Als GSX-R-Fan ist es wirklich nicht leicht, diese Zeilen zu schreiben, doch man hatte es ja schon ein wenig vermutet. Nachdem Suzuki urplötzlich, inmitten der laufenden MotoGP-Saison, ihren Rückzug aus der Königsklasse bekannt gaben, waren nicht nur wir, sondern auch das Team verwundert – man hatte ja 2021 mit der Dorna den Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert. Dann die nächste traurige Meldung: Auch aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft ziehen die Japaner sich werksseitig zurück. Und das trotz großer Erfolge, immerhin ist das SERT-Team aktuell WM-Führender und amtierender Weltmeister. Ab hier brodelte es schon in Insider-Kreisen und bei Suzuki-Jüngern, wie es denn überhaupt um die sportliche Ausrichtung des Unternehmens aus Hamamatsu aussieht – und was mit der GSX-R im Zuge dessen passieren wird.
Aus die (Renn-)Maus
1985 präsentierte Suzuki die GSX-R 750 und stellte mit diesem Meilenstein die gesamte Motorradbranche auf den Kopf. 100 Pferde trafen auf ein Gewicht von nur 201 Kilogramm, dazu ein rennstreckentaugliches Fahrwerk und Doppelschleifenrahmen aus Aluminium. Nicht nur die Sportfahrer standen Kopf, auch die Fachpresse war von der liebevoll genannten "Knicker" begeistert. Über die Jahre wurde die luft-öl-gekühlte GSX-R immer wieder überarbeitet, 1986 gesellte sich zu der flinken 750er noch eine 1100er-GSXR dazu. 1996 folgte mit der SRAD dann die nächste Evolutionsstufe, erst mit Vergasern und ab 1998 mit Einspritzung. Auch hiermit hängte Suzuki die Messlatte im Sportmotorradbau wieder ein Stück höher, denn mit einem Alu-Brückenrahmen und vielen weiteren Komponenten aus dem Rennsport war die SRAD eine ernstzunehmende Trackday-Waffe, jedoch mit guten Manieren. Doch ein Problem hatte die 750er-Gixxer, denn Yamaha legte mit der R1 den Grundstein für die 1000er-Superbike-Klasse und war somit der Konkurrenz weit voraus. 2001 folgte dann der Liter-Hammer von Suzuki und die Antwort auf Yamahas R1: Die GSX-R 1000 K1 saugte ihre Konkurrenz regelrecht durch die Ram-Air-Kanäle ein und spuckte sie aus dem Titan-Endtopf wieder hinaus. Zur damaligen Zeit wahnwitzige 160 PS, 110 Newtonmeter und nur 200 Kilogramm vollgetankt – Die Tausender war durch fast nichts aufzuhalten. Selbst eine lange Tour steckt man auf der K1/K2 locker weg, obwohl das Motorrad eigentlich für den Renneinsatz konzipiert wurde. Was dann folgte war alle zwei Jahre eine neue Tausender, die das Limit immer etwas mehr verschob. Unvergessen die K5/K6, die bis heute von vielen Sport- und Rennfahrern immer noch angehimmelt wird. Die letzte "neue" GSX-R folgte dann 2017. Nach 37 Jahren und weltweit mehr als einer Million verkauften GSX-R-Modellen ist, zumindest in Europa, nun leider erstmal Schluss.
Homologationsproblem
Dass die GSX-R ab 2023 höchstwahrscheinlich nicht mehr als Neufahrzeug in Europa erworben werden kann, hat einen (nüchternen) Grund: Euro 5. Bekanntermaßen müssen alle Motorräder, die seit Januar 2020 neu auf dem Markt erscheinen, über eine Euro-5-Homologation verfügen. Alle "aktuellen" GSX-R 1000 Modelle (L7, L8, L9, M0, M1) laufen noch in der Euro-4-Norm, und Suzuki wird der GSX-R kein Euro-5-Update verpassen. Noch bis Ende des Jahres kann man die GSX-R als Neufahrzeug erwerben und zulassen. Das hat mit der europäischen "End of the line"-Regelung zu tun, die den Herstellern die Möglichkeit gibt, bestehende Modelle innerhalb von zwei Jahren neu zu homologieren. Diese Zeitspanne ist nunmehr fast vorbei, am Horizont erkennt man schon Januar 2023 – und dass Suzuki innerhalb von sechs Monaten die GSX-R neu homologieren lässt, ist höchst unwahrscheinlich. Die Neuausrichtung des Unternehmens auf eine ressourcensparende Unternehmenspolitik sowie der Ausstieg aus dem Motorrad-Straßenrennsport sprechen eine deutliche Sprache. Der "Kilo-Gixxer" blüht demnach das gleiche Schicksal wie der 600er- und 750er-GSX-R, die ebenfalls aufgrund von Emissionsvorschriften vom europäischen Markt verschwunden sind. In den USA und in Japan wird die Tausender, wie auch ihre kleinen Schwestern, jedoch weiterhin zu haben sein.
Hoffnungsschimmer?
In der Theorie scheint es zumindest, dass die Entwicklungsabteilung von Suzuki mit der aktuellen GSX-R einen weiterführenden Plan hatte. Sie ist das momentan einzige japanische Sportmotorrad, das über eine variable Ventilsteuerung verfügt. Die Ventile des 1000er-Motors werden mechanisch per Zentrifugalkraft gesteuert. Dadurch bekommt die GSX-R, vor allem im mittleren Drehzahlbereich, immer genügend Drehmoment. Während der Entwicklung der L7 war schon bekannt, dass Euro 5 ab 2020 verpflichtend sein wird – und vieles deutet darauf hin, dass die GSX-R im Zuge der Euro-5-Vorschrift dorthin gehend optimiert werden sollte. Schon 2019 legte Suzuki ein Patent vor, das zur Weiterentwicklung des GSX-R-Motors gedacht war. In dem Patent geht es um eine ausgeklügelte variable Ventilsteuerung, mit hydraulischer Nockenwelleneinstellung, um die Steuerzeiten zu ändern. Warum Suzuki das Patent bisher jedoch nicht angewandt hat, ist fragwürdig, könnte die GSX-R so doch höchstwahrscheinlich die Euro-5-Hürde schaffen. Die bereits erwähnte Neuausrichtung des Unternehmens wird wohl der auschlaggebende Punkt sein. Etwas Hoffnung können Gixxer-Fans dennoch haben: Ab 2024 wird Euro 5+ als Emissionsvorschrift gelten, und bis dahin könnte Suzuki das Superbike optimiert haben. Oder aber die Damen und Herren aus Hamamatsu haben noch ein Ass im Ärmel und präsentieren ein völlig neue GSX-R. Aber das ist in der aktuellen Situation mehr Wunschdenken als alles andere.
Fazit
Es ist zum Heulen: Ab 2023 wird die Mutter aller Superbikes in Europa nicht mehr neu erhältlich sein. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, ein Ende bedeutet oft einen Neuanfang. Und der startet hoffentlich mit einer neuen GSX-R. Also, bitte Suzuki, Sportbike-Fans auf der ganzen Welt würden euch danken!