Sie dauert nur drei Tage, und nur die wenigsten erreichen das Ziel: Die Roof of Africa in Lesotho gilt als eine der härtesten Rallyes überhaupt. Zwei Enduro-Touristen haben das Spektakel beobachtet.
Sie dauert nur drei Tage, und nur die wenigsten erreichen das Ziel: Die Roof of Africa in Lesotho gilt als eine der härtesten Rallyes überhaupt. Zwei Enduro-Touristen haben das Spektakel beobachtet.
Nichts geht mehr in Maseru. Sämtliche Straßen der Hauptstadt Lesothos sind für den öffentlichen Verkehr gesperrt, unzählige Neugierige drängeln sich auf den Bürgersteigen, dann fällt der Startschuß für den irrwitzigen Auftakt zur Roof of Africa, eine der härtesten Rallyes der Welt: »Round the houses« heißt das Sprintrennen, bei dem die Teilnehmer - egal, ob auf zwei oder mit vier Rädern unterwegs - mit Vollgas durch die Gassen rasen, nebenbei das örtliche Polo-Feld umpflügen und schließlich noch einen kurzen Gelände-Ausritt absolvieren. Abends an der Hotelbar sind die Stollenritter und Vierradfahrer noch guter Laune. In zwei Tagen werden sie urlaubsreif sein und die meisten nicht einmal das Ziel erreicht haben - dennoch melden sich viele geich wieder zum Start im nächsten Jahr.Achim und ich sind zwar auf Enduros in Lesotho unterwegs, aber nicht als Rallye-Teilnehmer, sondern um in dem kleinen südafrikanischen Königreich Urlaub zu machen. Da wir uns als Off Road-Fans das Spektakel dieser Veranstaltung nicht entgehen lassen wollen, werden wir mit Tour-Guide und mehrfachen Roof-Teilnehmer Hilton Hayword zu den spektakulärsten Stellen der diesjährigen Ausgabe fahren. Auf Eselspfaden, die zum Teil über steile Bergrücken führen, quälen sich Auto- und Motorradfahrer, durch Schlamm und über grobes Geröll, durch brusttiefe Flüsse und - wenn das Wetter verrückt spielt - durch Schnee und Eis. Der Traum der Veranstalter: A Roof without a finisher, eine Rallye, bei der alle ausfallen, keiner ins Ziel kommt.Für heute Nacht haben auch wir uns, wie die Rallye-Teilnehmer, im vornehmsten Hotel des Landes, dem Lesotho Sun Hotel, einquartiert. Für ein paar Tage verwandelt sich die Nobelherberge in ein mehrstöckiges Fahrerlager, wird mit dreckverschmierten Cross-Stiefeln über rote Läufer und Marmorplatten gestapft. Vor dem Hotel scharen sich neugierige Südafrikaner um unsere Viertakt-Enduros. Die KTM LC 4 mit ihrem dicken orangen Tank ist auch während einer Rallye mit einem internationalem Teilnehmerfeld eine Exotin.Am zweiten Tag der Roof, dem ersten richtigen Fahrtag, haben wir uns an einem Kontrollpunkt an einem zirka 20 Meter breiten Fluß postiert, dessen Wasserspiegel wegen der starken Regenfälle in den letzten Tagen deutlich angestiegen ist. Nach einiger Zeit hören wir das erste Motorrad - bis das Geräusch plötzlich verstummt. Nach kurzer Suche entdecken wir eine verschlammte Gestalt mit Helm. Zusammen mit einem Trupp jugendlicher Basuto, der vorherrschenden Bevölkerungsgruppe in Lesotho, watet er durch den Fluß, stochert in der schlickigen Brühe herum und zieht schließlich mit Hilfe seiner neuen Fans das Motorrad heraus. Kein außergewöhnlicher Vorfall bei dieser Rallye. Und anders als bei einem Rennen in Europa, wo eine entsprechende Sektion gestrichen wird, wenn das Wasser bis über die Zylinder reicht, fragt in Lesotho niemand nach der Wassertiefe bei einer Flußdurchquerung. Nicht selten mit dem Resultat, daß Motorräder einfach weggeschwemmt und oft erst am nächsten Tag geborgen werden können - wenn überhaupt.Schlimmer als den Enduristen ergeht es den Auto-Piloten: Fast alle bleiben in den Flüssen stecken - am Abend haben nur drei von 40 gestarteten Geländewagen das Tagesziel erreicht. Dabei sollen die ersten 200 Kilometer eigentlich nur der Einstimmung dienen. Richtig zur Sache geht´s bei der Roof erst auf den steilen Gebirgspässen - sofern die Fahrer überhaupt die Route dorthin finden: Die Basuto haben einen Heidenspaß daran, die kleinen Richtungspfeile, die die Veranstalter an Bäumen und Felsen angebracht haben, einfach umzudrehen.Obwohl wir als Zuschauer die schlimmsten Passagen umfahren und nur ahnen können, was sich dort im Gelände abspielt, müssen unsere KTM dennoch einiges einstecken. Über Stock und Stein balancieren wir die Enduros durch eine eindrucksvolle Bergwelt - bis wir nach zwei Stunden selbst vor einem tiefen Fluß stehen. Doch wir haben Glück, treffen einen Basuto, der mit seinem Pferd ebenfalls auf die andere Seite will und uns zu einer Furt flußaufwärts führt. Wir können uns nur per Zeichensprache verständigen und lesen seinen größten Wunsch buchstäblich von seinen Augen ab: Er will einmal auf einem unserer Motorräder sitzen - und wir dürfen im Gegenzug sein Pferd besteigen.Zurück im Sattel unserer KTM, umfahren wir die nächsten Rallye-Etappen und staunen - obwohl auf relativ guten Pisten in Richtung Roma unterwegs - über die für Europäer gewöhnungsbedürftige Streckenführung in der Bergwelt Lesothos: Linkskurven drehen mittendrin steil nach rechts, oder der Weg knickt hinter einem Hügel ohne Vorwarnung im rechten Winkel ab. Aber anders als die Rallye-Teilnehmer erreichen wir unsere Herberge in der kleinen Stadt, die nur rund 30 Kilometer von Maseru entfernt ist, ohne größere Blessuren.Früh am nächsten Morgen führt uns unser Guide zu einer besonders schwierigen Sektion der Roof: der »Boiler«, ein schmaler Pfad, der sich schwindelerregend steil über Geröll und hohe Felsenstufen einen Berg hinauf windet. Einige der Spitzenfahrer schaffen diese Etappe in knapp einer Stunde, während der Rest des Felds hier der Verzweiflung nahe ist. Die Stollen greifen längst nicht mehr auf dem losen und rutschigen Untergrund, keiner kommt ohne fremde Hilfe voran, und Fahrer wie Motoren stehen vor dem Hitzekollaps. Wir beobachten einen südafrikanischen Teilnehmer, der sich neben seinem defekten Motorrad einfach ins nasse Gras legt. Doch von Enttäuschung keine Spur: Sein Lächeln verrät, daß er froh ist, überhaupt so weit gekommen zu sein - und daß die Qual nun für ihn vorbei ist.Auch wir können ab hier der Roof nicht mehr folgen und rauschen über eine relativ gute Piste bis zu einem Fluß in der Nähe eines Basuto-Dorfs. Einige Frauen waschen dort ihre Wäsche, und auch wir kühlen im Wasser nicht nur unsere Gesichter, sondern spülen endlich den zähen und schweren Matsch von unseren Stiefeln, mit denen wir kaum noch schalten oder bremsen konnten. Doch trotz der enormen Hitze gönnt uns unser Guide nur eine kurze Pause, führt uns schließlich weiter über kleine Pfade, bis uns das Panorama oben in den Bergen glatt die Sprache verschlägt: Auf einem schmalen, drei Kilometer langen Grad zwischen zwei Bergspitzen schauen wir rechts und links in tiefe Täler. Sattes Grün, so weit der Blick über dieses gewaltige Land reicht. Dazu der Wind, der in kräftigen Böen über den Kamm pfeift. Schließlich erreichen wir den 2847 Meter hohen Sani-Paß, auf dem sich Afrikas höchstgelegenes Gasthaus befindet. Zu sehen ist allerdings nichts: Eine große Wolke hüllt alles in dichten Nebel.Am nächsten Morgen machen wir in aller Herrgottsfrühe Feuer im Kamin. Wir fühlen uns fast wie in den Alpen. Die ersten Sonnenstrahlen lösen allmählich die Wolken auf, mehr und mehr sind die schier endlosen Spiralen der Schotterpiste des Sani-Passes unter uns zu erahnen. Ein grandioser Ausblick. Für derlei Schönheit haben die gestreßten Roof-Teilnehmer weder Zeit noch Sinn. Die meisten der 150 Starter sind ohnehin ausgeschieden, und die wenigen, die es bis ins Ziel nach Maseru geschafft haben - 22 Motorrad-, zwei Auto- und ein Quadfahrer - werden in diesem Moment noch hundemüde in ihren Betten liegen, froh darüber, es überstanden und die schlimmsten Berg-Etappen, den Baboons- und den Slide your Ass-Paß, gemeistert zu haben. Der Traum der Veranstalter - eine Roof without a finisher - ist also auch in diesem Jahr nicht in Erfüllung gegangen.
Es muß ja nicht gleich eine Rallye sein: Das in Südafrika gelegenen Königreich Lesotho bietet besonders in den Drakensbergen tolle Strecken auch für touristisch orientierte Enduristen.
Anreise: Flugverbindungen nach Lesotho gibt es nur von den großen südafrikanischen Flughäfen Johannesburg, Durban oder Kapstadt. Wer auf dem eigenen Motorrad anreist, sollte den landschaftlich besonders attraktiven Sani-Paß über die Drakensberge - das »Dach Südafrikas« - im Osten Lesothos unter die Räder nehmen. Für Lesotho ist ein Visum erforderlich, das man sich am besten schon vor Reise besorgt. Entsprechende Infos gibt es bei der Botschaft des Landes in Bonn, Telefon 0228/308430. Weitere Infos über Anreise, Übernachtung und Landeskunde sowie zahlreiche Routenvorschläge stehen in dem Baedeker-Reiseführer »Südafrika« für 59,80 Mark, der in einem ausführlichen Kapitel Lesotho beschreibt.Reisezeit: Ins südliche Afrika reist man am besten im europäischen Spätherbst, also im südafrikanischen Frühling. Zwar kann dann in den höheren Regionen noch Schnee liegen, aber die milden Temperaturen erlauben - anders als im glutheißen Sommer - ein angenehmes Reisen.Organisierte Touren: Wer als Teilnehmer bei der nächsten Ausgabe der Roof of Africa (Termin XXXXXXXX) starten möchte, kann sich an den Rallye-Piloten Dirk von Zitzewitz wenden. Infos und Anmeldung unter Telefon XXXXXXX.Der südafrikanische Enduro-Meister Hilton Hayword bietet in seiner Heimat organisierte Motorrad-Reisen an, die zum Teil auch durch Lesotho und dort - sofern möglich - entlang der anspruchsvollen Strecken der Roof führen.Termine, Preise und weitere Infos gibt es bei Pasjona Safari Reisen, Abtstor 19, 36037 Fulda, Telefon 0661/76083, Fax 0661/79115.