr, der in den Sechzigern per Heinkelroller über Norwegens Schotterpisten düste. Damals stellte er irgendwo in der freien Natur sein Zelt auf. Wie wir heute auch. Ehrlich gesagt sind wir am nächsten Morgen ganz froh, bald wieder die Teerstraße Nr. 53 zu erreichen. Mit Vollgas erobern wir oder zumindest ich - nun die Landschaft der Fjelle. Rechts und links der Straße türmen sich Schneehaufen und Felsplatten, lediglich mit etwas Moos oder mutig blühenden Pflanzen besetzt, die es eigentlich nur im Frühjahr gibt. Sonst kein Leben weit und breit.Doch bald neigt sich das Asphaltband Richtung Tal, und das Bild ändert sich. Neben der Piste breiten sich saftige Weiden aus, Schafe und Ziegen trotten über die Fahrbahn, zwingen uns in die Warteschleife. Dann plötzlich Tunnels, eng und stockfinster, die Fahrbahn klitschnass von der tropfenden Decke. Oh Shit, mittendrin eine haarscharfe Rechtskehre mit Bodenwellen im Scheitelpunkt. Puh - gerade noch so gepackt. Die Parkbucht am Tunnelende kommt wie gerufen. Zum Durchatmen, aber auch um den Blick in die Tiefe auf den türkisfarbenen Sognefjord zu genießen, mit 204 Kilometer Norwegens längster Fjord. Fähren gehören zu Norwegens Straßen wie anderswo Leitplanken oder Ampeln. Mit rund zehn bis 15 Mark je Überfahrt hat man in Norwegen dann auch gleich das einzig Preiswerte entdeckt. Denn Urlaub hoch im Norden ist kein Sonderangebot. Die Zigarette für 80 Pfennig, das Bier im Supermarkt für fünf Mark. Unsere Maschinen rollen weiter. Meine tapfere SR, Drehzahl am Anschlag, treibt mich von null auf 1434 Meter, mitten in den Nationalpark Jotunheimen, durch schroffe, mit ewigem Eis bedeckte Berge, die sich nochmals rund 1000 Meter höher recken. Danach folgt die Mega-Abfahrt nach Lom. Nachtlager.Am nächsten Morgen steigt die Strecke in Richtung Strynfjellet nur leicht an. Meine Maschine ist wie vom Troll besessen. Ohne Unterschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nimmt der Einzylinder die Steigungen inzwischen fast wie im Flug. Weiter oben biegen wir nach Geiranger ab und schließlich auf die staubige Piste zum Aussichtspunkt Dalsnibba hinauf. Bizarre Bergketten halten scheinbar den Geirangerfjord im Tal gefangen. Am Ufer bleibt gerade noch Platz für den Ort Geiranger. Von oben wirkt er wie ein verschlafenes Nest. Bei näherem Betrachten wir ungleichen Drillinge rollen übrigens gerade mitten in einer Kolonne von Harley - aber ein von Touri-Scharen belagerter Ort. Vom Hotel Marke »Betonklotz« bis zu Plastiktrollen ist alles zu finden. Schnell weg. Und schon geht es wieder bergan. Trotz Gasschieber am Anschlag verlieren sich die Harley vor mir im Nichts. Aber nur bis zur nächsten Abfahrt. In den scharfen Kurven läuft die kleine Karre zu Topform auf und ist den schweren US-Boliden durchaus gewachsen. Auf der nächsten Fähre über den Storfjord stehen wir genauso nebeneinander wie auf der Passhöhe des Trollstigen. Doch hier gibt´s eine böse Überraschung! Eine bleierne und vor Nässe triefende Wolkenwand im Romsdalen unter uns bewahrheitet Norwegens alte Regel: Sonne im Süden, Regen im Norden. Oder umgekehrt. Keinen Bock auf einen nassen Hintern. Die anderen sehen das genauso. Also stecken wir die Sache mit dem Nordkap, gehen langsam wieder auf Südkurs, statten Hardangervidda und Setesdalen einen Besuch ab. Ich bin nicht böse über die nun kürzeren Etappen, die Schwielen am Hintern brauchen Schonung. Und so bleibt mehr Zeit für ein Sonnenbad hier oder eine Wanderung da. Wie die zur Gletscherzunge des Brikdalsbreen, die Nadine und Frank sich in den Kopf gesetzt haben. Weg mit der Motorradkluft. Zu Fuß und im sommerlichen Outfit stapfen sie aufwärts. Rüdiger und ich bleiben unten, irgendwer muss ja auf die Maschinen und das Gepäck aufpassen. Rund vier Stunden später tauchen unsere beiden Bervagabunden wieder auf. Mann, was die alles erlebt haben. Aber das lässt mich erst mal kalt. Jedenfalls bis zu Hause, wo die Fotos türkisfarbene Eisrippen zeigen, meterhoch. Darüber ein gewaltiges Monstrum, schneeweiß leuchtend im blauen Himmel. Ein Eisriese, der nun wieder täglich 18 Zentimeter pro Tag wächst, nachdem er 200 Jahre lang ständig weniger wurde. Aber auch Rüdiger und ich kommen noch zu unserem Gletscher ohne Latscherei. Gleich nach dem ellenlangen Fjærlandtunnel, durch den die kleine SR wie eine Große röhrt, schiebt sich links der Straße eine weitere Zunge des mächtigen Jostedalsbreen ins Tal. Nadine und Frank winken gelangweilt ab. Was soll´s. Gletscher ist schließlich Gletscher. Wieder am Sognefjord angelangt, steht die Fährüberfahrt von Hela nach Vangsnes an. Zeit genug für einen Gold Wing-Fahrer aus Belgien, sich intensive Gedanken darüber zu machen, ob das mit der 125er noch angenehmes Reisen sein kann. Der hats nötig. Jedenfalls zirkeln wir die nächsten Meter gemeinsam durch die Kurven. Bis zur nahezu original erhaltenen Stabkirche Hopperstad aus dem 12. Jahrhundert. Schaut übrigens nicht nur auf den ersten Blick aus wie ein auf den Kopf gestelltes Wikingerschiff. Baupläne von Kirchen dieser Art ähneln den hochseetauglichen Gefährten tatsächlich. Wieder geht es bergan. Doch noch immer quirlt die 125er unbeeindruckt wie am ersten Tag. Rüdiger kommt zur Einsicht, dass er wohl zu viel Werkzeug mitgenommen hat. Nach kargem, nahezu vegetationslosen Hochland prägt nun der riesige, weitverzweigte Hardangerfjord das Bild. Auf der auch hier unvermeidlich folgenden Fährpassage lernen wir ein paar BMW-Piloten aus Hamburg kennen. Sie sind quasi auf einem verlängerten Wochenend-Fjordtrip unterwegs. Bis zum Latefoss, einem der schönsten Wasserfälle im Norden, fahren wir im Pulk. Vorn die bajuwarischen Kraftpakete, hinten Honda und Bandit, mein Klein-Cruiser mal wieder mitten drin. Gut, dass auch die Hamburger die Geschwindigkeitsbegrenzung im Auge behalten.Und dann passiert es doch. Im Haukelifjell erwischt uns eine sommerliche Variante skandinavischen Sauwetters. Üble Winde peitschen Regengüsse über die Piste. Seit langem sind mal wieder die Inletts der Motorradkluft fällig. Regenkombis liegen zu Hause. Ein befreundeter Biker redete uns das aus: »Eure Klamotten sind sowieso dicht, Regenhäute braucht damit kein Mensch mehr.« Sein Glück, dass er Recht behält. Erst gut zwei Stunden später treten wir den Rückzug in eine gemütliche Hütte im Setesdalen an. Das letzte Quartier unseres Trips.Was jetzt bis nach Hause noch fehlt, ist das nun schon bekannte Szenario: Fähre, diesmal ab Kristiansand, dann der Langweiltörn durch Dänemark, später folgt der obligate Stau im Elbtunnel und die restlichen Kilometer auf der A 7 Richtung Heimat. Da werde ich dann 3500 Kilometer mehr auf dem Tacho und vor allem auch im Hintern haben. Lob der nimmer müden Yamaha. Obwohl ich ein ganz leichtes Zittern verspüre, als ich ihr sanft über den Tank streiche und schon mal klarmache, dass der Norden Norwegens nicht vergessen, sondern nur verschoben ist - auf nächstes Jahr.
Norwegen, das Land voller Gegensätze, gehört ganz sicher zu den schönsten Regionen Europas, verwöhnt mit genialen Strecken, Fjorden und Gebirgen - für Norddeutsche die bewährte Alternative zu den weit entfernten Alpen. Wer sich ein wenig Zeit nimmt, wird eigentlich an jeder Ecke fündig und bewältigt die Strecke dann sogar problemlos im Familienverbund mit Minimal-Motorisierung.
Anreise/Fähre: Über Hamburg auf der A 1 nach Kiel zum Oslokai oder auf der A 7 und der Jütlandautobahn über Dänemark nach Frederikshavn, Hirtshals oder Hanstholm zu den dortigen Fährhäfen. Die Passage von Kiel nach Oslo dauert rund 19 Stunden und ist eigentlich der ideale Weg, da man die Nacht an Bord verbringt und nicht nur relaxen kann, sondern einen ganzen Urlaubstag gewinnt. Preis je Person und Motorrad ab etwa 266 Mark pro Strecke. Eine günstigere Alternative stellt die Fährverbindung Hirtshals-Oslo nur auf den ersten Blick dar. Pro Person und Maschine zahlt man hier nur 147 Mark je Passage, hat aber den Nachteil der langen, ermüdenden Anfahrt. Außerdem ist man tagsüber auf See und erreicht Oslo erst am Abend. Von Hirtshals kann man auch nach Kirstiansand übersetzen, Preise ebenfalls ab 147 Mark. Infos in jedem Reisebüro, beim ADAC oder als große Übersicht im MOTORRAD-Fährenspezial in Heft 15/1999. Reisezeit: Zwischen Anfang Juni und Mitte September kann man dem Land der Wikinger guten Gewissens einen Besuch abstatten. Geradezu ideal wird es, wenn man dann noch während eines stabilen Skandinavienhochs starten kann. Übrigens, es gibt eine recht verlässliche Faustregel in Sachen Wetter: Ist es im Süden schön, dann hat der Norden oft mit miesem Wetter zu kämpfen und umgekehrt. Wetterfeste und warme Kleidung gehört auf jeden Fall ins Gepäck.Die Strecke: Der ursprüngliche Plan, bis zum Nordkap zu fahren, wurde unterwegs zu Gunsten einer Runde durch Südnorwegen modifiziert. Auch wenn das Wetter den Ausschlag gab, ist die Entscheidung vor allem hinsichtlich der kleinen 125er mehr als richtig gewesen. Denn eine Nordkap-Tour bedeutet vor allem eines: Kilometer fressen. Bei ihrem Abbruch hatte die vier gerade mal das erste Drittel der Strecke dorthin bewältigt. Und damit den schönsten Teil. Denn wer die landschaftlichen Highlights Norwegens sucht, findet sie nicht im hohen Norden, sondern im Süden. Und auch nicht an den Durchgangspisten, sondern auf den kleinen Gebirgsstraßen, die bereits einen dreiwöchigen Urlaub spielend ausfüllen.Übernachten: Norwegen ist von je her Campingland. Hotels unterliegen der Luxussteuer und sind daher recht teuer. Hütten (Hytter), die es überall zu mieten gibt, dürften für Biker allerdings die beste Übernachtungsmöglichkeit sein. Der Camping-Preis liegt etwa bei zehn Mark pro Nacht und Nase. Eine Vierbetthütte kostet für vier Leute zwölf bis 15 Mark pro Nacht und Person. Wer Hütten bevorzugt, kann also bis auf Schlafsack und Handtücher platzraubende Campingutensilien zu Hause lassen. Ein Hüttenverzeichnis bekommt man bei NORTRA (siehe unten).InformationenNorwegisches Fremdenverkehrsamt NORTRAPostfach 760820, 22058 Hamburg, Telefon 0180/5001548.Literatur: Klein, aber fein präsentiert sich der Marco Polo-Reiseführer Norwegen für 14,80 Mark. Wer mehr wissen möchte, greift am besten auf das gleichnamige Werk von Apa Guide für 44 Mark zurück. Sehr genaue Karten kommen von Kümmerly & Frey in 1:350 000. Baedeker liefert in seinem Norwegenband für 39,80 Mark sogar eine recht genaue Straßenkarte mit. Viele Tipps und Streckenvorschläge speziell für Biker enthält der Band »Skandinavien« der Edition Unterwegs. Erhältlich im Buchhandel oder im MOTORRAD-Shop, Telefon 0711/182-xxxx für 29,80 Mark. Gefahrene Strecke: Rund 2000 KilometerZeitbedarf: minimum 14 Tage