Aileen und Christian ist die Aufregung beim ersten Hallo am Vorabend der Tour anzumerken. Mit einem Rennfahrer über öffentliche Straßen düsen, noch dazu, wenn der sich genau auskennt – hoffentlich geht das gut! Dass die 32-Jährige in ihrem harten Alltag als Rettungssanitäterin schon etliche verunfallte Motorradfahrer eingesammelt hat, macht es nicht besser.
Während des Abendessens in Max Neukirchners Stammkneipe in Stollberg weicht die Aufregung der beiden Gewinner aber merklich. Die Freude, aus zahlreichen Bewerbungen der PS-Abonnenten für diese außergewöhnliche Hausstrecken-Episode ausgelost worden zu sein, ist dem Pärchen besonders anzumerken, als Max Neukirchner locker über die bevorstehenden zwei Tage im Erzgebirge und das Leben als Profi-Rennfahrer plaudert.
Frühmorgens schwingt sich die Truppe dann unter dem etwas tristen Herbsthimmel in die Sättel. Aileens leicht betagte Kawasaki ZX-6 mit dem martialisch aussehenden Doppelauspuff entpuppt sich gleich als die Krawall-Möhre im Feld, während Freund Christian eine neuere Hayabusa sein Eigen nennt. Max, vom Sturz beim WM-Lauf in der Türkei noch am Handgelenk lädiert, zieht die entspannte Sitzposition der Ducati Diavel einer Panigale vor, und nachdem der Autor die Hausstrecken-GSX-R 1000 abgeladen hat, geht es los.
Aufbruch im morgendlichen Berufsverkehr
Im morgendlichen Berufsverkehr wedeln wir durch die Außenbezirke von Chemnitz Richtung Schloss Augustusburg und erfreuen uns dann an den ersten Kurven im ländlichen Sachsen. Die Ausläufer des Mittelgebirges mit unzähligen runden Kuppen begrüßen uns. Sie bereiten für Motorradfahrer ein wunderschönes Terrain, denn sowohl die Aussichten als auch das stetige Up-and-down der Straßen sind schlicht zum Genießen – wenn auch einige Herbst-Baustellen mit Umleitungen und wilde Holperstrecken den Spaß hin und wieder schmälern.
Aber Max hat die Route im Griff, und bei der Auffahrt zur Burg lassen wir die Kisten dann richtig fliegen. Links, rechts geht es flott durch den Wald zur riesigen Anlage hinauf, die neben Jagd-, Kutschen-und Tiermuseum eine der imposantesten Sammlungen speziell deutscher Motorräder beheimatet. „Hier war ich schon als Kind ganz oft“, erzählt Neukirchner und gibt zu, dass ihn als kleinen Jungen die ausgestopften Tiere mehr beeindruckt haben als die Motorräder.
Vorbei an MZs, DKWs, BMWs und heute kaum noch bekannten Marken aus über 100 Jahren Motorrad-Geschichte landen wir bei den MZ-Rennmaschinen, die im nicht weit entfernten Zschopau gebaut wurden und mit feinster Zweitakt-technik den Grand Prix besonders in den kleineren Klassen geprägt haben. Ehrfürchtig bestaunen wir die Maschinen, mit denen auch Papa Neukirchner mehrfacher DDR-Meister wurde. Zum Abschluss liefert sich PS-Leserin Aileen auf einem Simulator noch ein Rennen mit Max, dann geht es weiter nach Seiffen, dem Herz der Schnitzkunst aus dem Erzgebirge.
Je näher man der Heimat von Räuchermännchen und handbemalten Engelchen kommt, desto spektakulärer werden die Plastiken in den Kreisverkehren oder auf den Vorplätzen der dörflichen Rathäuser. Gigantische Schnitzfiguren und haushohe Weihnachstpyramiden lassen keinen Zweifel, wir sind im Mekka der sächsischen Volkskunst. Man kommt sich vor wie mitten in der Geschichte vom Nussknacker.
Auf kurviger Strecke ins Erlebnisbad
Jenseits der Dorfgrenzen liegt dagegen das Paradies für Kurvenwütige. Mal geht es auf feinem Asphaltband schwungvoll durch abgemähte Wiesen, mal durch Alleen bergauf oder Laubwälder in tiefe Täler hinab. Da der Herbst noch nicht brutal zugeschlagen hat und das bunte Laub noch hauptsächlich an den Bäumen hängt und nicht wie Schmierseife auf der Straße liegt, lässt Max die Diavel fliegen – und die Meute hetzt hinterher.

Schließlich erreichen wir in Seiffen die Firma Zeidler, die neben den bekannten Erzgebirgsschnitzereien bereits seit 2002 Holzknieschleifer aus heimischer Buche herstellt, die Max seit geraumer Zeit in der WM einsetzt. Firmenchef André Zeidler zeigt uns die komplette Produktion und erklärt die Entwicklungsarbeit. Im Lager dürfen die PS-Leser dann zugreifen und sich ein paar Schleifer aussuchen.
Nach dem Mittagessen geht‘s zurück auf die Landstraßen, die ehemalige Bergrennstrecke zum Schwartenberg hinauf, weiter zum Wintersport-Mekka Klingenthal und auf den Fichtelberg hoch. Entlang der tschechischen Grenze führt die Route durch ganz dünn besiedeltes Gebiet mit märchenhafter Landschaft, die teilweise an Kanada erinnert, zum Zielort Eibenstock.
Dort hat Max eine Überraschung parat: Wir sind Exklusiv-Gäste in den Badegärten Eibenstock, einer der größten deutschen Bade- und Saunaeinrichtungen und ein echter Erlebnis-Tipp. Nach einer ausgiebigen finnischen Rauchsauna mit Birkenzweig-Ritual, einem zünftigen Abendessen mit frischen Räucherforellen und russischem Bier und anschließendem Lagerfeuer unter freiem Himmel geht spät ein spektakulärer und an Eindrücken reicher Tag zu Ende.
Die Rückfahrt nach Stollberg am nächsten Morgen wird durch einsetzen–den Regen zwar etwas getrübt, aber Max Neukirchner verabschiedet in seinem Heimatort zwei glückliche PS-Helden-Club-Mitglieder, die wirklich etwas ganz Besonderes erleben durften.
Das Erzgebirge
Die von Max Neukirchner ausgesuchte Hausstrecke bietet alles, was das Motorradfahrer-Herz begehrt. Nach dem Umschiffen von Chemnitz bewegt man sich in aller- feinstem ländlichen Gebiet in teilweise extrem verkehrsarmen Gegenden.

Die Straßen sind wunderbar mit Kurven gespickt und überwiegend gut asphaltiert. Zahlreiche Burgen, Ruinen, malerische Dörfer und andere Sehenswürdigkeiten laden genauso zu Pausen ein wie viele Gasthöfe mit regionalen Spezialitäten zu meist sensationellen Preisen.
Unser Übernachtungs-Tipp: die Badegärten in Eibenstock (www.badegaerten.de). Ab Sommer 2014 locken dort zusätzlich umgebaute Holzwagen für Motorradfahrer rund um einen riesigen Naturpool und Saunabecken unter freiem Himmel. Inhaber Hendrik Pötter ist selbst begeisterter Motorradfahrer und hat etliche Routen-Tipps parat. Die Knieschleifer aus Seiffen gibt es übrigens bei Louis.