Peter Struck: Interview und Nachruf

Ein kurzer Nachruf Politiker und Motorradfahrer: Peter Struck ist tot

Natürlich ist Peter Struck vor allem als SPD-Urgestein und Verteidigungsminister bekannt, aber er hat auch viel für die deutschen Motorradfahrer und die Motorrad-Kultur getan. Ohne ihn hätte es zum Beispiel die Motorradausfahrten des Bundestages kaum gegeben. Nach verschiedenen Berichten ist Peter Struck im Alter von 69 Jahren nach einem Herzinfarkt in einem Berliner Krankenhaus gestorben. MOTORRAD hat 2011 ein großes Interview (siehe unten) mit Struck geführt, der nie Verkehrsminister war, sich aber hinter den Kulissen für die Interessen der Motorradfahrer einsetzte.

Politiker und Motorradfahrer: Peter Struck ist tot Bilski

Interview

Jacek Bilski
Seit 2010 ist Peter Struck (ehemaliger Bundesverteidigungsminister) Chef der Friedrich Ebert Stiftung.

Artikel vom 29. 9. 2011:

Peter Struck: "Ich habe eine MZ von Theo Waigel gekauft"

An seinem Arbeitsplatz in Berlin  gewährte SPD-Urgestein Peter Struck (68) MOTORRAD Einblicke, wie in der Hauptstadt Politik funktioniert - und wie er selbst.

Sitzen Sie eigentlich wegen uns so hier, oder tragen Sie jeden Tag Motorrad-Kluft im Büro?
Struck: Nein, nicht wegen euch. Ich fahre, eisern. Natürlich habe ich auch einen Dienstwagen, aber der ist nur für richtig schlechtes Wetter. Vorhin war ein Staatssekretär aus dem Auswärtigen Amt hier. Der guckte erst so, sag ich: "Ich fahr Motorrad." Meint der: "Ja, ich auch", und dass er gerade überlegt, welche er sich kaufen soll! Wir haben uns dann über ein paar Modelle unterhalten. Das fand der gut.

Wo sind Sie am häufigsten unterwegs?
Struck: Ich wohne ja in Uelzen, das sind 300 Kilometer von hier, wo ich arbeite. Wenn´s geht, fahre ich Landstraße nach Berlin, hintenrum, durchs Brandenburgische, nicht Autobahn. Jede Woche. Auf meinem letzten Motorrad, das habe ich gerade in Zahlung gegeben, auch eine BMW RT, kamen in drei Jahren 65.000 Kilometer zusammen. Das sind über 20.000 im Jahr. Mein jetziges Motorrad hat auch schon 5000 runter.

Sie waren von 2002 bis 2005 Bundesverteidigungsminister hier in Berlin, hatten einen
übervollen Terminplan und viele Verpflichtungen. Wie war das in jener Zeit?

Struck: Ich bin auch damals viel gefahren, als ich noch Personenschutz hatte. Ich verbinde einfach den Genuss des Fahrens mit der Notwendigkeit von A nach B zu kommen, aber es ist nach wie vor Genuss. Uelzen - Berlin ist schon immer meine Hausstrecke. Das geht im Prinzip parallel zur alten Transitstrecke. Das ist super, ganz dörflich, ländlich, nix los, und dann steht da immer mal wieder ein Storch auf der Straße. Ich fahre da jede Woche.

Wie kann man sich das vorstellen, auf dem Motorrad, aber mit Leibwächtern?

Struck: Als ich noch Minister war, waren beim BKA 18 Leute als Personenschützer für mich zuständig. Ich hab denen gesagt: "So, Jungs, ich brauche jetzt mindestens sechs, die auch Motorrad fahren." Dann haben die das organisiert. Für die war ich das beliebteste Kommando im ganzen BKA. Die waren dann mit uns auch im Urlaub, Motorradfahren in Kalifornien, durch das Death Valley, in Colorado und in Südafrika. Wenn ich die heute treffe, da schwärmen die immer noch von - na ja, mit Hans Eichel mussten sie immer wandern gehen.

Haben Sie heute noch Personenschutz?
Struck: Nein, ich hätte ein Kommando haben können, aber ich wollte das nicht mehr. Als Verteidigungsminister war das anders. Da war ich Sicherheitsstufe eins, da braucht man die. Danach als Fraktionsvorsitzender auch noch, aber jetzt ist´s vorbei.

Ausgerechnet Sie als Bundesverteidigungsminister a. D. haben einmal eine MZ der Nationalen Volksarmee der DDR besessen. Wie kam das?
Struck: Das stimmt. Ich habe damals, nach der Einheit, wieder angefangen zu fahren, und zwar mit einer MZ, die ich tatsächlich direkt von Theo Waigel gekauft habe. Wir waren ganz gut in Kontakt und sind heute auch befreundet. Damals hieß es, so eine MZ von diesen Grenztruppen da, die gibt es für 250 Mark. Da sagte ich: "Theo, verkauf mir mal son Ding." (Anmerkung der Redaktion: Als Bundesfinanzminister war Waigel (CSU) 1989 bis 1999 zuständig für die bundeseigene Verwertungsgesellschaft Vebeg, die einen Teil der NVA-Bestände versteigerte.) Und Waigel hat tatsächlich organisiert, dass der Struck son Mopped bekam. Dann bin ich mit der MZ gefahren, etwa ein halbes Jahr. Aber das war natürlich nix, die hatte eine Sechs-Volt-Anlage und blieb andauernd stehen. Hab mir bald darauf´ne BMW geholt.

Jacek Bilski
Der Ex-Verteidigungsminister ist bekannt für Pfeiffe, Bike und klare Worte.

Sie sagen: "wieder angefangen zu fahren", wieso "wieder"?
Struck: Ich bin immer Motorrad gefahren, habe als Jugendlicher den Motorradführerschein gemacht, bin dann gleich Heinkel-Motorroller gefahren, dann auch Motorrad, bald schon BMW. Erst als unsere Kinder geboren wurden, da sagte meine Frau, ich darf nicht mehr fahren. Zwischen dieser Zeit und der MZ liegen 20 Jahre, die ich Pause gemacht hatte.

Und was sagt Ihre Frau heute?
Struck: Heute weiß sie, was für eine große Liebe das Motorradfahren für mich ist und verbietet mir das nicht. Sie setzt sich aber auch nicht hinten drauf. Ich verstehe das, ich setz mich auch nicht bei jemand anderem hinten drauf. Zumal ich mich auch schon ein paarmal gelegt habe. Sowas passiert ja nun.

Was ist Ihnen denn passiert?

Struck: Einmal habe ich mir bei einer Motorradtour des Bundestags zwei Rippen gebrochen. Was hab ich mir denn noch gebrochen? Ich glaub, den Daumen. Einmal hatte ich einfach zu viel Schräglage, da fasste das Profil nicht mehr. Dann auf der Zillertaler Höhenstraße,
die ist ja extrem schwierig zu fahren, da hab ich mich auch gelegt, auch was gebrochen, aber sonst ging es.

Welche Strecke war Ihr persönliches Highlight?
Struck: Das Death Valley in den USA, eine grandiose Landschaft, da hatten wir 52 Grad, und dann auch Harleys gemietet, leider. Ich hätte lieber BMWs genommen, aber die waren zu teuer, zumindest deutlich teurer als ne Harley. Aber mit denen gings natürlich auch.(Stopft sich die Pfeife.)

Worauf fußt Ihre Liebe zu BMW?
Struck: Nun ja, ich bin immer BMW gefahren, auch früher, bis auf das kurze MZ-Intermezzo. Ich liebe den Boxer, er ist in Sachen Zuverlässigkeit kaum zu schlagen.

Und der neue Sechszylinder, wäre der nicht was für Sie?

Struck: Nää, ich war eben mit Freunden in Kroatien. Da hatte einer so eine K 1600 mit. Das ist nix für mich. Ich brauche auch keine so ne Rakete. 180, 190, schneller fahr ich nicht. Und das auch nur auf der Autobahn.

Grüßen Sie entgegenkommende Motorradfahrer?

Struck: Ja, klar! Auch Harley-Fahrer übrigens.

Wollte die Motorrad-Industrie Sie je für eine Werbung haben?

Struck: Ja, da gab es wohl mal eine Anfrage, aber Werbung mache ich nicht. Ich bin Schirmherr von MEHRSi, die wegen meiner Motorradtouren auf mich gekommen sind. Ansonsten mach ich keine Reklame. Nur hier, für meinen Verein (zeigt auf sein Borussia Dortmund-Halstuch, Red.), da bin ich Mitglied und im Wirtschaftsrat.

Wären Sie nicht gern Verkehrsminister geworden?
Struck: Ah, nee, das wäre auch nix für mich gewesen. Ich hab nur einmal als Fraktionsvorsitzender damals mit dem Tiefensee (Bundesverkehrsminister 2005 bis 2009, SPD, Red.) verabredet, dass er eine Regelung treffen soll, die Motorradfahrern im Stau auf der Autobahn das Durchfahren erlaubt. Ist doch scheiße, wenn man da steht, in den Klamotten, und die Sonne knallt runter. Es gab dann auch einen Entwurf. Wegen des Regierungswechsels ist dann leider nix draus geworden. Und einmal, das muss so 1999, 2000 gewesen sein, da kam eine Kollegin aus meiner Fraktion auf die Idee, in der Straßenverkehrsordnung für Motorräder auch Kennzeichen vorn anordnen zu wollen. Der hab ich dann gesagt: "Nur über meine Leiche." Wegen der Blitzer und so wollte die das...(Grinst)

So eine Initiative, wie das Durchfahren durch den Stau zu erlauben, wie kann die einfach wieder verschwinden, wenn sich doch alle Beteiligten schon einig waren, dass sie sinnvoll ist?

Struck: Normalerweise braucht man dafür im Bundestag zwei oder drei Abgeordnete, die wirklich an einer Sache dranbleiben, sich verbeißen und immer wieder nachbohren. Die im Ministerium sehen so etwas meist nicht ein. Die Ministerialbeamten, die da rumhocken, fahren in der Regel nicht Motorrad. Du musst da einen politischen Druck aufbauen, dass irgendwann der Minister sagt, ja, das machen wir. Und da waren wir kurz davor. Ich sehe derzeit aber niemand im Bundestag, ich meine keinen Abgeordneten, der sich für Motorrad-Themen engagiert.

Und von außen? Als Verteidigungsminister haben Sie sicher viel Lobbyarbeit erlebt. Gibt es eine solche auch für Motorradfahrer?

Struck: Klar, die gibt es. Aber die ist natürlich bei Weitem nicht so wirksam wie die der wehrtechnischen Industrie. Da stecken viel mehr finanzielle Power und auch viel mehr Arbeitsplätze dahinter. Doch der Industrie-Verband Motorrad (IVM, Red.) ist schon sehr aktiv. Gerade bei den Motorradtouren des Bundestags, da nutzt IVM-Chef Reiner Brendicke die Möglichkeit, mit Solms (FDP-Finanzpolitiker und Bundestagsvizepräsident, Red.) oder mit mir zu reden.

Was denken Sie, warum hat Peter Ramsauer als amtierender Verkehrsminister jetzt das neue, kleine Motorradkennzeichen eingeführt?
Struck: Keine Ahnung, weiß ich nicht. Ich hatte überlegt, wegen der Stau-Geschich-
te und dem Durchfahren, ob ich da noch mal an den Ramsauer rantreten soll. Ich kenne ihn ganz gut, er ist ja auch schon lang dabei. Aber man darf sich da keine Illusionen machen. Wenn man nicht mehr Abgeordneter ist, hat man keinen Einfluss mehr. Wer raus ist, ist raus.

Das heißt dann wohl, dass da keinerlei Bewegung mehr zu erwarten ist. Streckensperrungen, Bitumen, gefährlich scharfkantige Leitplanken...Tut sich da was pro Motorrad?

Struck: Ich sehe da nicht - außer ich hab was verpasst -, dass irgendwas passiert. Zumindest sehe ich keine großen Initiativen der Bundesregierung. Der ADAC, MEHRSi oder auch Ihr von MOTORRAD müsst da Druck machen. Aber, wie gesagt, es braucht auch Abgeordnete, die sich einer Sache verschreiben und sagen, das boxe ich jetzt durch.

Sind Streckensperrungen für Sie nachvollziehbar?
Struck: Ja, kann ich nachvollziehen. Ich kenns von der Eifel her. Wenn eine Gemeinde
eine Strecke zumacht, auf der sich tatsächlich jedes Wochenende einer totgefahren hat, dann kann ich das verstehen, ja.

Jacek Bilski
In seinem Büro empfing Struck die MOTORRAD-Redakteure Jörg Lohse und Michael Schümann.

Was könnte Motorradfahren in Ihren Augen noch sicherer machen?
Struck: Also, über ein regelmäßiges, vielleicht sogar verpflichtendes Sicherheitstraining kann man mal nachdenken. Ansonsten, na ja, sichere Bekleidung. Aber auf freiwilliger Basis. Und es muss auch nicht sein, dass der Bock 300 läuft. Wer braucht das denn? Keiner!

Ein Höchstgeschwindigkeitslimit also? Wo denn?

Struck: Naja, 250 würden doch reichen.

Sie sind 68 Jahre alt. Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen, jetzt ist Schluss mit Motorrad?

Struck: Hmm, nächsten Monat muss ich in die Klinik - neues Kniegelenk. Das alte funktioniert nicht mehr. Ja, der Punkt wird sicher einmal kommen. Aber ich muss sagen - die Familie jetzt mal ausgenommen -, dass Motorradfahren für mich das Schönste ist, was ich machen kann. Das ist für mich absolute Entspannung. War es schon, als ich noch Minister war. Da war ja oft richtig Stress, so mit Rumsfeld (ehemaliger US-Verteidigungsminister, Red.) wegen Irak und Afghanistan und all so nem Kram. Da hab ich mich auf meinen Bock gesetzt und war völlig frei. Im Büro haben sie mir immer alle gesagt, "Biste verrückt?", als ich zu Terminen mit dem Motorrad fahren wollte. Fuhr der Dienstwagen eben hinterher. Das war einfach das Schönste, ist es heute noch. Ich hoffe, dass es noch eine Weile geht.

Vita Peter Struck

Jacek Bilski
Spult auf der BMW reichlich Kilometer ab: Nach Familie ist Motorradfahren für den Juristen das Wichtigste.

    Der promovierte Jurist ist Jahrgang 1943 und stammt aus Göttingen. 1980 wurde er für die SPD in den Bundestag gewählt, war von 1998 bis 2002 SPD-Bundestags-Fraktionsvorsitzender, 2002 bis 2005 Bundesverteidigungsminister, anschließend bis zu seinem Verzicht auf eine weitere Bundestagskandidatur 2009 erneut Fraktionsvorsitzender.

    Seit 2010 ist Struck ehrenamtlicher Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung mit 620 Mitarbeitern. Die Stiftung hat sich der Förderung der Demokratie im In- und Ausland verschrieben, ist vor allem in Nordafrika und Südamerika aktiv, aber auch in Asien, z.B. in Afghanistan. Ein Hauptaugenmerk richtet sich derzeit auf Libyen, wo die Stiftung für die Zeit nach Gaddafi beim Aufbau von demokratischen Parteien und Gewerkschaften helfen will. Peter Struck ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

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