Unterwegs in Namibia
Gnadenlose Hitze, 45 Grad Celsius. Schweiß tropft von der Nase, Staub knirscht zwischen den Zähnen, ich wühle mein Motorrad in sengender Sonne durch knietiefen Sand. "Im Stehen fahren, den Lenker locker halten und den dritten Gang, wenn du da durchkommen willst", erklärt Tourguide Axel Cordes. Unser Motorradabenteuer beginnt am Waterberg, dem berühmten
Tafelberg Namibias. "Wir fahren mit 1,6 bar Luftdruck, denn das ist gutes Mittelmaß für Sand und Schotter", weiß Axel. Für Schlamm auch, denn jetzt bekomme ich die Regenzeit zu spüren. Eine Jahrhundert-Regenzeit. Kurze, heftige Schauer, dann wieder stechende Sonne. Die Erde ist rotbraun und schmierig. Nach einem Wasserloch sind wir bis auf die Haut nass. In der Ferne ertönt Gebrüll: Eine Pavianfamilie überquert vor mir die Piste. Das letzte Stück zum Camp der "Waterberg Wilderness Lodge" wird steil. Sand und lose Steine lassen mich jedes Kilo der DR 650 spüren.
Uwe ist bereits einige Zeit vor uns eingetroffen, er nimmt mit seinem Begleitfahrzeug die besseren Pisten. Denn er ist unser Mann für das Essen und den Transport der Ausrüstung. Nur so können wir entspannt offroad fahren. Von seiner Feuerstelle duftet es süßlich. Wir genießen ein butterzartes Teriyaki-Hühnchen auf würzigem Curryreis und schlafen trotz des Paviangebrülls tief und fest. Morgens verwöhnt uns Uwe mit Rührei und Speck sowie Müsli mit frischem Obst.
Beim Fahren wird es wieder staubig. Die Augen schmerzen. Mein Mund ist ausgetrocknet. Einen Trinkwasservorrat von drei bis vier Litern sollte man immer dabei haben. Der Track P-2232 zur Khowarib-Schlucht besteht aus sandigen Spurrillen, und ich fühle mich, als ob ich in einem Backofen Motorrad fahre. Als wir auf die Piste D-3710 Richtung Norden nach Opuwo abbiegen, überrascht uns ein Sturzregen. Gar nicht gut, wir sind mitten in großen Fesch-Fesch-Feldern. Staub wie Mehl - und nun auch noch nass. Null Führung am Vorderrad, das Hinterrad eh auf Eigentour. Wir rutschen - und schon liegen wir neben den Enduros. Als wir abgekämpft in der "Opuwo Country Lodge" ankommen, sehen wir wie Warzenschweine aus. Und wahrscheinlich riechen wir auch so. Opuwo ist die einzige Stadt im Kaokoland. Das Alltagsleben hier ist weit weg von allem Gewohnten, in den Wellblechhütten leben Himba, Hereros und andere ethnische Volksstämme. Oft sind ihre Gesichter vom Alkohol gezeichnet. Draußen liegen Plastikmüll und Autowracks herum, die hygienischen Verhältnisse sind hart.
Tosende Wasserfälle im Kunene-Fluss

Wir erreichen die Epupa-Wasserfälle an der Grenze zu Angola. Steine fliegen, das Hinterrad hat kaum noch Halt auf einer steilen, schlechten Piste, die einen Hügel hinaufführt. Aber von dort haben wir einen sagenhaften Blick auf die tosenden Wasserfälle im Kunene-Fluss, die von etwa 25 Meter hohen Makalani-Palmen und Baobab-Bäumen umgeben sind. Krokodile fühlen sich dort auch wohl, daher muss das erhoffte Bad ausfallen. Das Kaokoland gehört zu den letzten Wildnisgebieten Afrikas. Axel fährt vor mir, erste Lehmhütten und Ziegen in der Ferne. Wir halten an einer Onganda, einem Himba-Gehöft. Frauen, nur mit Lendenschurz bekleidet, begrüßen uns. Ihre Haut ist ockerfarben, sie waschen sich ihr Leben lang nicht, jedenfalls nicht mit Wasser. Stattdessen reiben sie sich eine Paste aus eisenhaltigem Gesteinspulver und Butterfett zur Reinigung und zum Schutz vor Malaria auf die Haut. Maria, Herrin dieser Onganda, bittet uns in eine Hütte aus Reisig und Lehm. Auf dem Boden liegt, eingehüllt in eine Pferdedecke, ein Baby, das erst eine Woche alt ist. Ein großer Steinwall am Eingang der Hütte schützt das Neugeborene vor Schakalen. Die Kommunikation klappt durch Gesten, wir dürfen in der Onganda übernachten und laden die freundlichen Bewohner an unseren Grill zum Abendessen.
Wie auf einer Achterbahn

Als wir das Flussbett des Hoarusib erreichen, endet die Fahrt abrupt. Der Fluss ist zu hoch zum Furten. Axel und Uwe waten an einigen Stellen durch die Strömung, doch tückischer Treibsand lässt sie immer wieder einsinken. Heute also keine Chance mehr. Wir entscheiden, oberhalb des Ufers unser Nachtlager zu errichten. Am nächsten Morgen ist das Wasser weiter gestiegen. Wir brechen das Lager ab und fahren die Strecke zurück. Ein Nebenfluss, am Vortag von uns noch souverän durchquert, schneidet uns nun den Rückweg ab. Am gegenüberliegenden Ufer haben sich Frauen und Männer auf längeres Warten eingerichtet. Warten auf sinkendes Wasser. Wir entscheiden uns für einen Versuch und schaffen die Durchquerung tatsächlich mit Mühe und Not.
Wieder auf der Piste fühle ich mich wie auf einer Achterbahn. Ständig geht es hoch und runter. Als wir den Verbrannten Berg passieren, ein durch Lava verkohltes Moor, beginnt unser Track. Ein Highlight jagt das nächste. Oft geht es durch Flussbetten, mal durch harten Sand, mal durch weichen, dann kommen aufgeplatzte Schlammflächen. Plötzlich Savannengras bis zum Horizont. Eine Straußenfamilie rennt vor uns über den Track, der Himmel ist stahlblau mit Schäfchenwolken.
Nach der Abzweigung zur Brandberg West Mine wird es schroff und wüstenhaft. Berge, übersät mit spitzen Steinbrocken. Dann geht es Richtung Westen, Atlantikküste. Auf einmal friere ich so sehr, dass ich mir meine Regenjacke über die Motorradjacke anziehe. Auf einer aus Salz gebauten Straße fahren wir weiter nach Swakopmund am Atlantik. Die Stadt gleicht einem deutschen Seebad. Wir treiben unsere Enduros weiter in die südöstlich von Swakopmund gelegene Mondlandschaft und fühlen uns wie Astronauten. Bizarre Steingebilde, Staub, Geröll und Sand. Als wir vom Atlantik zurück ins Landesinnere fahren, um zur Spitzkoppe zu gelangen, herrscht wieder flimmernde Hitze. Von Weitem kann ich einen riesigen, rot leuchtenden Granitfelsen sehen. Auf seinem Rücken schweben kugelförmige Steine, als ob ein Riese sie dort platziert hätte. Eine unwirkliche Gegend.
Küste, Salzstraße und riesige Dünen

Noch einmal Küste, Salzstraße. Links vor mir riesige Dünen, über 200 Meter hoch, rechts der tiefblaue Atlantik. An Düne 7 zeigt mir Axel das Dünenfahren, und dann fahren wir über die Piste C-14 zum "Camp Gecko". Rene Aebi und seine Frau Heidi, die "Camp Gecko" aufgebaut haben, begrüßen uns herzlich. Abends steige ich mit Axel auf einen nahen Hügel. Ein glutrotes Licht strahlt in die Weite der Savanne. "Stopp! Nicht weiter!", sagt Axel auf einmal. Er zeigt auf eine Puffotter. Viele Todesopfer gehen auf ihr Konto.
Szenenwechsel, wir sind in der Salzpfanne von Dead Vlei. Erbarmungslose Hitze, nur noch Skelette von Bäumen. Die letzten fünf Kilometer zu Fuß lassen uns mörderisch schwitzen. Wir verlieren mehr Wasser, als wir trinken können. Namibia ist extrem. Wenn es irgendwo regnet, kann es zwei Kilometer weiter völlig ausgedörrt sein und sengende Sonne herrschen. Solitaire liegt an der Kreuzung der Pisten C-14 und C-24. Beide Pisten führen durch den Namib-Naukluft-Park. Dort gibt es auch eine Tankstelle und einen Lebensmittelladen. Wichtig für uns ist allerdings nicht nur das Tanken, sondern die Bäckerei von Moose McGregor. Jeder liebt seinen Apfelkuchen. Zurück im Camp steigt mir der Geruch von gegrilltem Fleisch in die Nase. Uwe, unser Lagerfeuer-Sternekoch, serviert uns Springbock-Steak mit Bratkartoffel-Würfelchen in einer Old-Brown-Sherry-Sauce. Anschließend gibt es Lagerfeuergeschichten, und Rene Aebi zeigt uns seine Messerwerkstatt. Seine Messer sind allerfeinste Handarbeit. Etwas wehmütig steige ich auf die Enduro, denn heute ist mein letzter Tag. So viel Abenteuer, kombiniert mit derartigem Komfort, hätte ich mir nie erträumen können.
Fakten und Tipps

Namibia:
Das Land liegt im südlichen Afrika und grenzt im Norden an Angola. Es ist mit zwei Millionen Einwohnern dünn besiedelt. Namibia ist etwa doppelt so groß wie Deutschland. Die Bevölkerung setzt sich aus vielen ethnischen Gruppen zusammen. San, Damara, Himba und Herero sind nur einige. Englisch ist Amtssprache. In Windhoek oder auch Swakopmund findet man noch zahlreiche Bauwerke aus der deutschen Kolonialzeit. Windhoek hat wie viele Gegenden Namibias ein trockenes Klima. Die Stadt liegt auf 1700 m Höhe. Im Kaokoland trifft man oft keine Menschenseele. Das Tankstellennetz ist recht ordentlich. Nur im Norden wird es dünn. Da sollte man genau planen und keine Tankstelle auslassen, 600 Kilometer Reichweite sind Pflicht.
Reisezeit:
Die Regenzeit reicht von Januar bis April. Die Temperaturen sind in der Nacht bei zirka 17 Grad angenehm. Tagsüber kann es über 30 Grad heiß werden. Ein guter Sun-Blocker mit Schutzfaktor 50 ist empfehlenswert. In der Regenzeit blüht die Wüstenlandschaft - ein grandioses Erlebnis. Wenn man die Reise in der Winterzeit Mai bis September unternimmt, liegen die Temperaturen tagsüber mit 20 bis 25 Grad Celsius im angenehmen Bereicht, nachts wird es dafür eiskalt.
Campen:
Der Autor und seine Guides haben schwerpunktmäßig die Community-Camps aufgesucht. Damit unterstützten sie die örtlichen Gemeinden. Die meisten Camps sind ordentlich, doch mitunter sind die Toiletten stark verschmutzt. Essensreste sollte man wegen der Tiere nicht liegen lassen.

Motorrad:
Der Autor war mit einer Suzuki DR 650 SE unterwegs, die er im Rahmen der geführten Tour mit Axel Cordes von Enduro Namibia mietete. Dieser Typ Motorrad ist perfekt für Afrika. Im Falle einer Panne ist die simple Technik überall reparierbar. GPS und Satellitentelefon sind von Vorteil. Auf den Tracks im Kaokoveld sollte man mindestens zu zweit fahren.
Ausrüstung:
Optimal ist ein gut belüfteter Enduroanzug. Auch der Helm sollte luftig sein und eine Sonnenblende haben. Regenjacke und Regenhose im Gepäck können bei Regen oder Kälte schnell übergezogen werden. Cross-Stiefel und Protektorenjacke sind selbstverständlich. Zudem setzte der Autor auf eine Orthese. Schützt gut und ist bequemer als man denkt (www.ortema.de). Trekkingstiefel halten Schlangen und Skorpione ab. Moskitospray hilft in den Abendstunden. Malariaprophylaxe sollte mit dem Arzt besprochen werden.
Fotografie:
Der Autor benutzte einen Fotorucksack, den er auf dem Rücken trug. Wer seine Kamera im Tankrucksack transportiert, kann ein Camel-Bag am Rücken tragen und dann während der Fahrt trinken. Bei der Hitze sehr sinnvoll. Ein Weitwinkel- und ein Telezoom sind optimal für Namibia-Motive. Zum Schutz vor Staub UV-Filter vor den Linsen anbringen. Das Fotografieren der exotisch wirkenden Landesbewohner wird nach Anfrage oft gerne erlaubt. Weitere Fototipps: www.matthiashaupt.de
organisierte Reisen:
Das MOTORRAD action team offeriert mit Partner Gravel Travel geniale Touren. Infos: www.actionteam.de, Telefon 07 11/1 82/19 77. Zusätzliche Reiseangebote (z. B. Geländewagen): www.gravel-travel.de. Auch Enduro Namibia mit Tourguide Axel Cordes bietet offroad-orientierte Trips mit der richtigen Portion Action: www.enduro-namibia.de. Reisedauer: 21 Tage; Gefahrene Strecke: 2500 Kilometer. Namibia Hauptstadt: Windhoek Fläche: 824116 Quadratkilometer; Unabhängigkeit: 1990; Währung: Namibia-Dollar; Einwohnerzahl: 2104900.