Auf der Kanareninsel Teneriffa hat die Erde ihr Innerstes nach außen gekehrt. Eine Reise durch die urzeitlichen Lava-Landschaften zu Füßen des Vulkans Pico del Teide, Spaniens höchstem Berg. Ideal zur Winterzeit.
Auf der Kanareninsel Teneriffa hat die Erde ihr Innerstes nach außen gekehrt. Eine Reise durch die urzeitlichen Lava-Landschaften zu Füßen des Vulkans Pico del Teide, Spaniens höchstem Berg. Ideal zur Winterzeit.
Sechs Uhr früh. Allmählich zeichnen sich die Konturen von Spaniens höchstem Berg vor dem Hotelfenster ab. Der Gipfel hoch über den Wolken, so, als hätte er sich vom Sockel gelöst. Ich bin sofort hellwach, beobachte über die Bettkante hinweg, wie der erste schräge Sonnenstrahl das Bild im Fensterrahmen rosarot aufleuchten lässt. Kein Wunder, dass die Ureinwohner Teneriffas den Pico del Teide als heiligen Berg verehrten. Echeide nannten sie ihn: Hölle. Weil es im Inneren des 3718 Meter hohen Vulkans brodelt und dampft.
Der Frühstücksraum ist noch verschlossen, als ich die Honda SLR 650 lautlos wie ein Dieb aus der Hoteleinfahrt schiebe, den Motor starte und in Richtung Teide davonrausche. Um diese Zeit gehört Puerto de la Cruz den Einheimischen. Bäcker röhren mit Kleintransportern durch die Straßen, laden vor den Hotels Kisten mit frischen Brötchen ab. Am Hafen ziehen Fischer ihre Boote an Land, sortieren den Fang der Nacht und flicken Netze. Ich schwenke auf den verschlungenen Wegen aus der Stadt und absolviere ganz nebenbei einen Crashkurs in moderner und traditioneller Inselarchitektur. Bis zu fünfzehnstöckige Betonklötze säumen die Strecke, dazwischen palmengesäumte Plazas und weiß gekalkte Häuser mit kunstvoll geschnitzten Holzbalkonen.
In La Orotava die erste offene Tankstelle. Am Tresen liegt eine kleine Auswahl an Reiseproviant: Kekse, Schokoriegel und „Teide-Sandwiches“, wahlweise mit Salami, Schinken oder Käse. Prompt wandert meine Sandwich-Bestellung in die Mikrowelle, wird dort auf Magma-Temperaturen erhitzt und plumpst schließlich in Silberfolie verpackt in meinen Rucksack. Eilig fahre ich weiter, inzwischen sind die ersten Schulkinder unterwegs.
Traumhaft schöne Motorradstrecken führen durch wilde Vulkanlandschaften oder enden an netten Badestränden. Das Beste: Den Begriff Winter scheint man hier nicht zu kennen.
Anreise
Die spanische Fluggesellschaft Iberia startet täglich von sieben deutschen Flughäfen via Madrid oder Barcelona in Richtung Teneriffa, die Preise beginnen bei etwa 360 Euro. Verschiedene Charter-Linien fliegen die Insel ebenfalls an und bieten mitunter Restplätze unter 200 Euro feil.
Reisezeit
Kanarenstrom und Passatwinde sorgen auf den »Inseln des ewigen Frühlings« das ganze Jahr über für ausgeglichene Temperaturen. Die Winter sind mild, die Sommer nicht allzu heiß. Von Mai bis Oktober ist es trocken, zwischen Oktober und März muss man dagegen mit vereinzelten Niederschlägen rechnen.ÜbernachtenEine tolle Alternative zu den Angeboten der Pauschal-Reiseveranstalter bietet »Tenerife Natural«: man wohnt in historischen Landhäusern oder Fincas wie die Casa Rural Don Leandro (ab 36 Euro pro Nacht, www.donleandro.com) oder das Hotel Rural los Tilos (ab 28 Euro pro Nacht, www.hotel-lostilos.com). Infos über Tenerife Natural erteilt Tenerife Marketing, Telefon 089/33056783, www.tenerifenatural.com).
Mietmotorräder
Eine gute Anlaufstelle ist die deutschsprachige Motorradvermietung Beckel’s Bike in Puerto de la Cruz, Telefon 0034/922/388035, www.beckels-bike.com. Eine Honda SLR 650 kostet pro Woche 318 Euro.
Literatur
Viele Hintergrundinfos und praktische Tipps liefert der Reiseband »Teneriffa« aus dem Michael Müller Verlag für 15,90 Euro. Als Landkarte eignet sich die Allianz Freizeitkarte Nr. 106 »Teneriffa« im Maßstab 1:100000 für 4,95 Euro. Wer sich – außerhalb des Nationalparks! – auf Piste begeben möchte, greift zur Kompass Wander- und Radtourenkarte Nr. 23 »Teneriffa«, Maßstab 1:50000 für 8,95 Euro. Allgemeine Auskünfte erteilt das Spanische Fremdenverkehrsamt in München, Telefon 089/53074611, Internet: www.tourspain.es.
Nach zwanzig Kilometern verschwinden die letzten Häuser in den Rückspiegeln, und die Straße fädelt sich in schier endlosen Schleifen durch einen Kiefernwald. Wie ein Korsett schmiegt er sich im Bereich der Wolkenzone um den Inselkörper, saugt die Luftfeuchtigkeit in seinen Nadelpelz und versorgt das Erdreich mit kostbarem Nass. Meter um Meter gewinne ich an Höhe, die Temperaturen sinken. „Wir waren starr vor Kälte, obgleich das Thermometer etwas über dem Gefrierpunkt stand“, hatte Humboldt vor rund zweihundert Jahren in seinem Expeditionstagebuch notiert, als er auf dem Weg zum Gipfel war. Ich bin froh um meinen vorsorglich mitgenommenen Fleece-Pulli und das Teide-Sandwich, das unverändert meinen Rücken wärmt.
El Portillo, 1980 Meter. Die Straße gabelt sich und legt Richtung Teide-Nationalpark in der Manier eines Schweizer Alpenpasses gleich noch mal 200 Höhenmeter zu. Zwei Ecken weiter liegt sie plötzlich vor mir: die Kraterlandschaft der Cañadas.
Als sei es gestern gewesen: Links und rechts der Fahrbahn erstreckt sich die zu Stein erstarrte Apokalypse. Schwarze und rostrote Lavaströme bilden ein bizarres Flechtwerk, hinter dem der Vulkan Pico del Teide seinen steinernen Kragen in den Himmel reckt. Gewaltige erdgeschichtliche Kräfte müssen hier gewütet haben, als es die ursprüngliche Inselspitze vor etwa 200000 Jahren mit einem explosionsartigen Knall vom Sockel riss. Der Feuertanz verbreitete seine Spuren bis hinunter zum Meer und hinterließ einen gewaltigen Kraterkessel, eine Caldera mit Steilwänden, die bis zu 700 Meter hoch aufragen.
In der nächsten Parkbucht werfe ich einen Blick auf die weit verzweigten Lavapisten und bin im Nu von Parkrangern umstellt. Der 20000 Hektar umfassende Teide-Nationalpark, so werde ich vorsorglich belehrt, sei abseits der Hauptstraße für jeglichen Verkehr tabu. Für diese hat man allerdings feinsten Asphalt verwendet, der mich mitten durch die versteinerten Lavaströme hindurchführt. Braune Schlackeberge, durchzogen mit safrangelben Schichten, bauen sich rechts und links von mir auf, bisweilen leuchtet es kupferrot, dann wieder jadegrün – selten
wird Geologie so spannend dargeboten.