Unterwegs
Von Nord nach Süd durch Afrika

Ein großes Abenteuer: allein und mit schmalem Budget auf einer Honda Transalp durch den schwarzen Kontinent mit seiner für Europäer unbegreiflichen, aber faszinierenden Vielfalt an Kulturen, Flora und Fauna.

Von Nord nach Süd durch Afrika
Foto: Obert

Richtung Basel auf der A5. Ich sehe ein leicht gestresstes, unsicher wirkendes Gesicht im Motorradrückspiegel. Angst? Ich bin losgefahren, weil ich Afrika durchqueren, diesen Kontinent kennenlernen möchte. Eine innere Notwendigkeit, es gibt nichts und niemanden, mit dem ich jetzt tauschen will. Trotzdem habe ich Respekt vor meiner eigenen Courage. Ein Zustand, der sich erst legt, als ich das italienische Ancona erreiche. Von hier bringt mich die Fähre nach Cesme, einen kleinen Hafen im Westen der Türkei, unweit von Izmir.

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Von Nord nach Süd durch Afrika
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Um in der Türkei nach Osten zu gelangen, wähle ich die Küstenstraße im Süden, da es in großen Teilen des Landes jetzt, Anfang November, schon empfindlich kalt ist. Zügig erreiche ich die syrische Grenze. Bei einer kurzen Gepäckinspektion stoßen die Zöllner auf meine umfangreiche Fotoausrüstung samt Stativ. Der Grenzbeamte fragt mich bohrenden Blickes, ob eine Beziehung zu Israel besteht oder ob ich nach Israel weiterreisen will. Nach einer ausführlichen Erklärung meines Vorhabens erhalte ich einen kräftigen Händedruck und höre ein glaubwürdiges, mit tiefer Stimme vorgetragenes "Welcome to Syria, Mister". Als Deutscher wird man hier häufig willkommen geheißen. Die Haltung der deutschen Regierung zum Irakkrieg hat sich den Menschen positiv eingeprägt. Das wird mir wieder und wieder erzählt.

In Jordanien fahre ich durch atemberaubende Canyons zum toten Meer, das 400 Meter unter dem normalen Meeresspiegel liegt. Häufige Polizei- und Passkontrollen gehören hier, wie schon zuvor in Syrien, zum Alltag. Im Süden von Jordanien, nahe der Grenze zu Saudi Arabien, rolle ich durch traumhafte Wüstengebiete. In Akaba, an der Südspitze des Landes, nehme ich ein Schiff nach Nuveiba, einem Hafen auf der Sinai-Halbinsel. An der Grenze muss ich eine Fahrzeugversicherung für zwei Monate abschließen und erhalte eine ägyptische Fahrerlaubnis samt arabischem Nummernschild. Als sich der Schlagbaum hebt, breitet sich ein neuer Kontinent vor meinen Rädern aus: Ägypten ist das erste Land, das ich in Afrika bereise. Nach ein paar Tagen im Sinai zieht es mich nach Kairo und Gizeh. Bereits von weitem werden im weichen Abendlicht die überwältigenden Umrisse der großen Pyramiden über dem Häusermeer sichtbar.

Obert
Sudan: Ein­ladung zum Essen mit neuen Freunden in der nubischen Wüste.

Ich besorge mir in Kairo Visa für den Sudan und Äthiopien, dann kehre ich dieser von krassen Gegensätzen geprägten Millionenmetropole den Rücken. Meine Begegnungen mit den Menschen sind widersprüchlich: Freundlichkeit überwiegt, doch es gibt auch Tage, an denen ich mich von morgens bis abends betrogen und ausgenommen fühle. Das Wort "Bakschisch" ist ein fester Bestandteil im Wortschatz der Ägypter. Um alles muss man handeln und feilschen, was nervlich nicht immer einfach zu verkraften ist.

Von Assuan aus verlasse ich Ägypten mit einer völlig überladenen Personenfähre in Richtung Sudan. In Wadi Halfa, der Grenz- und Hafenstadt des Sudan, sind jegliche Arten von befestigten Straßen unbekannt. Zwei Tage verbringe ich dort, bis meine Grenz- und Einreiseformalitäten erledigt sind. Was sofort auffällt: Ein großer Teil der Frauen ist hier im Norden des Sudans - im Gegensatz zu Ägypten - mit leichten, extrem farbigen Gewändern bekleidet. Die Route entlang des Nils besteht aus übelsten Wellblech-, Schotter-, und Sandpassagen. Nach 450 Kilometern und drei Tagen erreiche ich Dongola und genieße zum ersten Mal im Sudan ein Teerband von etwa 40 Kilometern.

Die Landschaft ist atemberaubend, und die Menschen in den nubischen Dörfern entlang des Nils sind grundsätzlich herzlich, wenn mitunter auch verquere Ansichten herrschen: In Khartum teile ich mit drei Sudanesen ein Zimmer und werde in einem Gespräch über die Holocaustlüge aufgeklärt, die bei uns in Europa doch verbreitet wird. Der Name Adolf Hitler fällt, und man erklärt mir allen Ernstes, dass er ein großartiger Politiker gewesen sei. Schnell weg hier. Die Temperaturen sind hoch, ich versuche, um die Mittagszeit schattige Plätze zu finden und zu pausieren. Immer häufiger zwingen mich auch Sandstürme vom Motorrad.

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Äthiopien: Gottesdienst in der Felskirche Bet Giyorgis, Lalibela.

Die heißen Temperaturen drängen mich in die Berge. Mit dem Ziel, in das äthiopische Hochland zu fahren, überquere ich die Grenze. Damit verlasse ich nicht nur den Sudan, sondern auch die Islamische Welt. Ein Großteil der Menschen in Äthiopien ist christlich-orthodoxen Glaubens. Äthiopien wird auch als das "Dach Afrikas" bezeichnet, weil 80 Prozent der gesamten Land-fläche über 3000 Metern Höhe hier liegen. Etliche der Berge ragen sogar über 4000 Meter in den Himmel. Kinder und Jugendliche, manchmal nur mit Lumpen bekleidet, stehen auf der Straße und schreien "you you", "hello money", "give me, give me", wenn ich vorbeirolle. Gelegentlich fliegen auch Steine in meine Richtung.

Die Straßen hier im Norden von Äthiopien sind größtenteils grobe, schwierig zu befahrende Schotterpisten. Die Landschaft ist spektakulär. Lastwagen schrauben sich rußend und mit Höchstdrehzahl im ersten Gang die enormen Steigungen hoch.

Mein Gepäckträger ist durch das ständige Gerüttel gebrochen. Materialschonend fahren ist unmöglich, aber ich finde in Axum einen Handwerker, der die gebrochene Stelle schweißen kann.

In Addis Abeba, wie auch in den meisten anderen Gegenden in Äthiopien, fällt es schwer, günstige Hotels zu finden, die nicht gleichzeitig auch als Bordell dienen. Die Nächte sind laut, in den Hotelbars wird getanzt und gefeiert, dazu wird gesoffen, was das Zeug hält. Dazwischen laufen Straßenkinder herum, die als fliegende Händler Süßigkeiten und Zigaretten verkaufen.

Unterwegs in Afrika Teil 2

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Ungefährliche Begegnung im Omovalley im Süden Äthiopiens.

Meine weitere Route führt mich in den Süden des Landes. Die dominierende Farbe der extrem hügeligen Landschaft ist Grün, immer mehr weichen die Asphalt-Abschnitte wieder knochenbrechenden Rüttelpisten. Ich sehe große Gruppen von Affen, immer wieder auch andere Wildtiere. Das Klima ist tropisch, und es regnet fast täglich. Hier habe ich auch Begegnungen mit Angehörigen verschiedener Naturvölker, die in Rundhütten mit Strohdächern wohnen. Viele Menschen laufen fast völlig nackt herum, doch durch die Art ihres Körperschmucks lassen sich die verschiedenen Stämme voneinander unterscheiden. Manche Männer sind mit Speeren bewaffnet oder tragen eine Kalaschnikow geschultert.

An der kenianischen Grenze wird meine Honda bestaunt, die Zöllner wünschen mir gutes Wetter, ein selbsternannter Meteorologe versichert mit, dass es sobald nicht regnen wird. Dann rät mir die Polizei, ich solle mich einem Konvoi anschließen, da es im Norden von Kenia immer wieder zu bewaffneten Raubüberfällen käme. Der "Konvoi" besteht an diesem Morgen aus einem Lastwagen, dessen Fahrer unter Zeitdruck steht. Nach weniger als zehn Kilometern bin ich alleine auf der Piste, weil ich die Geschwindigkeit des Truckers unmöglich halten kann. Endlos zieht sich die Piste dahin, es ist heiß und trocken, Stunde um Stunde verrinnt. Auch das Vieh hat unter der katastrophalen Dürre zu leiden: Immer wieder liegen verendete, verwesende Rinder am Wegesrand.

Nach zwei Tagen und 500 Kilometern Wellblech-Piste samt faustgroßer Steine erreiche ich völlig durchgerüttelt endlich Isiolo, die erste größere Stadt in Kenia. Der Gepäckträger ist erneut gebrochen. Ich übernachte in einem preiswerten Hotel, in dem nachts einige Huren ihrem Geschäft nachgehen, während im Innenhof auf einem kleinen Schwarzweiß-Fernseher Fußballspiele übertragen werden. Anderntags lasse ich mein Trägersystem erneut schweißen. Die Werkstatt wirkt wie ein riesiger Schrottplatz, steht aber im Ruf, die beste der Stadt zu sein.

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Botswana: Zelten in der Makgadikgadi Pfanne im Nordosten. Sie gehört zu den größten Salzseen der Welt.

Rund sechs Monate nach meiner Abreise aus Deutschland überquere ich den Äquator. Sobald ich in Nairobi angekommen bin, beginnt es zu regnen und hört nicht mehr auf. In den Nächten ist es verdammt frisch, denn die kenianische Hauptstadt liegt auf immerhin 1800 Metern. Bei einem Deutschen, der einen Campingplatz betreibt, möchte ich die Regenzeit überbrücken und verbringe dort über zwei Wochen. Christoph besitzt eine Werkstatt mit qualitativ hochwertigem Werkzeug, und ich bin froh, dass ich eine Generalinspektion an meinem Motorrad durchführen kann.

Die Freude hält nur kurz: Im Süden von Tansania läuft mir bei voller Fahrt eine Ziege ins Motorrad. Es gibt einen harten Schlag, ich verliere die Kontrolle und stürze schwer. Anschließende Diagnose: Rahmen und Gabel sind verzogen. Meine Schulter zeigt sich so stark geprellt, dass ich nicht mal mehr den Arm heben kann. Glücklicherweise finde ich in Daressalam eine Hinterhof-Werkstatt, wo man zumindest Rahmen und Gabel richten kann. Nach drei Wochen bin ich auch körperlich wieder so fit, dass ich weiterfahre.

Ich erreiche Malawi und treffe in einem kleinen Bergdorf den Mechaniker John. Ein Glück, denn Kette, Ritzel und Kettenrad der Transalp sind viel schneller verschlissen, als ich kalkulierte. Schrauben fällt mir schwer, weil meine Schulter immer noch höllisch weh tut. Gerne hilft John bei der Austausch-Aktion. Seine zahlreich anwesenden, schraubbegeisterten Freunde beschleunigen die Arbeit zusätzlich.

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Erste von mehreren Reparaturen des auf den Rüttelpisten schwer belasteten Gepäckträgers im Norden Äthiopiens.

Mozambik durchfahre ich nur im Transit, um schnell nach Zimbabwe einreisen zu können. Dort der Schock: Im ganzen Land sind die Tankstellen leer. Benzin gibt es nur gegen US-Dollar auf dem Schwarzmarkt. Die Inflationsrate hat astronomische Werte erreicht, der Wechselkurs für "Zimdollars" ist auf dem Schwarzmarkt viermal höher als der offizielle Kurs. Weil die Treibstoffversorgung sich nicht bessert, verlasse ich Zimbabwe schon nach zwei Wochen und reise nach Botswana ein.

Dort gönne ich mir ein paar Tage in den Makgadi-Kgadi Salzpfannen. Einfach nur schauen und dem Nichts lauschen. Blauer, wolkenloser Himmel, vor mir breitet sich eine endlose Weite aus. Die Farbenspiele in der ersten Morgen- und der letzten Abendstunde sind grandios, Sterne leuchten in der Nacht bei Temperaturen um den Gefrierpunkt so hell, dass man Zeitung lesen könnte.

In Windhoek, der Hauptstadt Namibias, fühlt man sich mehr an Deutschland erinnert als an Afrika. Es gibt Landjäger mit Senf, und beim Imbiss um die Ecke kann man Bratwürste kaufen. Meteorologisch zeigt das Land seine ganze Vielfalt: Größte Hitze wechselt sich mit Minusgraden ab, Nebel mit Sandstürmen. Als ich endlich Südafrika erreiche, wohne ich die ersten zwei Wochen bei Freunden auf einer Weinfarm in der Nähe von Paarl, 50 Kilometer vor Kapstadt. Hier bringe ich mein Motorrad in Ordnung und besorge nötige Verschleißteile. Fast ein Jahr nach meiner Abfahrt aus Deutschland stehe ich auf dem Tafelberg und blicke auf Kapstadt. Afrika liegt hinter mir, doch es wird mich nicht mehr loslassen. Vor allem die Begegnungen mit den Menschen und ihre Geschichten werden meine Erinnerung für immer bereichern.

Infos über Afrika

Obert
Reisedauer: 367 Tage; gefahrene Strecke: 42000 Kilometer.

Afrika:
Staaten: 53 im Verbund
Fläche: 30300000 km²
Einwohner: über 1 Milliarde
Höchster Berg: Kib, 5895 m
Größter See: Viktoriasee

Eine Fahrt durch ganz Afrika erfordert Zeit, Flexibilität, Geduld, Gelassenheit, Toleranz und starke Nerven. Unser Autor reiste in einem Jahr durch 15 Länder. Weil er mit dem Motorrad so nahe und ungeschützt Land, Leuten und Leben preisgegeben war, erfuhr er großes Interesse und sammelte Erlebnisse genug für einen dicken Roman.

Allgemeines:
Afrika ist ein Schmelztiegel an Kulturen, ein schwer begreifbarer, brodelnder Erdteil, in dem es permanent politische und soziale Änderungen gibt. Pauschalisieren lässt sich dieser Kontinent nicht. Afrika ist ein buntes Spektrum von Ländern, Menschen, Sitten, Gebräuchen, Religionen, von exotischer Flora und Fauna. Genau in dieser farbigen, mitunter explosiven Mischung, in der Unfassbarkeit, in diesem besonderen Chaos und der auch vorhandenen besonderen Ordnung liegt Afrikas größte Faszination.

Ersatzteilversorgung:

Eine Ersatzteilversorgung vor Ort ist im nördlichen Teil von Afrika fast nicht möglich. Die wichtigsten Verschleiß- und Ersatzteile sollten mitgenommen werden. Ab Botswana funktioniert eine Ersatzteilversorgung für gängige Motorradmodelle dann besser, in den größeren Städten Südafrikas ist sie kein Problem mehr. Die Improvisationsgabe, Schraublust und Schweißkunst der lokalen Mechaniker ist oft ausgeprägt, blind verlassen sollte man sich darauf nicht.

Dokumente, Geld:
Neben Reisepass, nationalem wie internationalem Führer- und Fahrzeugschein ist zwingend ein Carnet de Passage notwendig, das der ADAC gegen Kaution ausstellt. Da es fast unmöglich ist, sämtliche Visa von zu Hause aus zu organisieren und nicht alle an der Grenze erhältlich sind, besorgt man diese am besten unterwegs in den größeren Städten der jeweiligen Nachbarländer. Zahlungsmittel sollten in mehreren Varianten mitgeführt werden: Reiseschecks, Bargeld in Euro und Dollar sowie Kreditkarten. Am meisten verbreitet sind Visa und Mastercard.

Sicherheit:
Da sich die Sicherheitslage in einigen Ländern sehr schnell ändern kann, sollten nicht nur vor, sondern auch während der Reise stets aktuelle Informationen aus Zeitungen oder dem Internet eingeholt werden. Es hilft, Risiken bewusst einzuschätzen, denn eine Afrika-Reise ist generell nicht ungefährlich. Die größte Gefahrenquelle stellen aber nicht etwa Kriege, Aufstände, Raubüberfälle, Entführungen oder Wetterkapriolen dar, sondern der chaotische und rücksichtslose Straßenverkehr in den Ballungszentren. Informationen über die politische Lage und spezielle Gefahren gibt es unter www.auswaertiges-amt.de. Für weiterführende Informationen oder Erfahrungsberichte anderer Reisender nützt man am besten Internetforen wie beispielsweise www.horizonsunlimited.com

Gesundheit, Ernährung, Übernachtung:

Pflichtimpfungen existieren nicht, empfehlenswert sind jedoch Hepatitis A/B, Typhus, Diphtherie, Tetanus und Polio. Da Malariagebiete durchquert werden, sollte ein wirksames Medikament mitgeführt werden. Schmackhaft, aber nicht besonders hygienisch ernähren kann man sich in Schnellrestaurants oder Garküchen am Straßenrand. Preiswerte Übernachtungsmöglichkeiten gibt es fast überall, auf Zelt und Kocher würde der Autor nicht verzichten. Eine gute Adresse zum Campen bietet Chris in Nairobi, der auch einen sauberen Platz hat, an dem man sein Motorrad warten kann. C_handschuh_68@yahoo.com, GPS: S01´17,325´ / E036´45,635´

Literatur:
Sich vor der Reise über die jeweiligen Länder zu Informieren, ist sinnvoll, für jedes Land einen Reisführer mitzunehmen weniger. In Kairo, Nairobi, Windhoek und Südafrika gibt es Möglichkeiten, sich mit Reise-literatur und Karten zu versorgen. Freytag & Berndt sowie Michelin bieten schon zu Hause erhältliches, brauchbares Kartenmaterial.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023