Elefanten mögen keine Motorräder, deshalb trage ich keinen Helm. Ich muß sie trompeten hören, damit ich weiß, wann es an der Zeit ist abzuhauen«, antwortet Bryan Havemann im südafrikanischen Krüger-Park auf die Frage nach seinem fehlenden Kopfschutz. Dafür ist der BMW-Fahrer in anderer Hinsicht besser geschützt als der durchschnittliche F 650-Pilot: mit einem Gewehr quer vorne über dem Crosslenker. Die Halterung sucht man allerdings in der offiziellen BMW-Ersatzteil-Liste vergeblich. Auch bei südafrikanischen Händlern.Doch der 36jährige Ranger braucht die Waffe nur in seltensten Fällen zur Selbstverteidigung, wie er lachend abwehrt. Der tatsächliche Grund klingt weniger abenteuerlich. Traurige Tatsache ist, daß immer wieder unverantwortliche Touristen die Geschwindigkeitsbeschränkung im Park nicht beachten, Tiere anfahren und verletzen. Die muß er dann erschießen. Der begeisterte Motorradfahrer patrouilliert den nördlichen Teil des südafrikanischen Nationalparks, der eine Ausdehnung wie ganz Belgien hat. Daß der Natur im Krüger-Park nicht das gleiche Schicksal zuteil wurde wie den umliegenden Landschaften, verdankt er dem Mann, dessen Namen er trägt: Paul Oom Krüger, ehemaliger Präsident der Südafrikanischen Republik. Er war es, erfahren Elke und ich von Bryan am abendlichen Lagerfeuer im Camp, der vor einem Jahrhundert dem Volksraad vorschlug, einen Teil des Landes von der Besiedlung auszusparen. Eine für die damalige Zeit völlig unpopuläre Ansicht. Weiße Farmer glaubten, jeder einigermaßen fruchtbare Landstrich müsse wirtschaftlich genutzt werden. Es kostete den Präsidenten eine Menge Zeit und Mühe, bis er sein Ziel erreicht hatte. Im Transvaal Lowveld entstand am 26. März 1898 das Gouvernement Wildtuin, später Sabie Game Reserve genannt. »Wenn ich dieses kleine Gebiet im Lowveld nicht schützen kann, dann werden unsere Enkel niemals wissen, wie ein Kudu, ein Elen-Antilope oder ein Löwe aussehen«, notierte Kröger damals weitsichtig in seinen Aufzeichnungen.Das eigentliche National Park-Gesetz wurde erst 28 Jahre nach Krügers Tod, am 31. Mai 1926, im Parlament verabschiedet. Das Sabie Game Reserve wurde zum Krüger National Park. Die Idee, bestimmte Gebiete der menschlichen Nutzung zu entziehen und ein ökologisches Reservat zu schaffen, hatte nach den USA, die mit Yellowstone 1872 in Wyoming den Anfang machten, nun auch auf dem Schwarzen Kontinent Fuß gefaßt. Bryan weiß, daß der Park heute vor ähnlichen Problemen steht wie zu seinen Gründerzeiten. Nach dem demokratischen Wandel in Südafrika wollen die jahrhundertelang unterdrückten Schwarzen endlich Ergebnisse der neuen Politik sehen. Wieder gilt es, bei Menschen ein ökologisches Bewußtsein zu schaffen. Diesmal wird es jedoch noch schwieriger sein. Tausende von Schwarzen leben an den Randgebieten des Parks. Das Land ist ausgebrannt, die Menschen haben kein Wasser und nur wenig zu essen. In der baum- und strauchlosen Landschaft jenseits der Parkgrenzen gibt es praktisch nichts, im Park dagegen alles, was sie zum Leben brauchen: Fleisch, Feuerholz und Wasser. Für sie ist es unverständlich, daß Weiße Geld dafür bezahlen, um sich Tiere anzusehen.Nationalparks, allen voran der Krüger-Park, haben in Afrika nur eine Zukunft, wenn es gelingt, der schwarzen Mehrheit klarzumachen, daß es wichtig ist, bestimmte Ökosysteme zu schützen. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, daß sich wohl niemand, der außerhalb des Parks im ehemaligen Homeland Gazankulu lebt, die 30 Rand Eintrittsgeld leisten kann.Ein weiteres Problem ist die Finanzierung des Parkpersonals. Menschen wie Bryan, die als Gebietsranger eine enorme Verantwortung tragen, erhalten umgerechnet etwa 400 Mark im Monat. Und das nach fünf Jahren Universitätsstudium und zehn Jahren Arbeit im Park. Davon eine Familie zu ernähren ist fast unmöglich. »Hier darf ich zur Selbstversorgung mal eine Antilope schießen. Aber wenn wir in Johannesburg sind, könnte ich meine Frau nicht einmal zum Essen ausführen. Wir wohnen dann bei meinen Eltern.« Bryan ist ein absoluter Idealist. Er liebt den Busch, seine Fauna und Flora. »Irgend jemand muß sich hier verantwortlich fühlen. Und irgendwann wird das mit der Bezahlung auch besser werden.« Und er beginnt sofort, über die Vorteile seines Jobs zu reden. »Wer hat schon so eine Hausstrecke zum Motorradfahren?« Stimmt. Ansonsten herrscht nämlich im gesamten Park stricktes Motorradfahrverbot. Wegen der Wildtiere gilt es als zu gefährlich. »Die Touristen bekommen immer große Augen, wenn sie mich sehen.«Und wie reagieren die Tiere, die Löwen, Elefanten und Büffel? Wirkt die rote BMW nicht wie ein Torero-Cape auf sie? Bryan winkt lachend ab. »Ein weitverbreitetes Vorurteil. Alle Tiere sehen ausschließlich schwarzweiß, nur Vögel und Affen können Farben erkennen. Khaki-Farbe wäre also gar nicht notwendig, wenn Vögel und Primaten die anderen Tiere nicht vor den Gefahren warnen würden. Wenn die mein rotes Bike sehen, stoßen sie sofort ihre Warnlaute aus.«Die Motorrad-Patrouillen, zunächst als Test gedacht, haben sich so gut bewährt, daß die Parkverwaltung weitere Angestellte mit Bikes ausstatten möchte. Motorradbegeisterte Ranger gibt es genug, und viele waren bereits bei Bryan zum Probesitzen. Problem ist auch hier wieder die Finanzierung. Was für eine publikumswirksame Chance für Motorradhersteller, um ihre Naturverbundenheit zu demonstrieren.Aber Bryans Job besteht nicht nur aus Motorradfahren und dem Beantworten von Touristenfragen. Immer wieder müssen er und seine schwarzen Ranger Jagd auf Wilderer machen. »Dabei ist die Maschine ein unersetzlicher Helfer. Mit ihr komme ich im Unterholz noch durch, wo der Geländewagen bereits steckenbleibt. Ich postiere die Ranger per Funk an einer verabredeten Stelle und treibe ihnen die Wilderer dann mit der Maschine in die Arme.« Anti-Poaching-Work nennt sich dieser Teil von Bryans Job. Immer wieder erwischen sie die Raubjäger, entdecken und vernichten ihre qualvoll tötenden Fallen. Nicht immer läuft das friedlich ab. Die aus dem benachbarten Mosambik eindringenden Tierkiller wehren sich oft heftig gegen eine Festnahme. Im vom langjährigen Bürgerkrieg zerrütteten Nachbarland gibt es das russische Sturmgewehr AK 47 für einen Sechserpack Bier auf dem Schwarzmarkt. Mit diesen Schnellfeuerwaffen mähen die Auftragskiller dann Nashörner und Elefanten nieder, um an Hörner und Elfenbein heranzukommen. »Wenn wir jemanden verhaften, wird er meistens ausgewiesen und kommt irgendwann wieder über die Grenze.« Ein Teufelskreis.Am Abend, wenn Bryan mit Frau und Töchterchen vor dem lodernden Lagerfeuer sitzt, treten diese »alltäglichen« Probleme in den Hintergrund. Er genießt sichtlich die Geräusche des Busches, seine »Stereoanlage«, Myriaden von Zikaden, fernes Löwengebrüll, das heisere Lachen der Hyänen. Sein Tausend-Sterne-Hotel möchte er mit niemandem tauschen.