Auf der einen Seite die bebende Metropole Neapel. Laut, hektisch und liebenswert. Auf der anderen traumhafte Strecken entlang der Küste sowie im Hinterland der Stadt - und im Blick stets der gewaltige Vesuv. Ein absolutes Highlight für Italien-Fans.
Auf der einen Seite die bebende Metropole Neapel. Laut, hektisch und liebenswert. Auf der anderen traumhafte Strecken entlang der Küste sowie im Hinterland der Stadt - und im Blick stets der gewaltige Vesuv. Ein absolutes Highlight für Italien-Fans.
Leise säuselt der Bigblock unter mir. Die Suzuki hat eine kurze Verschnaufpause. Diesmal zwar nicht wegen unvermeidlicher Mautstationen mit der immer gleichen Prozedur: Handschuhe aus, Geldbeutel und Lire rauskramen, Portemonnaie wieder wegpacken und trotz des hupenden nächsten Zahlungswilligen die Handschuhe wieder anziehen. Nein - am Stadtrand von Neapel steht die erste Ampel auf Rot. Knapp 1000 Kilometer hat die Bandit bereits seit dem Start in Bozen zurückgelegt. Bereits in den Alpen begleitet mich zwar schon Sonnenschein, dennoch war es noch beißend kalt. Erst ab Verona erreichten Temperaturen wie Strecke dann bestes Bike-Niveau. Ich lasse die sonnendurchfluteten Weiten der Toskana gerade noch mal Revue passieren, als vor mir ein Gefährt aus dem Millionenheer italienischer Roller trotz Rotlicht langsam auf die Kreuzung fährt. Jetzt pirschen sich seine kleinen Räder über die abgewetzte Haltelinie, und der unbehelmte Kopf des Fahrers reckt sich nach vorn. Ein kurzer Blick, erst rechts, dann links, dann heult der Zweitakter auf und düst ungehemmt über alle Fahrspuren davon.Während sich mir noch die Nackenhaare am unteren Helmrand sträuben, quetscht sich ein Kleinwagen an mir vorbei in die erste Reihe. Man braucht keine Wette abzuschließen, daß jetzt die gleiche Prozedur wie eben folgt. Kaum ist auch der PKW unerlaubt über die Kreuzung verschwunden, springt die Ampel auf Grün. Ohne Vorwarnung. Die Motoren der hinter mir stehenden Fahrzeuge bellen fast synchron zu einem Mark und Bein erschütternden Konzert auf, einen Wimpernschlag später gleicht das Szenario einem Formel 1-Start. Mit Vollgas werden die hundert, vielleicht zweihundert Meter bis zur nächsten Ampel überbrückt. Die pünktlich beim Ankommen auf Rot springt. Was einige Fahrer wiederum wenig stört und nicht daran hindert weiterzufahren. Mitteleuropäische Verkehrsregeln scheinen in Süditalien höchstens zum Überschreiten da. Jeder Meter, ach was, Zentimeter freie Straße wird genutzt, um zügig - und darauf liegt die Betonung - voranzukommen. Die allgegenwärtigen Carabineri drücken dabei ständig beide Augen zu. Vermutlich sind sie froh, daß der Verkehr in Neapel überhaupt einigermaßen rollt.Einige Kreuzungen weiter parkt die Bandit endlich in der hoteleigenen Tiefgarage. Ein beruhigendes Gefühl, da die Stadt nicht unbedingt den Ruf eines sicheren Pflasters genießt. Sein Fahrzeug sollte man hier ausschließlich auf bewachten Plätzen abstellen. In meinem Hotelzimmer gönne ich mir nach der langen Anreise erst mal das längst verdiente Duschbad. Ausgiebig. Dabei kreisen die Gedanken um die bisherigen Eindrücke. Vor allem die landschaftlich äußerst reizvolle Strecke südlich von Rom läuft noch einmal vor meinem inneren Auge ab, dort, wo ab Terracina die Berge schroff und leuchtend wieder nah ans türkisfarbene Meer rücken. Aussichten ohne Ende, und immer wieder kleine, lebhafte Hafendörfer. In den bunten Nußschalen waren die Fischer überall damit beschäftigt, ihren Fang an Land zu ziehen. Erst bei Pozzuoli entschied ich mich wieder für die mautpflichtige Autobahn, wie in vielen Städten klangvoll Tangentiale auch hier genannt, um zügig ins bebende Zentrum von Neapel zu gelangen. Gerade als der letzte Staub des ausklingenden Tages im Duschablauf verschwunden ist, lockt mich die abendliche Lichtstimmung ans Hotelfenster. Der alles überragende Vesuv - sein Name stammt übrigens aus der alten oskischen Sprache und bedeutet nichts anderes als Rauch - verabschiedet sich im rötlichen Abendlicht fast schon ein wenig kitschig zur Nacht.Der nächste Morgen beginnt mit einem für italienische Verhältnisse recht üppigem Frühstücksbüffet. Neben Semmeln, Schinken und Käse werden unzählige Variationen an süßem Gebäck bis hin zu erlesenen Kuchenstückchen serviert. Dazu ein Cappuccino, wie es ihn eben nur in Italien gibt. Lecker. Gut gestärkt, mache ich mich auf den Weg nach Pompeji. Die bekannte Stadt der Antike, ehemals gebaut für reiche Sommerfrischler aus Rom, fand im Jahr 79 bei einem verheerenden Ausbruch des Vesuv ihr abruptes Ende. Doch der Vulkan begrub nicht nur Pompeji, sondern auch die Orte Herculaneum und Stabiae unter einer 15 Meter hohen Schicht aus Asche, Schlamm und Geröll. Wer die Rauchzeichen, die der Vulkan in immer kürzeren Abständen gab, ignorierte, und nicht das Weite suchte, wurde Opfer dieser Naturkatastrophe - etwa 2000 Menschen wurden damals bei lebendigem Leibe begraben. Mangels Luftzufuhr unterlagen viele Körper jedoch keiner Verwesung und einige werden heute als Exponate in Pompeji ausgestellt. Makaber, makaber.Viel beeindruckender als die Toten präsentiert sich der Ort selbst. Seine Weitläufigkeit überwältigt mich - man könnte Tage hier verbringen und hätte doch nicht alles gesehen. Während des zwar nicht weiten, aber trotzdem mehrstündigen Streifzugs durch alte Gemäuer voll römischer Geschichte ergibt sich ein Gefühl tiefster Bewunderung für die ungezählten Teams von Archäologen samt Helfern, die seit 250 Jahren hier die Überreste der Vergangenheit freilegen.Von Pompeji fahre ich weiter nach Nocera, wo südlich ein feines Sträßchen Kurve um Kurve durch die karge Bergwelt der Monti Lattari abzweigt. Die Luft weht warm durch das Visier, und spätestens bei Amalfi habe ich vergessen, daß auf dem Kalender immer noch Winter ist. Erst durch geschlossene Hotels und Restaurants sowie menschenleere Strandpromenaden an der Costa Amalfino wird mir diese Tatsache wieder bewußt. Vielleicht besser so, denn in der Hochsaison tobt hier bestimmt nicht nur neben der Straße das Leben. So kann man die herrliche Strecke zurück nach Napoli, immer an der Steilküste entlang, zu deren Füßen weit unten das Meer an die Felsen brandet, wenigsten auch mal allein genießen. Aber mir steht der Sinn nach noch mehr Abgeschiedenheit, nach noch mehr Kurven. Ab Vico Equense beschließe ich, den Wegweisern in Richtung Monte Faito zu folgen. Zunächst führt die Straße an immergrünen Oliven- und Zitrusbäumen entlang bergan, während weiter oben das Land zunehmend karger, die Aussichten aber immer grandioser werden. Vor dem endgültigen Rückweg zum Hotel genieße ich den Blick über tief unter mir liegenden Golf von Neapel und der angrenzenden Stadt, von deren brodelnder Hektik man hier oben in der Einsamkeit der Berge nichts mitbekommt.Der nächste Tag steht im Zeichen des Vesuv. Langsam umrunde ich den gewaltigen Berg, an dessen Flanken die Dörfer Cercola und Ottaviano liegen. Schließlich weisen ab Ercolano unübersehbar eine Reihe von Schilder und Tafeln den Weg hoch zum Gipfel des Vulkans. Bis zum Krater nimmt man zahlreiche Kurven unter die Pneus und lernt etliche Kehren mit rutschigem Pflaster kennen. Rund 1000 Meter über dem Meeresspiegel endet die Straße auf einem bewachten Parkplatz, und das letzte Stück muß zu Fuß zurückgelegt werden. Mag ja mit entsprechendem Schuhwerk, roten Socken und den passenden Hosen ein netter Spaziergang sein, in den Motorradklamotten dauert es jedenfalls, bis ich schließlich schwitzend den Kraterrand erreiche. Doch kaum habe ich den Schweiß aus den Augen gewischt, zieht mich der Anblick des offenen Berges völlig in seinen Bahn. Aus den Tiefen des Kraters steigen gewaltige Dampfwolken empor. Ein geradezu mystisches Szenario, aber auch ein beängstigendes. »Was ist, wenn...« frage ich mich, verwerfe den Ansatz übermäßigen Respekts aber gleich wieder. Schließlich wird der einzige aktive Vulkan auf dem europäischen Festland rund um die Uhr akribisch genau beobachtet und auf jede auch noch so kleine Aktivität hin abgehorcht und gemessen. Immerhin lebt ganz Neapel unterhalb dieser Zeitbombe.Ein wenig beruhigter lasse ich den Blick dann über die Stadt schweifen. Am Abend werde ich mich dort wieder ins Gewühl der niemals schlafenden Innenstadt stürzen. Der Palazzo Reale, Residenz des letzten neapolitanischen Königs und heute unter anderem Sitz der Nationalbibliothek, ist eines meines Ziele. Außerdem werde ich dem Castel Nuovo, erbaut von Karl von Anjou und 1282 bei Gründung des Königreichs Neapel zunächst Regierungssitz, einen Besuch abstatten. Vielleicht ist sogar noch Zeit für das in der Nähe des Hafens auf eine Felseninsel gebaute Castel dell´Ovo, das spannenderweise nur über einen Damm durchs Meer zu erreichen. Einiges werde ich werde ich wahrscheinlich nicht mehr schaffen, wie zum Beispiel das über 250 Jahre alte Teatro San Carlo, eines der größten Theater Europas und durch grandiose Operninszenierungen zu einem der bekanntesten Schauspielhäuser diese dieses Planeten. Oder das Nationalmuseum, in dem eine große Sammlung griechisch-römischer Malereien aus Pompeji und Umgebung ausgestellt wird. Oder die tollen Kirchen, allen voran das ehemalige Dominikanerkloster, wo einst Thomas von Aquin lebte und lehrte - tagelang könnte ich durch Napoli streifen, um alles zu sehen. Aber soviel Zeit bleibt nun nun leider doch nicht mehr, auch wenn es die Kultur es hier eigentlich verlangen würde. Aber die genialen Motorradstrecken fordern dies genauso. Für den Heimweg überlege ich, die Rückfahrt über Foggia und dann entlang der Adriaküste zu fahren. Nicht gerade der direkte Weg, aber eine reizvolle Alternative.Als ich Neapel endgültig verlasse, genieße ich fast schon das Verkehrschaos in dem Gewussel von holprigen Sträßchen und engen Gäßchen. Dabei geht mir ein Zitat Goethes durch den Kopf, das ich mal irgendwo gelesen habe und in etwa so lautet: »Gott, vergib denen, die in Neapel ihre Sinne verloren.
Der Küstenabschnitt rund um Neapel gehört zu den attraktivsten Italiens und im Umland finden sich Strecken, die zum Motorrad fahren wie geschaffen sind. Nicht minder spannend ist übrigens Neapel selbst.
Anreise: Der schnellste Weg führt über den San Bernadino-Paß, Gotthardt oder Brenner via Bologna, Florenz und Rom auf der mautpflichtigen Autostrada nach Neapel. Die Gebühren betragen für die Hin- und Rückfahrt zirka 140 Mark. Schöner und vor allem mautfrei bietet sich ab Florenz der kleine Umweg über Livorno und die Via Aurelia an. Ab Rom folgt man dann der Via Appia oder der Küstenstraße in Richtung Neapel. Wer die Anreise verkürzen will, gelangt per Autoreisezug beispielsweise von Hannover, Berlin oder Frankfurt nach Bozen. Pro Person und Motorrrad sind hin und zurück je nach Saison ab 489 Mark zu zahlen. Infos und Reservierung unter Telefon 01805/996633.Reisezeit: Ein Trip nach Neapel lohnt sich besonders im Frühjahr oder bis in den späten Herbst. Die Sommermonate sollte man dagegen meiden. In der Stadt ist es dann unangenhem heiß und stickig, und die Orte entlang der Küste sind wegen der Ferien völlig überlaufen.Übernachten: Wer in Neapel ein paar Tage verbringen will, muß für gutes Hotel mit einem sicheren Unterstellplatz für das Motorrad leider etwas tiefer in die Tasche greifen. Ab 130 Mark gibt es ein Doppelzimmer im schönen Hotel »Villa Capodimonte«, das in der Via Moiariello 66 in den Hügeln oberhalb des Stadtzentrums liegt. Telefon 0039/ 081/459000, Fax 0039/081/299344. Wer der Stadt zumindest in der Nacht entfliehen möchte, kann auch in der Nähe in Vico Equense im Hotel »Da Renato«, Telefon 0039/081/8023090, sein Quartier aufschlagen. Dort kostet die Nacht pro Person (ohne Frühstück) ab 45 Mark. Ein komplettes Hotelverzeichnis im Buchformat (Annuario Alberghi) von Neapel und Umgebung gibt´s kostenlos bei folgender Info-Stelle: Ente provinziale per il tourismo, Piazza dei Martiri, 80100 Napoli, Telefon 0039/081/405311, Fax 0039/081/401961. In Deutschland informiert das Staatliche Italienische Fremdenverkehrsamt ENIT, Telefon 069/237430 oder 0190//799090.Literatur: Über Neapel und Umgebung sind zahlreiche Werke vefaßt worden. Einen interessanten Überblick vermittelt der ADAC-Führer »Golf von Neapel« für 19,80 Mark. Wer umfassendere Informationen wünscht, kann auf den Reiseführer »Golf von Neapel/Campanien« von Hans Bausenhardt, Verlag Michael Velbinger, für 36 Mark zurückgreifen. Zahlreiche Karten und Stadtpläne ergänzen das Werk. Zur Übersicht empfiehlt sich die Marco Polo-Karte »Italien« im Maßstab von 1:600000 für 14,80 Mark. Genauer ist die Marco Polo-Generalkarte »Neapel, Campánia, Gargano« im Maßstab von 1:200000 für 12,80 Mark.Zeitaufwand drei TageGefahrene Strecke 300 Kilometer