Yamaha baut Japans derzeit schärfstes Superbike. Doch serienmäßig ließ Iwata noch Raum für Verbesserungen. Das ruft Tuner auf den Plan. Auf dem Sachsenring treffen die beiden Yamaha YZF-R1 von Gilles und Klein aufeinander.
Selten fieberten Anhänger japanischer Superbikes einem Jahrgang so entgegen wie diesem. Endlich fand Nippon mit der Yamaha YZF-R1 die passende Antwort auf die starken europäischen Supersportler, die die Ostasiaten in den letzten Jahren reihenweise zum Harakiri trieben. Tatsächlich ist die Yam ein absoluter Top-Performer und mit nahezu allem ausgestattet, was die moderne Motorradbaukunst hergibt.
Besonders ihr superagiles und lasergenaues Fahrwerk setzt Maßstäbe, und selbst notorische Nörgler singen Lobeshymnen auf die Yamaha YZF-R1. Dennoch zeigte sie beim Rennstrecken-Shoot-out (PS 05/2015) auch einige Schwächen: mauer Punch bei mittleren Drehzahlen, instabiles Heck bei heftigem Ankern, durchschnittliche Bremsen, harte Gasannahme, und auch die Abstimmung der Fahrassistenzen ließ Fragen offen. Eine echte Herausforderung, der sich mit Gilles/MGM und Motorrad Klein zwei der besten Yamaha-Tuner mutig stellten.
Gilles-Yamaha YZF-R1 GT stammt aus der Superbike*IDM
Krachend erwacht die blaue Gilles-Yamaha YZF-R1 GT zum Leben. In nahezu identischer Konfiguration tritt das Bike auch in der Superbike*IDM im „Team Yamaha MGM“ an und mischt dort ganz vorn mit. Der machtvolle Donnerschlag der Yam übertönt das übliche Gebrause einer Boxengasse und macht unmissverständlich klar: Ich bin hier der Chef, mir kann keiner was. Die beiden Mikrofone an der Bergauf-Passage Eingang Start/Ziel und in dessen Mitte spitzen indes schon alarmiert ihre elektronischen Ohren. Überschreitungen des stark limitierten Lautstärkepegels mag man hier auf dem sächsischen Rundkurs gar nicht. Listig rollen wir daher an den Messstellen mit niedrigen Drehzahlen vorbei und öffnen die Brause nur davor und danach komplett.
Boah, die Yam tritt schon bei mittleren Drehzahlen an wie ein übel gelaunter Grizzly, dem man gerade seinen Lieblingshonig geklaut hat. Kein Vergleich zur Serie, die in der Mitte zugestopft wirkt, als stecke ein alter Lumpen im Lufteinlass. Unvermindert schiebt die Gilles-Yamaha YZF-R1 GT weiter, kennt kein Halten. Lediglich bei den letzten zwei-, dreitausend Umdrehungen lässt der obligatorische dB-Eater nicht genügend verbranntes Gemisch durch seine enge Öffnung und drosselt den Vorwärtsdrang spürbar.
IDM-Reglement verhindert große Eingriffe am Motor
Was in ihm steckt, zeigt der Antrieb auf dem Prüfstand. Hier dürfen die Bikes aus offenen Rohren schießen und frei ausatmen. 211 PS attestiert das System der Gilles-Yamaha YZF-R1 GT. „Auf unserem Prüfstand haben wir zehn PS mehr gemessen“, sinniert Teamchef Michael „Galle“ Galinski, „doch die Bedingungen sind hier ja für alle gleich.“ Richtig.
Außerdem kann sich die Leistungsausbeute durchaus sehen lassen, denn das strenge IDM-Reglement lässt nur bedingt Eingriffe am Motor zu. So rotieren im Triebwerk der Gilles-Yamaha YZF-R1 GT lediglich Kit-Nockenwellen mit größerem Hub und mehr Ventilüberschneidung. Dazu stellen andere Federn (ebenfalls Yamaha-Kit) sicher, dass die Ventile selbst bei höchsten Drehzahlen zuverlässig in ihre Sitze zurückfinden. Außerdem erhöhten die Techniker die Verdichtung von 13,0:1 auf 14,5:1, implantierten fünf Millimeter längere Ansaugtrichter, wogen die Kolben penibel aus und feinwuchteten die Kurbelwelle.
Bremsen deutlich besser als beim Serienmodell
Doch der meiste Aufwand steckt in der Motec-Box M 170, die die komplette Serienelektronik inklusive Einspritzzeiten und -mengen, Zündzeitpunkten und Steuerung der Fahrassistenzen wie beispielsweise die Traktions- und Wheeliekontrolle oder die Steuerung des Schaltautomaten ersetzt. Für die Gilles-R1 wurde alles von Grund auf neu programmiert – eine Heidenarbeit. Zumal die Elektronik nun für jede Passage einer Strecke anders abgestimmt werden kann, die sogenannte Corner-to-Corner-Funktion. „Hast du die Zündaussetzer der Traktionskontrolle gehört?“, fragt Galle schmunzelnd. „Das Bam-Bam-Bam ist doch einsame Klasse, oder?“ Doch bevor der Autor dieses Feature richtig auskosten kann, hält ihm der Fahnenmann die fieseste aller Flaggen vor die Nase: schwarz! Ende Gelände für die Gilles-Yamaha YZF-R1 GT. Trotz aller Tricksereien ist sie noch immer zu laut. Dennoch entdeckten wir auf den zwei Turns eine weitere Qualität des Renners: das Fahrwerk.
Auch in diesem Kapitel ist diese R1 ein echtes Prachtexemplar. Ein himmelweiter Unterschied zur Serie besteht vor allem auf der Bremse. Selbst beim Kampfankern bleibt die Gilles-Yamaha YZF-R1 GT unbeirrbar in der Spur und das Hinterrad klebt förmlich am Boden. „Die Serienmaschine ist zu frontlastig“, weiß Galle. „Als Gegenmaßnahme haben wir unser Bike vorn angehoben.“ Außerdem spendierten die Jungs der R1 eine längere Kette und rückten das Hinterrad in der Schwinge möglichst weit nach hinten. Auch das bringt Stabilität.
Verkleidung im MotoGP-Look
Erstaunlicherweise winkelt die Gilles-Yamaha YZF-R1 GT fast so easy ab wie ein Serienbike. Einmal in Schräglage, lässt sie sich allerdings kaum auf eine engere Linie manövrieren. Laut Galinski eine Folge des speziellen Nürburgring-Setups am Federbein, das zwar viel Grip bringt, das Heck jedoch etwas tiefer stehen lässt als sonst.
Mindestens genauso begeisternd wie die Technik ist der optische Auftritt der Gilles-Yamaha YZF-R1 GT. Dank seiner Kontakte zum Yamaha-Werksteam konnte Galinski eine von weltweit vier Verkleidungen im MotoGP-Look von Valentino Rossis und Jorge Lorenzos Raketen abstauben – ein echter Knaller! Auch die feinen Anbauteile wie beispielsweise Rasten, Ständeraufnahme, Bremshebelschützer und die Sturzprotektoren für Vorder- und Hinterachse machen die Gilles-Yam optisch und technisch zum Leckerbissen.
Wie schlägt sich die Klein-Yamaha YZF-R1?
Wenig Aufwand, große Wirkung: Der Motor der Klein-Yamaha YZF-R1 geht ebenfalls super. Auch die Optik der Klein-R1 begeistert. In gewohnt perfektem Finish und mit riesigen Stimmgabel-Logos auf den Seitenverkleidungen lockt der rote Renner scharenweise Publikum an. Anders als Galinski ließ Klein die Motorinnereien komplett serienmäßig. Lediglich am Lufteinlass feilte der Tuner. „Das bringt eine bessere Anströmung. Wir haben einige Motorteile ausprobiert, waren mit der welligen Leistungsentfaltung aber nicht zufrieden.“
Daher steckte Klein lediglich einen Racingauspuff an die R1, verpflanzte die ECU und den Kabelbaum vom Yamaha-Kit und stimmte den Motor auf dem Prüfstand ab. Acht bis zehn PS Spitzenleistung soll das laut dem Tüftler bringen. Doch viel wichtiger ist die kräftigere Mitte. Wie die Gilles-R1 drückt auch die Klein-Yamaha YZF-R1 bei mittleren Touren bis zu zehn PS und elf Nm mehr als ein Serienbike. Zudem gehen beide Yams sanfter ans Gas und geben ihre Power herrlich gleichmäßig ab. Immer wieder eine Schau ist das charakterstarke Pulsieren der Crossplane-Motoren, die dank ihres Hubzapfenversatzes von 90 Grad hämmern wie waschechte V4-Treibsätze.
Klein-R1 deutlich leiser
Ein Unterschied besteht dennoch zwischen den beiden Tuning-Bikes: Die Klein-Yamaha YZF-R1 ist deutlich leiser. Das erlaubt seinen Fahrern, das Seil auch an den Messstationen voll zu spannen. Das ist das Startsignal für den PS-Co-Tester und ehemaligen Moto2-WM-Piloten Arne Tode, der sofort auf Zeitenjagd geht. Nach ein paar Runden stehen 1.28,3 min auf der Uhr – ein Wahnsinns-Wert. „Die Bremse ist der Hammer“, schwärmt Tode und bestätigt den Eindruck des Autors: Biss, Druckpunkt, Dosierbarkeit, Transparenz, Standfestigkeit – alles vom Feinsten. Hierfür baute Klein das ABS aus und montierte ein komplett anderes Bremspaket inklusive Pumpe, Scheiben, Sätteln und Belägen. „Zwar bricht die Yamaha beim Bremsen auch aus, doch längst nicht so abrupt wie eine Serien-R1“, lobt Tode weiter. „Den seitlichen Versatz kann man wunderbar kontrollieren und punktgenau in die Kurven sliden.“
Auch der hohe mechanische Grip und das Feedback speziell vom Hinterrad ermöglichen die Top-Rundenzeit – fein abgestimmtes Schwedengold lässt grüßen. Außerdem biegt die Klein-Yamaha YZF-R1 ähnlich handlich und zielgenau in die Ecken wie der Gilles-Renner. In Schräglage lässt sich die Rote gar etwas besser auf eine engere Linie bitten. „Bei Zeiten unter 1.30 Minuten schiebt die Yamaha allerdings immer stärker übers Vorderrad, weil sie zu kopflastig ist. Außerdem wird die Front unruhig“, berichtet Arne. „Und die Elektronik hat beim Beschleunigen aus den Ecken manchmal zu stark geregelt. Mit etwas Feinarbeit am Gabel-Setup, der Balance und der Elektronik traue ich mir 26er-Zeiten zu.“ Wie bitte?
Beide R1 haben ihr Potential eindrücklich bewiesen
Spätestens hier klinken sich Normalos aus und der ehemals stolze Autor ist mit seinen 1.33,3 Minuten plötzlich reichlich desillusioniert. Wie schaffen die Jungs nur solche Traumzeiten? Nun ergibt auch das Laufbild des Vorderreifens Sinn. Anders als die hintere Pelle zeigt er auf der linken Seite deutliche Verschleißspuren. Ein Indiz für erhöhten Stress des Gummis, und nur teilweise mit dem Layout des Sachsenrings und seinen vielen Linkskurven zu erklären.
Ihr Potenzial haben beide R1 eindrücklich bewiesen. Der Klein-Yamaha YZF-R1 nur etwas Feinabstimmung am Setup und der Elektronik. Interessant wäre dann ein direkter Vergleich der Rundenzeit mit der Gilles-Yamaha YZF-R1. Das hat dieses Jahr leider nicht funktioniert. Doch nächstes Jahr findet wieder ein PS-Bridgestone-TunerGP statt. Dann treffen die beiden möglicherweise an anderer Stelle wieder aufeinander. Wir können es kaum erwarten.
Team Gilles Tooling
Team Gilles Tooling.
Team Gilles Tooling
18, Duchscherstrooss
L-6868 Wecker
Luxemburg
www.gillestooling.com
Technische Daten und Messwerte Gilles-Yamaha YZF-R1
Deutlich zu spüren: Im Gegensatz zur Serie puncht die Gilles-R1 GT in der Drehzahlmitte wie Hölle. Das ist beim Rausballern aus engen Ecken super.
Gewicht
178 kg
vorn/hinten 53,9/46,1 %
Leistung
211 PS
Umbaukosten
ca. 65.000 Euro
Motorrad Klein
Motorrad Klein.
Motorrad Klein
Dominik Klein
Röntgenstraße 5
66763 Dillingen
www.yamaha-klein.de
Technische Daten und Messwerte Klein-Yamaha YZF-R1
Mit geringem Aufwand powert die Klein-Yamaha in der Mitte ebenfalls mördermäßig. Racing-Auspuff anbauen, Luftzufuhr optimieren, sauber abstimmen, fertig.
Gewicht
181 kg
vorn/hinten 53,1/46,9 %
Leistung
205 PS
Umbaukosten
ca. 30.000 Euro
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