Mitten durch den Teutoburger Wald zieht sich die »Straße der 1000 Oldtimer«, eine wunderschöne Strecke, die zu liebevoll eingerichteten Motorradmuseen führt.
Mitten durch den Teutoburger Wald zieht sich die »Straße der 1000 Oldtimer«, eine wunderschöne Strecke, die zu liebevoll eingerichteten Motorradmuseen führt.
Gerade erst haben sich die Frühnebel verzogen, als Robert Stockmann sein BMW-Gespann mit sicherer Hand auf dem Hof seines Motorradmuseums in Ibbenbüren lenkt. Der 67jährige begrüßt mich in landestypischem Dialekt und mit festem Händedruck. Aus dem Boot zaubert er einen Korb hervor, dessen Inhalt das karge Frühstück an diesem Morgen vergessen macht. Kaffee und belegte Brötchen, rasch ist der kleine Tisch in den Privatgemächern des Museums gedeckt, und beim zweiten Morgenmahl läßt es sich vortrefflich plaudern. So kommen wir von »Hölzken auf Stöcksken«, vom Schottenring zum Pioneer-Run und dann auf direktem Weg wieder zurück in die heiligen Hallen des Museums, das wir nun frisch gestärkt in Augenschein nehmen. In den weitläufigen Räumen der ehemaligen Schule sehe ich säuberlich aufgereiht die Reliquien einer längst vergessenen Zweiradära, über 150 Ausstellungsstücke warten im Motorradmuseum Ibbenbühren auf den Besucher. Vom Hochrad aus dem Jahre 1882 bis hin zur legendären Münch Mammut spannt sich der Bogen. An der Seite von Robert Stockmann, seinen anschaulichen Berichten und Erläuterungen lauschend, wird Geschichte greifbar, und manche Facette erstrahlt in neuem Licht. Sachkenntnis und Einfühlungsvermögen kennzeichnen diesen Museumsdirektor aus Passion, dem keine Anstrengung zu groß war, um den Traum von einem eigenen Museum zu verwirklichen. Und Besucher, die während der Gespräche mit leidenschaftlichen Sammler die Zeit vergessen haben, übernachten einfach über den Ausstellungsstücken. Denn im zweiten Stock des Hauses gibt es extra ein Matratzenlager.Während ich über die Vorzüge eines konischen Benzinhahns, der bauartbedingt nie undicht werden kann, staune, schiebt Reinhard Stockmann, der Sohn vom Chef, die Standard von 1928 auf den Hof und erweckt sie mittels undurchschaubarer Handgriffe am nicht minder undurchschaubaren Lenker-Instrumentarium routiniert zum Leben. Unüberhörbar nimmt der Einzylinder seine Arbeit auf, der aus einem halben Liter Hubraum 13 Pferdestärken hervorzaubert. Eine Gruppe holländischer Besucher läßt alles stehen und liegen, wettergegerbte Männergesichter beobachten das Schauspiel mit leuchtenen Augen, Kinder hüpfen aufgeregt von einem Bein aufs andere. Warum der Juniorchef am Museum seines Vaters hängt? »Für mich is´das hier wie ´ne Kirche, wenn mir alles auf´n Piss geht.« Womit er die therapeutische Wirkung alter Motorräder erschöpfend beschrieben hat. Mit einem Zwinkern in den Augen lädt er mich zu einer kleinen Ausfahrt ein. Klack, per Handschaltung in den ersten von drei Gängen, dann verläßt er den Hof mit wenig angemessener Geschwindigkeit. Vor lauter Aufregung würge ich den Motor meiner Honda ab, was allerdings von niemanden bemerkt wird.Mit traumhafter Sicherheit finden die den Auspuff der Standard verlassenden Schallwellen genau mein Zwerchfell, um sich von dort über den ganzen Körper auszubreiten. Wonnige Schauer, die schnell abhängig machen können. Die anderen Sinne werden wenig beansprucht, denn die Landschaft ringsum verdient den Namen unauffällig. Mancher würde wohl auch nett sagen. Die grünen Ausläufer des Teutoburger Waldes reichen bis an die Straße heran, Felder und Wiesen zeugen von der ordnenden Hand des Menschen. Zeit genug, sich auf Reinhard und seine Standard zu konzentrieren, die nun, da es bergan geht, doch an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stößt. Ächzend und schnaufend erklimmt der Oldtimer Höhenmeter um Höhenmeter, um oben angelangt auf einem Parkplatz auszurollen. »Balkon des Münsterlandes«, erläutert Reinhard den Grund für unseren Zwischenstopp und deutet mit dem Kopf nach rechts. Der tiefere Sinn dieses Namens erschließt sich umgehend. Weit schweift der Blick übers Land und läßt ein alpenähnliches Gefühl aufkommen. Da sage noch einer, in Westfalen gäbe es keine Pässe.Unversehens wird unsere kurze Pause zum Generationentreff. Links eine rote 900 SS jüngeren Datums, rechts die 28er Standard und in der Mitte eine Vertreterin japanischer Motorradbaukunst, eine 750 Four von 1974 in allerbestem Zustand. Drumherum die Fahrer und Schaulustige, vertieft in Benzingespräche und in den Austausch von geheimen Bezugsquellen rarer Ersatzteile, wobei Zeit an Bedeutung verliert. Nur mit Mühe gelingt es Reinhard, den vielen Fragen zu entkommen. Ohne weitere Umwege treibt es uns mitten in die Altstadt von Tecklenburg, gleich neben dem Springbrunnen nehmen wir auf den Stühlen der Conditorei Rambel Platz. Hier hat man sich schon 1907 der hohen Kunst gehobenen Backwerks verschrieben und verwöhnt seine Gäste mit Gaumengenüssen der feineren Art. Schnell hat sich eine Menschentraube um die Standard gebildet, bald wird sie in vielen Fotoalben kleben. Na ja, sie ist halt eine richtige Schönheit, und Reinhard teilt ihre Reize großmütig. Jedenfalls solange aus begehrlichen Blicken keine grapschenden Finger werden. Wenig später rollen wir wieder übers Land, und ich bin überrascht, als Reinhard mir plötzlich eine Vorstellung der Off Road-Fähigkeiten seines immerhin 68jährigen Klassikers geben möchte. Er hält den rechten Arm raus und biegt in einen groben Feldweg ein. Mir kommen echte Zweifel an seiner Zuneigung für die eiserne Rentnerin. Doch die schlägt sich wacker, schließlich waren die Straßen damals, als das gute Stück gebaut wurde, auch nicht viel besser, und Reinhard läßt es gemütlich angehen - bis wir wieder Asphalt unter den Rädern haben, ja, und bis zu dem Moment, als er auf den Gleisen, die parallel zur Straße verlaufen, einen Zug der Museumseisenbahn entdeckt, der in ihm den Jagdinstinkt weckt. Er hat sich in den Kopf gesetzt, den nächsten Bahnübergang vor dem altertümlichen Zug zu erreichen und scheucht die Standard, als säße ihm der Teufel im Nacken. Mit respektablen Schräglagen - ich warte nur darauf, daß er das Knie raushängt - durcheilt Stockmann junior Kurve um Kurve, Schikane um Schikane, nur um an jedem Bahnübergang das Nachsehen zu haben. Doch langsam schrumpft der Vorsprung des Zuges, und Reinhard läuft tatsächlich noch vor der VT03, so die Bezeichnung der Lok, in den Bahnhof am Aasee ein. Dann eine herzliche Begrüßung unter den Rennfahrern, denn auch Lokführer Rolf Stille und Mannschaft haben alles gegeben. Der Werkstattleiter der Teutoburger Wald-Eisenbahn AG schwärmt von seiner Lok, Reinhard von seiner Standard - Museumsleute unter sich. Auf dem Rückweg kommt Easy Rider Feeling auf. Die Silhouette der Standard entschwindet langsam im Sonnenuntergang. Ein letzter Gruß - und zum erstenmal schalte ich heute auf meiner Honda über den dritten Gang hinaus. Als das Licht der Abendsonne nur noch als Reflektion an den Schäfchenwolken glüht, suche ich mir ein Quartier in Bad Iburg. Hier möchte ich am nächsten Tag einen Blick ins örtliche Roller- und Kleinwagenmuseum werfen. Dort sammelt Manfred Knäuper seit 1984 Fahrzeuge, die man in dieser Zusammenstellung tatsächlich sonst nirgends zu Gesicht bekommt. Mopeds, Roller und Kleinwagen aus den 50er Jahren, außerdem Werbetafeln, wunderschöne Emailleschilder und über 2500 Modellautos. All dieses in einem alten Tanzsaal und in einem ausgebauten Dachgeschoß und ob der Fülle der Exponate in nur einem Tag kaum zu besichtigen. Ob Bastert-Einspurauto, NSU Prima 5 oder Kleinschnittger F 125 - die klassischen Automobile sind ebenso sehenswert wie die Zweiräder. Und um eine Vorstellung vom Alltag in den 50er Jahren zu vermitteln, werden zusätzlich Uhren, Spielzeuge und weitere Gebrauchsgegenstände ausgestellt. Als Manfred Knäuper und ich mitten in seinen Schätzen stehen, spricht uns ein netter Herr auf der Suche nach seinem ersten Zweirad, einer 200er Zündapp mit Sattel und Kickstarter, an. Wo sonst soll er sie auch finden? Ausnahmsweise muß Manfred Knäuper passen, aber die nur ein Jahr jüngere 150er hat er natürlich da, und schon sind die beiden in ein Gespräch vertieft über die Vor- und Nachteile irgendwelcher technischer Details. Ich verabschiede mich leise, denn der Tag ist noch jung, und so kann ich das strahlende Spätsommerwetter nutzen, um nach Ibbenbüren zurückzufahren, denn gestern fehlte mir die Zeit, um einen weiteren Motorradverrückten zubesuchen. Die Rede ist von Berni Veltmann. Eine Weile später stehe ich vor dem Haus, das auch einen Raum mit exquisiten Zweirädern beherbergt. Und dann fängt Berni, der Tausendsassa, auch schon an zu reden, nach einer Viertelstunde weiß ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Soll ich von Rallyes berichten, die er mit seiner Frau Hildegard ins Leben gerufen hat, von der einzigartigen Wanderer mit acht (!) Ventilen, von den Weltreisen, den Kunstprojekten, den Gestaltungsvorschlägen für den Reichstag in Berlin, seinen patentierten Erfindungen, seinen Ausstellungen, von Barry, dem wachsamen Bernhardiner, von seinen Bemühngen, herauszufinden, woher einige Kurven des Nürburgrings ihre eigenartigen Namen erhalten haben oder vom Schnaps, den Hildegard Veltmann mir serviert hat? Ich weiß es wirklich nicht. Den Veltmanns kann man nur schwer gerecht werden. Wer viel Zeit, noch mehr Geduld, eine rasche Auffassungsgabe sowie einen Faible für echte Originale hat, dem seien Berni und Hildegard ans große Herz gelegt. Übrigens, Berni Veltmann sucht einen Stern-Motor von Siemens & Halske, Typ F 44, Baujahr 1934. Allein für den Tip, wo ein solcher Motor aufzutreiben ist, bietet Berni einen Moteur Bayard mit Benz Steigstromvergaser von A. Clément als Belohnung.Ich gönne mir jetzt selbst ein Belohnung. Auf dem Weg nach Harsewinkel locken in Dissen landestypische Spezialitäten, denn das Bauerndorf ist weit über die Grenzen des Teutoburgers Waldes bekannt für sein Angebot an Feinkost, Gewürzen, Fleisch- und Wurstwaren. Es heißt sogar, das hier der gute Geschmack des Osnabrücker Landes zu Hause sei. Stimmt, das deftige Menü in Dissens Altstadtstube ist wirklich von der leckersten Sorte.Auf nach Harsewinkel, wo Familie Beckmann einiges auf die Beine gestellt hat. In einem traumhaft restaurierten Bauernhaus warten 140 Motorräder ab Baujahr 1901, 30 Traktoren und Nutzfahrzeuge und 250 historische Puppen auf Besucher. Und die werden sehr herzlich empfangen. Letztlich beginnt der Museumsbesuch im Wohnzimmer, das Zauberwort heißt Fußball-Europameisterschaft und bei allem Engagement für alte Motorräder - soviel Zeit muß schon sein. Danach geht´s gleich wieder zurück auf die Straße. Simone, die Tochter des Chefs, hat mich zu einer kleinen Ausfahrt eingeladen. Einfach toll, wie sie auf ihrer BMW R 57 über die Landstraße rollt, wie ihre blonden Zöpfe unter der Lederkappe im Wind flattern. Ein herrlicher Ausflug, der erst kurz vor Sonnenuntergang wieder vor den Toren des Museums endet.Bis zum nächsten Museum in Bad Oeynhausen sind es viele kurvige Kilometer durch den Teutoburger Wald und das Wiehengebirge. Die »Straße der 1000 Oldtimer« schlängelt sich wie ein Lindwurm über die Hügel und durch die Täler, Fahrspaß pur. Dagegen hinterläßt das Auto-Motor-Freizeit Museum »Motortechnica« nach einem kurzen Besuch einen zwiespältigen Eindruck - Panzer und anderes Kriegsgerät, martialisch präsentiert, passen nicht in das Bild, das mir von den anderen Museen im Kopf geblieben ist. Aber das ist schließlich Geschmackssache. Ich nutze den Nachmittag statt dessen, um übers Land zu rauschen und um im Fahrtwind die vielen Eindrücke der letzten beiden Tage zu sortieren. Weniger hektisch schien es angesichts der zahlreichen technischen Neuentwicklungen in der »guten alten Zeit« auch nicht gewesen zu sein. Um so liebenswerter, daß sich viele Fans klassischer Motorräder die Zeit nehmen, die wunderschönen Bikes so hingebungsvoll zu präsentieren.
Die »Straße der 1000 Oldtimer«, die durch den Teutoburger Wald führt, ist ein Muß für Fans klassischer Motorräder. In insgesamt neun Museen stehen Fahrzeuge aus allen Epochen.
Anreise: Besucher aus Nord- und Süddeutschland erreichen das »Oldtimer-Land« im Teutoburger Wald über die A 1, Ausfahrt Lengerich/Tecklenburg. Wer aus dem Osten oder Westen anreist, kommt über die A 30 und verläßt dieselbe über die Ausfahrt Ibbenbüren. Dann nur noch den Schildern zum Motorradmuseum Ibbenbüren folgen. Der weitere Verlauf der zirka 192 Kilometer langen »Straße der 1000 Oldtimer« zwischen Ibbenbüren und Bad Oyenhausen ist in guten Karten entsprechend eingezeichnet.Übernachten: An Hotels und Pensionen herrscht im Teutoburger Wald kein Mangel. Kostenlos und zeitsparend ist die Zimmer-Buchung über eine zentrale Rufnummer, über die auch weitere Auskünfte für die gesamte Region zu erhalten sind: Telefon 0 54 82/7 08 10. Informationen erteilt außerdem der Fremdenverkehrsverband Teutoburger Wald e.V., Felix-Fechenbach-Straße 3, 32756 Detmold, Telefon 0 52 31/62 34 73, Fax 62 34 78.Aktivitäten: Das Angebot an Freizeitaktivitäten in der Region Teutoburger Wald und Wiehengebirge ist groß. Einen Fremdenverkehrsverein gibt es in fast allen Orten. Die entsprechenden Telefon-Nummern sind bei der bereits genannten zentralen Rufnummer zu erfragen. Für Freunde klassischer Motorräder sind natürlich die Treffen und Ausfahrten von besonderem Reiz, die von den Musseen regelmäßig veranstaltet werden. Der Veranstaltungskalender ist randvoll, Termine und Ausschreibungen gibt es bei den Museen. Ein Faltblatt über den Verlauf der »Straße der 1000 Oldtimer« zwischen Ibbenbüren und Bad Oeynhausen erhält man bei der Tourist-Information Tecklenburger Land e.V., Postfach 1147, 49537 Tecklenburg, Telefon 0 54 82/7 08 10, Fax 7 08 88. Darin stehen nicht nur die Adressen und Öffnungszeiten der Museen, sondern auch kurze Beschreibungen über landschaftlich akttraktive Ziele im Teutoburger Wald und im Wiehengebirge.Literatur: Die von den Fremdenverkehrsverbänden angebotenen Publikationen sind so ausführlich und informativ, daß man auf weitere Quellen getrost verzichten kann. Selbst Kartenmaterial zur ersten Orientierung wird gegen einen angemessenen Unkostenbeitrag zur Verfügung gestellt. Für diese Region bietet sich »Die Generalkarte«, Blatt 6 im Maßstab 1:200000 aus Mairs Geographischer Verlag für 8,80 Mark an.Gefahrene Strecke:zirka 200 KilometerZeitaufwand:drei Tage