Indonesien: Perlen im Ozean
Willkommen auf Bali, willkommen in einer anderen Welt. Welch verrückter Verkehr: Wie Hornissenschwärme bevölkern Heerscharen von Zweirädern die Städte und Dörfer. Für uns ungewohnt sind Frontnummernschild und Links-verkehr. Und dann die Fahrweise: pure Anarchie. Das Leben tobt auf der Straße. In dieses Gewühl stürzen wir uns nun mit Mietmotorrädern. Mein Freund Kalle, der Bali bestens kennt, macht mir Mut: "Das wird schon." Auch Wayan Joker, unser einheimischer Tourguide, sagt: "Alles kein Problem." Also los! Unsere Honda Tiger 2000 mit 200 cm³ und 17 PS gelten - gemessen an den üblichen 100ern - als echte Superbikes.
Die wichtigste Verkehrsregel: drohenden Kollisionen blitzschnell ausweichen und dabei am besten hupen. Wer sich traut, hat Recht, basta. Wenn's doch mal nicht reicht, geht's rund; denn fast alle privaten Fahrzeuge sind nicht versichert. Im Schadensfall wird frei verhandelt, unter großem Gezeter und Anteilnahme des ganzen Dorfes. Und wenn's ganz dick kommt, bleibt noch der hinduistische Glaube an die Wiedergeburt: Mehr als 95 Prozent der Balinesen gehören dem Hindu-Dharma-Glauben an, der die Harmonie der Menschen untereinander sowie den Einklang mit der Natur und den Göttern lehrt. Der Glaube scheint für Erleuchtung zu sorgen; denn bis zur völligen Dunkelheit schaltet niemand seine Fahrzeugbeleuchtung ein. "Licht?", fragt Wayan ungläubig. "Das irritiert uns nur".
Und das in den Tropen, wo die Sonne in der Abenddämmerung schlagartig ins Meer stürzt und die Nacht zwölf Stunden dauert. Wir nächtigen im Hotel direkt am Strand, in Padangbai im Osten Balis. Am nächsten Morgen schrauben wir uns über kleinste Kehren die Berge hinauf und erreichen auf 1640 Metern die Passhöhe. Das Tiger-Fahrwerk ist extrem handlich und erstaunlich komfortabel, der Single über 6000/min durchaus kräftig.

Vier oder fünf Personen zusammen auf einem der beliebten Einzylinder-Kleinmotorräder sind keine Seltenheit. Oder Säcke voller Reis. Oder lebende Schweine .Im ursprünglichen Teil Balis, außerhalb des touristischen Südens, ist das Leben hart für die Menschen. Hier gibts hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne. Während wir an ihnen vorbeifahren, winken die Menschen enthusiastisch. Kein Luxus, keine Konsumgüter, dafür jede Menge Herzlichkeit. Unsere Motorräder sind kulturelle Türöffner, denn wir bewegen uns so wie die absolute Mehrheit der Bevölkerung.
Kulturschock in Ubud, Kunst und Touristenkitsch. Enge, verwinkelte Straßen, Parkplatznot für Motorräder und Heerscharen von Urlaubern. Wir fliehen in den Affenwald, werden dort von neugierigen Javaneraffen umringt. Sie gelten als heilig, durchwühlen unsere Kamera-Taschen und verlangen Futter. Am Abend besuchen wir einen traditionellen Kecak-Tanz. Mehr als 100 Männer und etliche anmutige Frauen stellen in mitreißender Choreographie den Kampf des Guten gegen das Böse dar. Wirklich beeindruckend, diese Kultur. Das gilt auch für die Religion. Neun Haupttempel gibt es auf Bali, aber zehntausende von zeremoniellen Plätzen. Täglich wird etwas gefeiert.
Bahasa-Indonesisch ist eine für unsere Ohren sehr muntere Sprache, klingt wie eine Mixtur aus Finnisch und Holländisch. Klar, die Niederlande waren bis 1949 Kolonialmacht. Auspuff heißt hier "Knalpot". Die uns geläufigen Wörter? "Bami" und "Nasi Goreng, gebratene Nudeln und gebratener Reis. Gibts günstig und gut an jeder Ecke aus mobilen Garküchen, den Warungs. Zwei Fragen stellt einem jeder: "Darimana?" (Woher kommst du?) und "Mau ke mana?" (Wohin willst du?). Unsere Antwort: mit dem Schiff nach Osten, auf die Nachbarinsel Lombok.
Inselhüpfen in Indonesien

Beim Entern der Fähre sehen wir im kristallklaren Wasser feingliedrige Korallen bis zum Strand und bunte, skurrile Fische. Die Motorräder parken wir in ölverschmierten Nischen im Bauch des Schiffes. Auf dem Ladedeck meckern Ziegen, Bäuerinnen breiten ihre Früchte aus. Melly, eine 22 Jahre junge Muslimin, verkauft "Salak", leckere Schlangenfrüchte. Hygienische Standards muss man hier komplett über Bord werfen. Der Kahn ist von löchriger Konsistenz. Ein Seelenverkäufer? Man soll sich keine Sorgen machen, sagen die Indonesier, die Wasser, Obst und Zigaretten an Bord verkaufen. Natürlich gehe hin und wieder eine Fähre unter. Aber der letzte Untergang sei schon acht Monate her...
Lombok empfängt uns anders als Bali. Die Menschen sind ärmer. Hütten liegen gegenüber von Luxushotels am Strand. Nicht lange lässt die erste von vielen Moscheen auf sich warten, laut ruft der Muezzin zum Gebet. Und uns in Erinnerung, in einem muslimischen Land unterwegs zu sein. Pferdefuhrwerke bestimmen in mancher Stadt das Straßenbild. Die Frauen tragen Kopftücher, doch verschleiert sind sie nicht, werfen uns Ungläubigen sogar ein Lächeln zu.
"Crazy Road" heißt die Küstenstraße im Norden Lomboks. Eine Achterbahn am Meer. Oft biegt der Asphalt hinter einer Kuppe oder in einer Senke unvermittelt um 90 Grad ab. Eine Nordschleife in den Tropen, nur malerischer und mit moderatem Tempo. Zur linken liegt der indische Ozean, rechts ragen schroffe Gebirge empor. Wir passieren Kokospalmen am Strand, Bananenstauden, fahren durch 20 Meter hohe Bambushaine. Bambus taugt für Baugerüste, Häuserwände und Leitplanken im Dschungel. Oder für Boote, Wasserleitungen und Möbel. Die Pflanze der 1000 Möglichkeiten. Bauern stehen in den Reisfeldern. Strohhüte auf dem Kopf, kultivieren sie Asiens grünes Gold. In entlegeneren Regionen wirkt die Ankunft unserer fünf Tiger als Sensation. Menschen bleiben mit offenem Mund stehen, Schüler stürmen mitten aus dem Unterricht. Die umgerechnet 1800 Euro teuren Tiger (gesprochen "Tiggärrr") kennt hier jedes Kind. Fast immer überbrücken Kinder als erste die Distanz. Uns helfen Digitalfotos als Brückenschlag. Die Menschen fühlen sich geehrt, wenn sie ihr Konterfei auf dem Monitor erblicken.

Wieder spuckt uns eine Fähre aus: auf Sumbawa. Hier wachsen Mangrovenwälder an der Küste, mit fein verästeltem Wurzelwerk. Im ersten Dorf stehen blaue, bunte Fischerhäuser auf Stelzen. Geschäftig-laut geht's dagegen in der Großstadt Sumbawa Besar zu, der ehemaligen Sultansstadt. "Hast Du eine Ehefrau?, will Nurhayati, 24-jährige Rezeptionistin des Hotels wissen. Die Antwort "Nein, noch nicht, kann sie gar nicht fassen. Die Hauptstraße Sumbawas ist auf manchen Abschnitten mit kratertiefen Schlaglöchern übersät. Darin könnte ein Wasserbüffel baden. Es wäre ein prächtiges Enduro-Revier, doch XTs, XLs oder DRs gibt es seltsamerweise nicht. Zum Glück zirkeln auch unsere Tiger kinderleicht um Hindernisse aller Art. Und tragen uns sicher nach Sape, der Hafenstadt im Osten. In traditionellen Werften benötigen zwei Personen einen Monat für den Bau eines zehn bis 15 Meter langen Fischerbootes. Dessen Holzplanken werden mit Holzstiften befestigt und mit Baumrinde abgedichtet.
Auf der Insel Rinja warten im Komodo-Nationalpark Drachen auf uns. 1200 bis zu drei Meter lange Komodo-Warane leben hier. Man darf sich nur in Begleitung eines Rangers fortbewegen. Unserer heißt Kefi, ist Mitte 20. Er schützt nicht die Warane vor uns, sondern umgekehrt; denn der Biss eines Komodo-Warans endet tödlich und qualvoll. Der Speichel der Tiere enthält Bakterien, die unheilbaren Wundbrand und Blutvergiftung auslösen. Die Warane lümmeln sich fast regungslos im Schatten. Ihre Beute läuft ihnen nicht weg. Wasserbüffel, deutlich größer als die Echsen selbst, die nach einem Biss nur noch zwei Wochen zu leben haben.
Indonesien: Die Blumeninsel

Flores, die Blumeninsel. Vor Millionen Jahren haben sich die Berge aus dem Erdinneren geschoben, von Vulkanen aus-gespien, an der Luft erstarrt, in bizarrsten Farben und Formen. Von Leuchtendrot bis Tiefschwarz. Spitz und schroff, dann rundlich und lieblich. Unablässig rollt das Meer dagegen an, weiße Gischt über türkisblauem Grund. Vegetation und Wetter ändern sich im Regenwald dramatisch. Grandios sind die verschiedenen Baum- und Pflanzenarten zu einem gewaltigen 3D-Puzzle ineinander verschachtelt, der Wald dampft Nässe aus. Die Regenzeit kommt dieses Jahr früh. Der "Trans-Flores-Highway", die einzige West-Ost-Verbindung auf der katholisch geprägten Insel, hat sich in eine üble Schlamm- und Lehmpiste verwandelt. Tapfer kämpfen sich unsere Tiger durch knietiefe Wasserfurten. Eine wichtige Brücke wurde unpassierbar, Lkw und Autos stehen quer im lehmigen Boden. Nur die Zweiräder kommen durch, werden mit vereinten Kräften den rutschigen Hang hochgezogen. Na also, geht doch.
Es wird abenteuerlich. Auf der kurvengespickten Straße durch den Urwald liegen dicke Felsbrocken. Die müssen letzte Nacht erst runtergekommen sein. Später kassieren Wegelagerer für freie Fahrt. Am ersten Morgen im Hotel gibt es kein Wasser, am zweiten keinen Strom. Wir können zusehen, wie der Strommast kippt, vom Wasser unterspült. Unser Strommast. Also sind Kerzen angesagt. Gestern noch hatten wir tiefblauen Himmel und 35 Grad. Heute sind wir nass und frieren. Mitten in den Tropen. Weiter geht es, dann reißt eine Glasscherbe einem unserer Tiger die Hinterpfote auf. Wir können den Reifen vor Ort reparieren. Neben uns wechseln Lkw-Fahrer ihre Radlager, direkt an der Straße.

Im Dorf der Manggarai stehen katholische Ikonen mitten im Dschungel. Die Reisterrassen sind angelegt wie riesige Spinnennetze; jede Familie bewirtschaftet ein Tortenstück. Aromatisch liegt der Duft von Nelken und Zimt, Vanille und Kaffee in der Luft. Papayas und Mangos wachsen direkt vor den Hauseingängen. Eine überwältigende Vielfalt. Plötzlich steht eine Dampfwalze auf der Piste; Arbeiter kochen in alten Ölfässern Teer für den Trans-Flores-Highway. Straßenbau ist Handarbeit. Immer wieder Lücken, ungesicherte Abhänge. Auf den Dächern der überfüllten Kleinbusse (Bemos) reisen Ziegen, Bananenbündel und Menschen.
Beim Ort Ende liegt der "Blue Stone Beach". Die blauen Steine des schwarzen Lava-Traumstrandes dienen weltweit als begehrte Zierde für Gärten und Aquarien. Farbig leuchten auch die Kraterseen des Vulkans Kelimutu. Je nach Mineralgehalt des Wassers türkis, braun und dunkelgrün, aber auch mal dunkel-rot, hellblau und hellgrün. Kein Wunder, dass dieses Panorama ein wichtiger Ort für Rituale wurde: Die Seelen der Verstorbenen sollen in diesen heiligen Gewässern ruhen. Und wir ruhen in uns selbst, nach dieser fantastischen Reise.
Indonesien - Infos

INFOS
Indonesien ist das einwohnerreichste mehrheitlich von Muslimen bewohnte Land und der größte Inselstaat der Welt: 17500 Inseln beiderseits des Äquators, davon 6000 bewohnte, erstrecken sich über 5000 Kilometer Länge.
Hauptstadt: Djakarta
Fläche: 1912988 km2
Gründung: 1949
Währung: Rupiah
Einwohnerzahl: 240 Mio.
ALLGEMEIN
Das Klima Indonesiens ist tropisch-warm, Kulturen und vorherrschende Religionen variieren je nach Insel: Auf Bali dominiert der Hinduismus, Lombok und Sumbawa sind mehrheitlich muslimisch und Flores römisch-katholisch. Landessprache ist Bahasa Indonesia. Ferner existieren zahlreiche Regionalsprachen. Englisch ist Handelssprache. Bali hat eine Fläche von 5561 km2 und 3,3 Millionen Einwohner; die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 95 Kilometer, von Ost nach West sind es maximal 145 km. Der Vulkan Gunung Agung ist mit 3031 Metern der höchste Berg der Insel. Infos: www.bali-info.de und www.insel-der-goetter.de.
ANREISE
Flüge nach Bali kosten je nach Saison 850 bis 1300 Euro. Für die Einreise verlangt Indonesien ein Visum, das als "Visa on Arrival" für 25 US-Dollar (17 Euro) am Flughafen ausgestellt wird (Gültigkeit 30 Tage). Der Reisepass muss bei Einreise min-destens sechs Monate gültig sein.
ÜBERNACHTEN
Auf der Touristen-Insel Bali gibt es (Luxus-)Hotels in Hülle und Fülle, doch der Süden ist touristisch völlig überlaufen. Also besser in die Mitte der Insel, nach Norden oder Osten ausweichen. Ein bezahlbares Traum-Hotel in Ubud ist das "Artini 3 Cottages" (www.artinicottage.com, DZ ab 40 US-Dollar/27 Euro). In Padangbai, dem Fährhafen nach Lombok mit tollem Strand und paradiesischen Tauchrevieren, ist das Hotel Puri Rai (www.puriraihotel.com, DZ ab 31 US-Dollar/21 Euro) eine feine Unterkunft. In Lovina Beach wartet das edle Hotel Rambutan (www.rambutan.org, DZ ab 50 US-Dollar/34 Euro). Auch Lombok hat eine sehr gute Infrastruktur; ab Sumbawa werden Hotels spärlicher.
GELD
100 Euro sind 1,4 Millionen indonesische Rupien. So schnell wird man zum Millionär!
KLEIDUNG/GEPÄCK
Luftige Sommerkleidung mitnehmen oder günstig vor Ort kaufen (T-Shirts). Sehr empfehlenswert für Motorrad-Touren: Protektoren-Jeans, leichte Textiljacke, Kurzstiefel oder hohe Wanderschuhe, dünne Handschuhe. Bei Schauern helfen die auf Bali beliebten Pelerinen zum Drüberziehen. Gepäck per Spanngurten oder Gepäckspinne sichern.

MOTORRAD MIETEN
Motorradvermieter gibts in Touristenmetropolen im Süden Balis (Kuta); eine 125er kostet ab etwa fünf Euro pro Tag, die 200er-Honda Tiger zirka zehn Euro pro Tag. Wichtig: Papiere und technischen Zustand der Mietmaschine gründlich checken. Haftpflichtversicherung ist unbe-kannt; falls gewünscht, schon in Deutschland Zusatzversicherung für Mietfahrzeuge abschließen (ADAC). Obligatorisch ist der Internationale Führerschein. Benzin kostet etwa 50 Cent/Liter, die Versorgung ist auf Bali flächendeckend; in abgelegenen Gegenden gibt's keine regulären Tankstellen, sondern kleinste Verkaufsstände mit Sprit in Kanistern und Plastik-Flaschen - zu erkennen am Schild "Premium."
GEFÜHRTE TOUREN
Linksverkehr und hohe Verkehrsdichte erfordern viel Konzentration. Daher empfehlen sich einheimische Tourguides und Berater. Einfach ein toller Typ: der englischsprachige Wayan Joker, Telefon: 0062/81338775198. Geführte Touren mit Rundum-Service bietet Windlooper an. Eine 15-tägige Bali-Reise (März und Oktober 2010) kostet inkl. Flug, Hotels und Miet-Motorrad 2495 Euro. Bei der 21-tägigen Flores-Tour (29. 10.-21. 11. 2010) zu 3695 Euro sind zusätzlich Inlandsflüge und eine Woche Bade-Urlaub auf Bali enthalten. Infos: Telefon 04941/964513 www.windlooper.de.
LITERATUR
Empfehlenswert auf Englisch: Die Bände "Bali" sowie "Indonesia" aus der Reihe Lonely Planet. Detaillierte deutsche Infos bietet der Reiseführer "Bali & Lombok" (22,50 Euro) aus dem Reise Know how Verlag. Dort erschien auch der "Kauderwelsch"-Sprach-führer Indonesisch (7,90 Euro). Kompakt und günstig: der ADAC-Reiseführer Bali & Lombok (6,50 Euro) und das Pendant von Marco Polo (9,95 Euro). Reise-Impressionen zur Einstimmung erzählt Rüdiger Neukäter in "Unterwegs in Indonesien" (19,80 Euro). Und Kult-Autor Douglas Adams entführt in "Die letzten ihrer Art" auf gewohnt unter-haltsame Weise zu den Komodo-Waranen (Heyne, 8,95 Euro).