»Ich zoome aus der Totalen ´ran, ziehe über dem Tank auf, mache einen close up vom Zylinderkopf und schwenke dann rüber zu den Stills von der Buell.« Der Mann mit der Sony Betacam auf der Schulter wartet auf das Einverständnis des Kollegen, von dem er offenbar sicher ist, das der den Satz versteht. »Ja, okay, zeig den offenen Kardan noch und bring vor allem Bewegung rein, ich will Tempo.« Produktionstag beim Motorteam des Nachrichtensenders n-tv. Kameramann Günter Uttendorfer und Redakteur Christof Johann arbeiten gerade am Fahrbericht für ihre nächste Motorsendung. Hauptdarstellerinnen sind dabei eine Moto Guzzi Sport 1100 i und eine Buell X 1, sportliches Schwermetall mit Vergangenheit also. Christof fischt schnell noch sein Zigarettenpäckchen aus dem Bürzelfach der Guzzi und macht sich dran, die Location genauer in Augenschein zu nehmen. Eine alte Mühle im Odenwälder Ulfenbachtal, einstiger, aber später unter den Hammer gekommener Besitz seiner, beziehungsweise unserer Urgroßeltern - Chris ist mein Bruder. Nun fungiert sie also als Kulisse für diese zwei mindestens ebenso traditionsschweren Bikes aus Milwaukee und Mandello de Lario. »Motorradsendungen im Fernsehen brauchen Geschichten«, erklärt der 43jährige Redakteur, »emotionale Anbindungen.« Großartig Fakten und technische Daten könne man in fünf Minuten Sendezeit ohnehin nicht rüberbringen, das lieferten Printmagazine einfach besser. »Wir können einen persönlichen Fahreindruck geben, mehr nicht.« Außerdem werde der Zuschauer speziell bei einem Nachrichtensender wie n-tv rund um die Uhr mit Zahlen und Fakten bombardiert, da falle einer Motorsendung eher die Aufgabe zu, Entspannung zu bieten, etwas Buntes zwischen Dax und Dow Jones. Als bei dem noch jungen Tochterunternehmen der amerikanischen CNN vor fünf Jahren die sogenannte Verweildauer der Zuschauer auf einen Tiefststand von gerade noch sieben Minuten gefallen war, entschloß sich die Redaktion, mehr Magazine für eine längere Zuschauerbindung einzubauen. Motor zum Beispiel. Denn, so Christof Johann, »Motor geht immer.« Zusammen mit seinem Kollegen Klaus Niedswietz brütete der Nachrichtenjournalist, der damals noch hauptamtlich Politikmeldungen verfaßte, Live-Schaltungen koordinierte oder Ü-Wagen zu Katastrophenschauplätzen schickte, in nächtelangen Sitzungen ein Konzept aus. Vier Sendungen pro Monat sollten es werden, dreimal Auto, einmal Motorrad. Mit Fahrberichten, Sicherheitstips, Sport und bunten Beiträgen rund ums Thema. Als jahrelanger Motorradfahrer wußte Chris, was gefragt ist. Erstes Testmotorrad war - ganz klar - die Honda NTV 650. Die Idee stellte sich bald als voller Erfolg heraus, »Motor« weist inzwischen die dritthöchste Einschaltquote des Senders auf, die Verweildauer liegt nun bei 20 Minuten. »Ich bin fertig. Willste ´n Monitor?« meldet sich der Kameramann. Auf dem kleinen Bildschirm der Kamera betrachten die beiden Günters Ergebnis. Okay, paßt. Kurze Besprechung, Christof hat sich inzwischen ein paar Fahrszenen vor der Mühle überlegt. Ein konkretes Drehbuch gibt es nicht, »ich entscheide lieber vor Ort, wenn ich die Möglichkeiten sehe und Situationen spontan einbeziehen kann«. Chris nimmt die Guzzi, ich die Buell - die Story von Tradition und Familie muß authentisch aufgezogen werden. Wir fahren ein paarmal in den Hof, wandern um das Gebäude, okay, reicht, fertig. Die Jungs sind überraschend schnell, »Günter, verkünstle dich hier nicht!« Der Redakteur hat die Uhr im Auge, zwei Produktionstage müssen straff durchgeplant werden. Assistent Jochen Frederichs, zuständig für Fahrdienste und das Schleppen des Equipments, hat Getränke und belegte Brötchen organisiert. »Mittag!« Nach einer halben Stunde Pause auf ein paar alten Mühlsteinen geht es weiter. »Jetzt brauchen wir Kurven!« Bei n-tv legt man wehrt auf artgemäßen und seriösen Umgang mit Motorrädern. Über den Sensationsjournalismus, den in den vergangenen Monaten die 300 km/h schnelle Suzuki Hayabusa auf die Matte gerufen hatte, schüttelt Christof nur den Kopf. Ob es nicht eine Versuchung gewesen sei, als die gesamte Journallie über die »Todesmaschine« herfiel? »Nein, ich arbeite nicht jahrelang ernsthaft am Thema Motorrad, um dann in fünf Minuten alles zunichte zu machen. Demnächst haben wir eine Hayabusa im Test, und ich werde sie wie jedes andere Motorrad auch behandeln. Denn für mich ist sie nichts anderes.« Entschlossen streift er die Gore-Tex-Jacke über, ein Druck auf den Starter, und bebend schüttelt sich die Guzzi wach. Die nächste Einstellung soll irgendwo auf den kleinen Odenwaldsträßchen zwischen Waldmichelbach und Beerfelden gedreht werden. Sie suchen eine Stelle mit viel Tempo, »eine Kurve, wo Sound und Speed zugleich rüberkommen«. Auch wenn der Text erst beim Schneiden im Studio entsteht, den atmosphärischen Motorenklang legen sie bereits beim Dreh auf der Tonspur an. Vom Auto aus beobachtet Günter die Strecke. Er schlägt einen gewunden Weg unterhalb der Straße vor. Nein, Chris gefällt die Perspektive nicht, der Kamerastandort wäre zu weit weg. Es muß intensiver sein, näher dran. Dann kommt die richtige Stelle, eine langgezogene Highspeed-Kurve. Günter postiert sich mit der Kamera am Kurvenaußenrand, gibt uns die nötigen Anweisungen: Im Abstand von etwa 100 Metern hinter der Guzzi anrollen und dann 50 Meter vor der Kamera voll aufdrehen. Visiere zu, los geht`s. Doch Günter kommt mit dem Temposchwenk nicht hinterher. Also langsamer das Ganze und etwas später Gas geben. Am Monitor wird das Ergebnis begutachtet. Ein paar Autofahrer schleichen vorbei, starren erschrocken die Motorräder, den warnblinkenden Saab und die beiden gebückten Männer am Straßenrand an. Chris winkt sie vorbei. Nein, kein Verkehrsunfall. Bei aufwendigeren Produktionen helfe oft eine alte Straßenarbeiterweste, erzählt er grinsend, die sei immer mit dabei.Die Szene ist im Kasten, jetzt kleinere Kurven, bremsen, abbiegen, beschleunigen, eben eine ganz normale Motorradtour simulieren. Wir arbeiten uns die Beerfelder Gemarkung hinauf und hinab, Günter mit der Kamera mal rechts, mal links von uns, mal hoch oben auf einem Bahndamm, mal unter uns im Graben, mal im offenen Kofferaum des fahrenden Saab kauernd, unsere Vorderräder fast an der Stoßstange, mal läßt er eine winzige, aufgetapte Digitalkamera vom Tank übers Cockpit hinweg die prickelnden Schräglagenwechel ins Bild bringen. Rad an Rad saußen Chris und ich an ihm vorbei, näher dran, weiter weg, schneller oder langsamer - ganz wie gewünscht. Uns stört´s nicht - Motorräder gehören schon lange bei uns zum Leben dazu. Aufgewachsen in einem verschlafenen oberhessischen Nest namens Altenstadt, dessen einzige Attraktion ein wortkarger Mann und seine mächtigen Motorräder waren - Friedel Münch. Seine Teststrecke führte direkt an unserem Hoftor vorbei. Chris erklärte mir dann immer die technischen Details der 1200er Mammut. Er war neun und ich fünf. Wenden, zurück, noch einmal. Schnitt und Gegenschnitt, Close up und Totale - Günter spielt inzwischen die ganze Tonleiter seines 100 000-Mark Equipments auf und ab. Tempo und Dynamik einzufangen ist nicht einfach. Wenn auch das bewegte Bild vieles automatisch liefert, ist der Aufwand enorm, beschäftigt neben Günter nicht nur einen Assistenten vollzeitmässig, sondern füllt auch den begleitenden Saab-Kombi bis unters Dach. In Miltenberg muß noch eine kurze Szene bei einem schnapsbrennenden Johannschen Vorfahren gedreht werden. Günter dirigiert uns gelassen durch den Feierabendverkehr, filmt zwischen einparkenden Autos und neugierigen Kindern hindurch, und auch als die Guzzi in dem Gedränge vom Ständer kippt - die Jungs bleiben cool, ein guter Dreh sei das.Da ist plötzlich der Kuhwagen vor uns. Ein Trecker mit einer Art Laufstall ohne Boden hintendran, in dem drei Rinder zur Weide trotten. Als wir kurz im Kuhtempo hinterherzuckeln müssen, kommt Christof eine Idee. Er überholt, winkt den Saab zu sich und bittet Günter, dieses Ding aufzunehmen. Und er dann werde er den Bauern überreden, daß wir mit den Motorrädern in den unten offenen Laufkäfig dürfen und ein Stück drin mitrollen. Ohne Kühe, natürlich. Der Bauer hat ohnhin inzwischen die Rinder auf die Weide entlassen und lacht laut auf, als er den Vorschlag hört. »Da fallt ihr ja um, so langsam ist das.« Nein, das gehe schon. Er macht tatsächlich mit, und so fusseln wir mit zwei Mal 90 PS im Laufkäfig hinter dem Trecker her. Günter winkt, er hat´s im Kasten. Fertig, Ende - Drehschluß. Chris ist begeistert. Das sei der Einstieg, freut er sich, daran könne er jetzt prima über »traditonelle Odenwälder Fortbewegung« den Bezug zu seiner Geschichte aufbauen. Szenen, die in der Tat kein Drehbuch vorschreiben kann. Das Team ist zufrieden, der Film komplett. 60 Minuten Material haben sie, rund zehn Stunden Schneide- und Textarbeit liegen noch vor ihnen. Für sechs Minuten Sendezeit. Einer von drei Beiträgen, die am 22.Juni 1999 bei n-tv ein weniges Buntes zwischen Kosovo, der Börse und dem Wetter verbreiteten.
Motorräder im Fernsehen
Wer sich im Fernsehen zum Thema Motorrad informieren will, hat mehrere Möglichkeiten. Neben n-tv »Motor« (einmal monatlich Motorrad) kümmert Eurosport intensiv um Rennberichterstattung. Auf eine eher bunte Mischung aus Fahrberichten, Sport und Sensationen setzt Konkurrent DSF. Allgemeines zum Thema Verkehr findet sich in der Regel bei VOX und den öffentlich-rechtlichen Sendern. Eine aktuelle Übersicht bietet MOTORRAD in jedem Heft auf der Terminseite.