Interview mit Stefan Bradl

Interview mit Stefan Bradl
:
"Márquez ist der Stärkste"

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Stefan Bradl war bei den letzten beiden Grand Prix als Fernsehkommentator vor Ort und gab auch im MOTORRAD-Interview seine Experten-Meinung zu Protokoll. Außerdem sprach er über schwere Zeiten in der Superbike-WM und seine Optionen für die Zukunft.

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Stefan Bradl als TV-Co-Kommentator

Wie gefällt dir dein neuer Job?

Es macht Spaß. Nach einer Anfrage von Servus TV und Red Bull war es abgemacht, dass ich bei den Grand Prix auf dem Sachsenring und in Spielberg als Co-Kommentator auftrete, und bei der Premiere auf dem Sachsenring war ich schon ein bisschen nervös. Aber es ist eine coole Erfahrung, alles mal von der anderen Seite zu sehen. Am Sachsenring habe ich mich so ein bisschen eingefunden, es hat gut funktioniert. Beim Österreich-Grand Prix hatten wir sehr viel Sendezeit, weil Servus TV alle Trainings übertragen hat. Da kam ich viel zum Sprechen vor der Kamera, es wurde immer lässiger, normaler. Aber da draußen dann die Jungs fahren zu sehen, das war ab und zu schon ein komisches Gefühl.

Du bist ja das reden gewohnt, von Interviews wie diesem hier. Demnach hast du keine weitere Vorbereitung gebraucht?

Nein, da war keine Vorbereitung da, ich bin ins kalte Wasser gesprungen. Ich glaube ich kann mich ganz gut ausdrücken, von daher haben sie mich überhaupt nicht geschult. Gürtel rum, Mikrofon an, Frage gestellt und los ging’s. Anscheinend kam’s ganz gut an, ich habe ganz viel Lob bekommen. Es freut mich natürlich, wenn’s den Zuschauern gefällt.

Kannst du dir vorstellen, das überhaupt einmal zum Beruf zu machen, so wie Alex Hofmann?

Ja, kann ich mir schon vorstellen, klar. Erstens ist es kein schlechter Job, es ist schön in der Szene zu sein, und ich kenne mich aus. Es war nicht schwer für mich, Experte zu sein, speziell was die MotoGP und die Moto2 betrifft. Um ehrlich zu sein: Bei der Moto3 bin ich nicht mehr so auf dem Laufenden. Aber die Fragen zur MotoGP zu beantworten und auch eigene Themen einzubringen, fällt mir überhaupt nicht schwer.

Was ist dir aus der Perspektive des Reporters aufgefallen, was dir als Fahrer früher nicht aufgefallen ist?

Das Kuriose ist, ich springe in der Boxengasse rum, die Leute kennen mich alle, ich kenne auch sehr viele, und du bleibst halt überall stehen, sagst hallo. Speziell am Sachsenring war es das erste Mal in einem halben Jahr, dass ich die ganzen Leute mal wider getroffen habe. Da sind die Jungs von Servus TV gleich ein bisschen nervös geworden, weil ich immer sehr viel ratschen musste. Da habe ich den Sendeplan ein bisschen durcheinander gebracht. Man sieht halt die anderen Dinge, zum Beispiel kann ich mich darauf konzentrieren, auf mehrere Teams zu achten, oder mich zu spezialisieren auf ein Team, wo ich genau etwas beobachten will. LCR beispielsweise habe ich mir länger angeschaut, ich kenne ja noch einige der Mechaniker, und da bekommst du für diesen Job schon einige Hintergrundinformationen, die nicht unwichtig sind.

Fallen dir technische Dinge auf, die du als Fahrer früher so nicht gesehen hast?

Nein, denn die Action sehe ich auch nur live im TV. Aber wenn du in der Boxengasse bist, fallen dir andere Details auf, wie die Mechaniker beim Reifenwechsel arbeiten, wie der Teamchef mit dem Fahrer umgeht. Eins zum Beispiel, was mich interessiert hat, war die erste Reaktion von anderen Teams, wenn der Fahrer reinkommt, wie der erste Blickkontakt zum Chefmechaniker ist. Solche Sachen habe ich mir angeschaut. Von der Action auf der Strecke bin ich zu weit weg, ich achte vielmehr darauf, was in der Boxengasse passiert und kann das Fahren an der Strecke nur am Monitor verfolgen.

Stefan Bradl über seinen Favoriten für die MotoGP-WM

© Ducati

Beim Österreich-GP kämpften Andrea Dovizioso (#04) und MArc Márquez bis in die letzte Kurve. Dovizioso gewann, aber für Stefan Bradl ist Marc Márquez der WM-Favorit

Hast du Jonas Folger über die Schulter geschaut?
Um ehrlich zu sein, eher weniger. Die beiden Rennen über standen wir viel bei Honda und Ducati, und da habe ich mir schon ein Bild gemacht, wie Márquez, wie Pedrosa, wie Miller, Crutchlow, Dovizioso und Lorenzo sich mit ihren Leuten in der Box austauschen.

Und was ist dir bei den großen Stars aufgefallen?
Die super-lockere Atmosphäre. Das ist das Wichtige. Wenn du angespannt oder verkrampft bist und nicht ganz so die easy Stimmung da ist, dann ist das auch im Umgang mit den Leuten in der Box spürbar. Du siehst direkt bei Márquez und Pedrosa, es ist ein sehr lockerer, professioneller Umgang, da wird auch mal ein Spaß gemacht, das gehört dazu.

Auch bei Dovizioso und Lorenzo?
Ja, schon. Der Lorenzo hat mir den Eindruck gemacht, dass er vergleichsweise ernst dreinschaut. Bei Dovizioso ist es genau das Gegenteil. Da sieht man schon, dass das auch ganz normale Menschen sind.

Wer gewinnt die WM aus Expertensicht?
MotoGP? Meiner Meinung nach gewinnt sie Márquez. Er hat jetzt einen guten Lauf erwischt, hat auch in Spielberg ein starkes Wochenende gezeigt, und er hat in den letzten Jahren unglaublich viel gelernt. Im letzten Jahr hat er das super gemacht, er hat seinen Vorsprung gut verwaltet. Auch jetzt hat er einen kleinen Vorsprung, und er ist clever genug, auch mal einen zweiten, dritten oder vierten Platz einzufahren anstatt dieser Harakiri-Crashs. Von der Renn-Pace her ist er meiner Meinung nach wie vor der Stärkste. Aber die Saison ist noch sehr lang, da kann noch einiges passieren.

Hast du noch Worte gefunden, als Jonas Folger dem Márquez am Sachsenring so einheizte?
Ich war nicht komplett sprachlos. Ich habe gewusst, dass der Jonas zu diesem Zeitpunkt einen guten Speed hat, und es war natürlich schön für die deutschen Fans, für alle von uns aus Deutschland, in der MotoGP mal wieder einen Führungsmann zu sehen. Das gibt’s ja auch nicht jeden Tag.

Wir haben uns alle daran erinnert, wie Stefan Bradl einmal führte auf dem Sachsenring...
Ja, und das ist auch schon eine Zeitlang her. Jetzt hat der Jonas ein super Ergebnis eingefahren, er hat es verdient am Sachsenring, aber jetzt gilt es, das Ganze wieder zu bestätigen. Das ist halt der Anspruch.

Wann können wir mit dem nächsten Super-Ergebnis von dir rechnen?
Das ist eine gute Frage. Das technische Paket, das mir im Honda-Werksteam in der Superbike-WM momentan zur Verfügung steht, ist absolut nicht zufriedenstellend. Was die Leistung betrifft, sind wir unter den Erwartungen. Wir können nur hoffen, dass sich technisch etwas verbessert, wir weiter nach vorne kommen und die Lücke nach und nach schließen.

Wie bist du mit dem Tod von Nicky Hayden umgegangen? Augen zu, verdrängen und weitermachen? 
So einfach war es nicht. Das Rennen direkt nach dem Verlust von Nicky war gleich Donington, und was willst du dazu sagen? Das Leben, so hart es klingt, muss irgendwie weitergehen. Aber im Team war keiner so richtig happy, jetzt Racing zu betreiben. Das ist halt das Schwierige an der Geschichte, weiterzumachen und die Arbeit fortzuführen. Es ist ein herber Verlust, Nicky war nicht nur ein super Rennfahrer, sondern auch als Mensch ein total lieber Kerl. Da fehlen einem nach wie vor die Worte, was da passiert ist. Es ist tragisch, schade und unglaublich, dass der Nicky einfach nicht mehr da ist. Er hätte mir nicht nur weiterhelfen können, was die Technik anbelangt, sondern er war generell ein Kerl, zu dem ich aufgeschaut habe und von dem du nur lernen konntest. Er war super nett, in jeder Hinsicht, und das war schon krass.

Das ist eine Lücke, die natürlich jetzt noch klafft und die sich nicht in wenigen Wochen überbrücken lässt....
Du siehst es ja, es gibt niemanden, der ihn jetzt fahrerisch ersetzen kann, aber es ist auch menschlich ein herber Verlust, weil er so geschätzt war von allen. Eine große Persönlichkeit. Das hat uns schon stark getroffen, gar keine Frage.

Stefan Bradl zu seinen Chancen in der Superbike-WM

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Beim Superbike-WM-Lauf an diesem Wochenende auf dem Lausitzring werden Markus Reiterberger (links) und Stefan Bradl Konkurrenten sein

Was können wir beim Superbike-WM-Lauf am Lausitzring von Dir erwarten?
Keine große Wende, weil sich auch über die Sommerpause leider Gottes wenig getan hat. Die Situation ist klar, dass wir nächstes Jahr umsteigen auf einen anderen Elektronikhersteller, Magneti Marelli. Das ist meiner Meinung nach schon gut. Ich habe gehofft, dass das noch mitten in der Saison passieren kann, denn je später du umsteigst, desto schlechter ist es auch für die folgende Saison. Was diese Saison betrifft, kannst du im Endeffekt nur schauen, dass du noch Einzelergebnisse bringst, denn das Ding ist eh schon gelaufen. Deshalb musst du jetzt sehen, dass du die 2018er Saison irgendwie vorbereitest.

Sind deine Gedanken ganz auf die Superbike-WM konzentriert oder gehen sie auch in andere Richtungen? Es sind ja auch in der MotoGP-Klasse noch Plätze offen, man hört, dass ihr mit dem Marc VDS-Team im Gespräch seid...
Ich bin momentan völlig offen. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich mich umschaue, aber ich horche mir alles an und bin gespannt, was sich tut in den nächsten Tagen. Jetzt steht der Lausitzring an, da werden sicher auch wieder vor Ort Gespräche stattfinden. Ich denke, dass ich in ein paar Tagen schon was sagen kann.

Suchst du die Rückkehr in die MotoGP-Klasse?
Nicht wirklich. Es gibt eine Möglichkeit, dass ich zurückkommen könnte und die höre ich mir natürlich an. Soviel kann ich sagen, dass Stefan Bradl im nächsten Jahr vermutlich Honda fahren wird!

Stefan Bradl zu seinem Fehlen bei den Acht Stunden von Suzuka und den KTM-Erfolgen in der MotoGP-WM

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Bei Testfahrten auf dem Lausitzring vor einigen Wochen: Bradl vor Reiterberger. Ob das am Wochenende, wenn es ernst wird, auch so aussieht?

Apropos Honda: Ist deine Mittelohrentzündung vorbei, die dich von der Teilnahme an den Acht Stunden von Suzuka abgehalten hat?
Die ist ausgeheilt, gottseidank. Es hat sich länger hingezogen, als ich gedacht hatte. Das Ganze hat eigentlich schon in Laguna Seca beim Rennen angefangen, von Laguna Seca bin ich dann nach Japan geflogen zum Test für die Acht Stunden in Suzuka. Ich hatte da eine Entzündung im Rachen. Das habe ich vor ein paar Jahren schon einmal gehabt und bin dann nach meiner Rückkehr von Japan zum Hals-Nasen-Ohrenarzt, habe das behandeln lassen und dann hat er gesagt, ja, das ist eine ziemlich große Aphte. Zwei Tage später bin ich nochmal zu ihm und habe es nochmal behandeln lassen. Das ist dann nach und nach abgeheilt. Mir ging’s gut, ich habe normal trainiert, ich habe dann aber die nächsten Tage gemerkt, dass ich einen leichten Druck auf dem rechten Ohr hatte. Dann habe ich mir gedacht, komm’, bevor ich wegfliege nach Suzuka, lasse ich mich nochmal anschauen. Ich bin wieder zu meinem Arzt, und habe dann gesagt, ich hör’ am rechten Ohr schlechter als am linken. Er hat dann da rumgefuchtelt und ein bisschen was rausgekratzt und hat mir noch ein bisschen was gegeben, aber in der Nacht von Montag auf Dienstag hat sich das schlagartig entzündet. Mir ist das Trommelfell geplatzt und es ist Flüssigkeit herausgekommen. Dann bin ich in der Früh gleich, bevor ich in den Flieger steigen wollte, wieder zu meinem Arzt, und er hat mir gesagt, nein, es ist eine Mittelohrentzündung und die kann sich innerhalb von zwei Stunden total ausbreiten. Das ist bei mir dann in der Nacht passiert. Ich habe dann Infusionen bekommen drei Tage lang, hatte keine Energie, und auch wenn ich nach Japan geflogen wäre, ich wäre nicht in der Lage gewesen, aufs Motorrad zu steigen. Ich hatte Grippe, habe mich schlapp gefühlt. Es hat mich ganz schön niedergestreckt.

Es kursiert eine zweite Version dieser Suzuka-Geschichte. Dass dich dein Team ausgebootet hätte, weil du nicht schnell genug gewesen seist...
Nein, das stimmt nicht. Ich war schnell genug. Die Japaner waren mit mir am ersten Tag nicht unbedingt zufrieden, aber du musst bedenken, Suzuka war für mich das allererste Mal, die beiden Fahrer, mit denen ich im Team war, kannten Suzuka und kannten das Motorrad schon. Am zweiten Tag war ich nur 0,3 Sekunden langsamer als Randy de Puniet. Okay, wenn das zu langsam ist, ich weiß es nicht. Viel kann ich dazu nicht sagen. Wenn das so dargestellt wird, muss ich das hinnehmen. Es geht aber relativ emotionslos an mir vorbei.

Entsprach das Motorrad deinem Superbike?
Nein, da war schon ein großer Unterschied. Es war besser zu fahren. Die Komponenten waren vielleicht ein bisschen anders, außerdem hatten wir Bridgestone-Reifen. Wie die Bikes technisch für die Acht Stunden kompatibel gemacht werden, weiß ich selber nicht ganz genau, aber es ist ein anders Motorrad und man hat schon gemerkt, dass man beim Set-Up deutlich schneller reagieren kann. Ich habe auch einige Dinge an der Elektronik entdeckt. Zu Anfang dachte ich, es ist ein ähnliches Gefühl wie auf meinem Superbike, aber es war dann so, dass sie die Probleme, die ich angesprochen habe, in zwei, drei Stunden wegbekommen haben. Wir haben in zwei, drei Stunden so gravierende Schritte gemacht, wo wir bei unserem Bike ein halbes Jahr brauchen.

Der Österreich-Grand Prix stand ganz im Zeichen von KTM, mit einem Großauftritt in allen Klassen. Wie beurteilst du die Fortschritte der Marke?
Sie verkaufen sich ordentlich. Da muss sich Aprilia wahrscheinlich schon bald warm anziehen, wenn ich das so direkt sagen darf. KTM hat während der Saison jetzt schon große Fortschritte gemacht, es gibt immer wieder Achtungserfolge. Man muss bedenken, es ist das allererste Jahr, und ich glaube schon, dass Suzuki und Aprilia da ganz genau draufschauen und nicht gerade happy sind, wenn KTM solche großen Schritte macht. Es werden Strecken kommen, da sind sie ein bisschen konkurrenzfähiger, es wird auch den einen oder anderen Rückschlag geben, aber insgesamt man kann nur sagen, dass sie einen absoluten Top-Job machen. Es ist kein leichtes Unterfangen, in die MotoGP einzusteigen und dann so mitzufahren, mit einem komplett neuen Konzept. Sie tanzen ja auch ein bisschen aus der Reihe, was Federung und Chassis betrifft. Dafür sind die Leistungen schon beeindruckend.

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