Sierra Nevada

Sierra Nevada Zwischen Strand und Schnee

Eine Motorradtour durch Hochgebirge, Wüste und entlang von Palmenstränden, dazu noch eine ordentliche Portion Orient mitten im Abendland. Klingt absolut klasse – nur schade, dass die andalusische Sierra Nevada fast am Ende Europas liegt.

Zwischen Strand und Schnee Eisenschink

Knallbunte Reklametafeln, Tomatenfelder unter Plastikplanen, Baustellen an jeder Ecke. Die letzten Kilometer bis Torre del Mar wirken wenig einladend. Ich gebe Gas, dirigiere die Honda an übereinandergeschachtelten Ferienappartements vorbei, die nur der Farbe (grün, gelb, rot) oder dem Namen nach („Sunny Hill“, „Funny Beach“) zu unterscheiden sind. Der Maure Abd ar-Rahman I., vor 1250 Jahren Begründer einer glanzvollen Architekturepoche im maurischen Andalusien, würde beim Anblick der völlig verbauten Küste seinen Augen nicht trauen.

Kurz darauf im Zentrum von Torre del Mar. Ich genehmige mir ein Zwiebelleberwurstbrötchen in der „Carnicería Alemana Fleischerei Rommel“, tuckere durch die geometrisch angelegten Straßen zum Meer und ziehe eine erste Bilanz: Gut zwei Dutzend Dattelpalmen an der Strandpromenade, sechs Orangenbäumchen in der Avenida Duque de Ahumada und das maurische Kachelmosaik hinterm Tresen der Tapa-Bar El Cerezal – mehr Spuren scheinen hier von über 700 Jahren Islam nicht übrig geblieben zu sein.

Hinter dem Städtchen Vélez-Málaga verschwindet die Hotel-Skyline der Costa del Sol in den Rückspiegeln, die Fahrbahn wird schmaler, der Verkehr flaut ab. Endlich. Ich lasse mich von einer ausgelassenen Kurvenfolge zur nächsten tragen und betrachte die kunstvoll gestalteten Terrassenfelder am Straßenrand. Ein aus maurischen Zeiten stammendes Landschaftsdesign mit ausgeklügeltem Bewässerungssystem, wo nach wie vor Oliven- und Mandelbäume wachsen und hin und wieder blühender Jasmin betörenden Duft verströmt.

Die Straße zwirbelt sich an schroffen Kalkfelsen vorbei auf gut 1000 Meter Höhe, passiert die Provinzgrenze nach Granada und gibt den Blick auf die umliegenden Bergregionen frei: Sierra de Alhama, Sierra de Almijara, Sierra Gorda, Sierra de Tejeda. Kaum 2000 Meter hoch, aber laut Karte mit schmalsten Sträßchen versehen, die man mit dem Motorrad prima erkunden kann. Doch mein Ziel lautet Alhama de Granada, schon wegen des aus dem Arabischen „al-hammam“ abgeleiteten Namens, den man der Stadt in maurischen Zeiten verliehen hat.

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Die Don Moto GmbH (www.don-moto.de) bietet einen Motorradtransport per Hänger nach Südspanien an.

Kurze Zeit später brumme ich durch das alte arabische Stadtviertel „barrio árabe“, das malerisch über den Steilhängen der Alhama-Schlucht thront. Bereits die Römer haben hier Thermal- und Heilbäder angelegt, von den Mauren wurde der Bäderkult dann perfektioniert. Das Hauptbassin – von Säulengängen, Bögen, Kuppeln und üppigen Gartenanlagen umgeben – war vor rund 900 Jahren gut besucht. Heute sind im gesamten arabischen Viertel gerade mal eine Hand voll Leute und ein im Schatten dösender Hund zu sehen. Die bauwütigen Tourismusplaner, so scheint’s, haben im Hinterland der Costa del Sol noch nicht Fuß gefasst.

Ein Blick auf die Karte, und ich schwenke auf das weiß verzeichnete Sträßchen Richtung Bermejales-Stausee. Kilometer um Kilometer geht es in hübschen Schlenkern an Olivenhainen vorbei. Kein Auto, kein Motorrad, kein Mensch weit und breit. In Fornes dröhnt Flamenco-Musik aus der weit geöffneten Tür der Bar El Chico, danach ist es wieder still, und der Einzylinder brabbelt weiter durch die Einsamkeit. Bermejales-See, Jayenna, Sierra del Chaparall. Mit ihren knapp 1000 Meter hohen Gipfeln brechen die Chaparall-Berge zwar keinen andalusischen Höhenrekord, doch die zerklüfteten Kalkfelsen und die von Kiefern und Ginster durchzogenen Schluchten gäben für jeden Edel-Western ein fantastisches Bühnenbild ab.

Die nur gut handtuchbreite Straße schlängelt sich mit spektakulären Ausblicken durch die Berge nach Süden und mündet schließlich in die Obstplantagen der Costa Tropical. Der eine oder andere Abstecher ans Meer muss sein, schon wegen der idyllischen Felsbuchten, die dieser Küstenabschnitt zwischen La Herradura und Salobreña zu bieten hat. Nachdem ich genug Meerluft aufgesaugt habe, rausche ich über die N 323 nach Norden, stoße am Béznar-Stausee auf eine Forstpiste und holpere zurück in die Sierra del Chaparall. Von dort nehme ich die vor lauter Fahrspaß vergessene maurische Spurensuche wieder auf und fahre über Venta del Fraile nach Granada.

Sierra Nevada (2)

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In den abgelegenen Bergdörfern ticken die Uhren wesentlich langsamer.

Ein kurzes Stück Autobahn bis zur Ausfahrt Granada Zentrum, und ich bin bereits vom Sog der quirligen Provinzhauptstadt erfasst. Im Schlepptau einer einheimischen Rollergang brettere ich im Gassen-Zickzack den Berg hinauf und wieder hinab. Linkskurve folgt auf Rechtskurve, dunkle Gassen auf sonnenüberflutete Plätze, grobe Pflastersteine auf feinsten Asphalt. Am Ende des Höllenritts stehe ich vor den Souks der Alcaicería, blicke auf ein schier überbordendes Angebot an orientalischen Wasserpfeifen, Teppichen, Öllämpchen, Berbertrommeln, arabischen Krummdolchen – und frage mich, ob ich tatsächlich in Spanien bin.

Märchenhaftes Granada. Rund 800 Jahre stand die Stadt unter islamischer Herrschaft, bevor sie die spanische Reconquista im Jahr 1492 für das christliche Abendland zurückerobert hat. Doch noch heute weht durch das alte arabische Viertel ein Hauch Orient, der sich auf harmonische Weise mit den Insignien des Okzidents vermischt. Mitten aus den Souks erhebt sich die Kathedrale nebst Grabkapelle der katholischen Könige, in den Auslagen der arabischen Händler haben Madonnenfigürchen, Rauschgoldengel, Rosenkränze, ja sogar Flamenco-Kostüme und Plüsch-Stiere ihren festen Platz.

Ich parke die Honda neben dem Verkaufsstand des „Kaligrafen von Bagdad“ und schlendere durch verwinkelte Gassen den Albayzín-Hügel hinauf, erstehe ein Paar goldbestickte arabische Pantoffeln im Bazar Medina, esse Couscous in der Kasbah, trinke Pfefferminztee in der Tetería Al Andalus und beobachte, wie Bauchtänzerin Laila in der Caldería Nueva ihre Hüften schwingt. Es dämmert schon, als ich den Aussichtspunkt vor der Kirche San Nicolàs erreiche und über die Darro-Schlucht hinweg auf die Alhambra schaue. Die UNESCO hat sie auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt, rund 8000 Gäste drängen täglich durch ihre Pforten und machen sie zu Spaniens meistbesuchtem Monument. Aus gutem Grund. In roséfarbenes Licht getaucht, wirkt die maurische Festung wie ein Märchenschloss aus Tausendundeiner Nacht – gesäumt von Dattelpalmen, überragt von den schneebedeckten Dreitausendern der Sierra Nevada.

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Fast schon ein Wahrzeichen: der Osborne-Stier, Symbol für guten Sherry.

Am nächsten Morgen packe ich meinen dicksten Fleece-Pulli in den Tankrucksack, fülle heißen Tee in die Thermosflasche und verschwinde auf „Europas höchst gelegener Straße“ in den Bergen. Rund 1350 Höhenmeter auf den ersten 35 Kilometern.

Schier endlos fädeln sich die Serpentinen durch den Kiefernwald, das Nationalpark-Besucherzentrum El Dornajo taucht auf („wir verkaufen Schneeketten“), dann ist die Baumgrenze erreicht, und der Blick schweift über die eisige Flanke des 3398 Meter hohen Pico Veleta. Dahinter erhebt sich der Gipfel des Mulhacén, mit 3481 Metern Spaniens höchster Berg auf dem Festland. Auf 2100 Metern liegt Solynieve, das südlichste Wintersportgebiet auf der Iberischen Halbinsel. Ausstaffiert mit Skiliften, achtstöckigen Hotelkästen und dem aufgerissenen Schlund von Spaniens größter Tiefgarage, die in Stoßzeiten etwa 3000 Autos schluckt. Solynieve, auf deutsch: Sonne und Schnee, ist ein Ort aus der Retorte.

Nur wenige Kilometer vom Trubel entfernt genieße ich wieder die nahezu unberührte Natur einer Bergregion, die man als Biosphärenreservat unter Schutz gestellt hat. Angegliedert ist der 86000 Hektar große Sierra-Nevada-Nationalpark, in dem noch Steinböcke, Geier und Königsadler heimisch sind. Selbst wenn ich keines der seltenen Tiere erspähe – der Weitblick über die schneebedeckten Felshänge ist phänomenal. Ein paar widerstandsfähige Gräser ragen aus der Winterlandschaft empor, an denen Eiskristalle funkeln wie Lametta. Doch noch ist die Fahrbahn frei und führt mich unter stahlblauem Himmel bis auf 2550 Meter Höhe, bevor sie hinter einer weiß-roten Schranke unter einer geschlossenen Schneedecke verschwindet.

Infos Sierra Nevada

Karte: Maucher
Zeitaufwand: drei Tage; gefahrene Strecke: zirka 750 Kilometer.

Dass die Strecken rund um die Sierra Nevada ein tolles Motorradrevier sind, ist kein Geheimtipp mehr. Dazu mildes Klima und spanische Lebensart – nur die gut 2000 Kilometer lange Anreise kann abschrecken.

Anreise:
Wer in die spanische Sierra Nevada reisen möchte, muss leider eine lange Anfahrt in Kauf nehmen – ab Frankfurt beispielsweise rund 2300 Kilometer. Und ordentlich löhnen: In Frankreich und Spanien fallen allein für eine Strecke 66 Euro Autobahngebühren an. Eine Alternative ist die Anreise per Autozug, mit dem man bequem ab diversen deutschen Bahnhöfen zumindest bis ins südfranzösische Narbonne gelangen kann. Ab Frankfurt/Neu Isenburg kostet die einfache Fahrt für Fahrer und Motorrad in der günstigsten Kategorie ab 210 Euro. Infos in allen DB-Reisezentren sowie im Internet unter www.autozug.de. Oder man lässt sein Motorrad per Transporter nach Andalusien bringen und fliegt hinterher.

Reisezeit:
Für Motorradtouren ist der Frühling die schönste Reisezeit. Bereits Anfang März steht das Land in voller Blüte, es herrschen angenehme Temperaturen, und das Touristenaufgebot hält sich – mit Ausnahme von Ostern – in Grenzen. Warme Klamotten empfehlen sich vor allem für Ausflüge in die Höhenlagen der Sierra Nevada: Hier kann man gewissermaßen am Straßenrand bis Ende April Ski fahren.

Übernachten:
Rund um die Sierra Nevada und entlang der Costa del Sol ist die Infrastruktur bekanntermaßen gut. An Hotels und Pensionen herrscht wahrlich kein Mangel. Sehr ansprechend sind die im andalusischen Stil errichteten Ferienhäuschen des Hotels Villa Turística de Bubión. Bei einer Belegung mit zwei Personen zahlt man 38,50 Euro pro Nase, mit vier Personen 28,75 Euro. Das Frühstücksbuffet kostet sechs Euro extra, Selbstversorgung ist möglich. Barrio Alto s/n, 18412 Bubión, Telefon 0034/958/763909; Internet: www.villabubion.com. In Tabernas empfiehlt sich das günstige „Hostal Avenida“, in dem für ein Einzelzimmer 20 Euro und für ein Doppelzimmer 33 Euro zu entrichten sind. In der angegliederten Bar lässt es sich gegen Aufpreis zudem gut frühstücken. Telefon 0034/950/365395. Im netten Küstenort Almuñécar ist das am Strand gelegene Hotel Los Fenicios eine sehr gute Wahl. Für die Übernachtung mit Frühstück zahlt man ab 50,25 Euro pro Person. Telefon 0034/958/827900; Internet: www.solmelia.com. Weitere Auskünfte über das Land, Unterkünfte oder Sehenswertes erteilt das Spanische Fremdenverkehrsamt in München, Telefon 089/5307460; Internet: www.spain.info oder www.tourspain.es.

Mietmotorräder:
Mietmotorräder sowie geführte Enduro-Touren bietet die Don Moto Enduroservice GmbH aus Witten an. Deren Stützpunkt ist der Küstenort Almuñécar östlich von Malaga. Als Mietfahrzeuge stehen Enduros zwischen 350 und 650 cm³ zur Verfügung, ein siebentägiges Komplettarrangement inklusive Übernachtung, Motorradmiete und Tourguide gibt es ab 690 Euro. Weitere Infos unter Telefon 02302/429576 und im Internet www.don-moto.de.

Literatur:
Jede Menge Hintergrundinformationen und praktische Tipps liefert der im Reise-Know-How-Verlag erschienene Band „Andalusien“, Preis 19,90 Euro. Kompakte Infos für unterwegs bietet das gleichnamige DuMont-Reise-Taschenbuch für zwölf Euro. Zur Orientierung eignet sich die RV-Regionalkarte „Costa del Sol, Andalusien, Costa de la Luz“ im Maßstab von 1:300000. Preis: 8,95 Euro. Präziser – aber leider nicht für die komplette Route zu gebrauchen – ist die Michelin-Karte Nummer 124 „Costa del Sol“ im Maßstab 1:200000 für 7,50 Euro.

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