Um sich das höchstmögliche bayerische Motorsportler-Lob zu verdienen, kann man zum Beispiel Langbahn-Weltmeister werden. Oder aber beim Langbahn-Weltmeister Fahrstunden nehmen. Und zwar unfallfreie.
Um sich das höchstmögliche bayerische Motorsportler-Lob zu verdienen, kann man zum Beispiel Langbahn-Weltmeister werden. Oder aber beim Langbahn-Weltmeister Fahrstunden nehmen. Und zwar unfallfreie.
Nennen wir die Sache mal ganz klassisch eine „Schnapsidee“. Was halt so dabei herauskommt, wenn sich zwei ältere Männer alte Motorradgeschichten aus noch älteren Tagen erzählen. Der eine von beiden ist unser Cheffe: Michael Pfeiffer (52), seit 1999 MOTORRAD-Chefredakteur. Der andere heißt Karl Maier (55) und ist seit 1981 BMW-Motorrad-Vertragshändler. Cheffe hat in seiner motorsportlichen Karriere schon fast überall gewildert: deutsche Geländesport-Meisterschaft, Sound of Singles, deutsche Langstreckenmeisterschaft und noch mehr. Seine größten sportlichen Erfolge: 1048. Platz (von 1513 Startern) beim Hardcore-Enduro-Rennen Gotland Grand National. Und die Tatsache, dass er die WM-Ducati von Superbike-Weltmeister Neil Hodgson wieder heil abgeliefert hat. Karl war in seiner aktiven Zeit etwas monothematischer unterwegs. Lohn der motorsportlichen Fokussierung: vier Langbahn-WM-Titel.
Irgendwann muss Michael dem Karl schwer im Vertrauen verraten haben, dass er noch nie in seinem Leben ein Speedway- oder Langbahnrennen live gesehen hat. Immer nur Glotze. Geschweige denn, auf einer Bahnrennmaschine gesessen hätte oder sie gar gefahren -wäre. Und irgendwie - Stichwort Schnapsidee - sind die beiden dann übereingekommen, dass der Bahnsport-Chef dem MOTORRAD-Chef -live und in Farbe zeigen wird, wie man als Schleifschuh-Artist ziemlich quer ums Eck bricht. Das ist schließlich eine echte Bildungslücke, die es zu schließen gilt. Tja, und nun ist es so weit: Karl und sein langjähriger Schrauber, der „Marlboro-Man“ Gerhard (68), sowie BMW-Mechaniker Werner (21) stehen mitsamt zweier Speedwaymaschinen im Fahrerlager des Landshuter Speedwaystadions Ellermühle. Karl ist hier zuletzt vor 15 Jahren gefahren, seine beiden Jawas (liegender Motor: Baujahr 1994, rund 74 PS; stehender Motor: Baujahr 1988, um 70 PS) ermuntern die Verantwortlichen des AC Landshut zu Kommentaren in Sachen zwischenzeitliche Reglement-Änderungen: „Schmutzfänger fehlt, Schutzblech zu kurz, Auspuff zu laut - Rennen fährst damit nimmer!“ Egal, für zwei Stunden Fahrschule taugen die Oldies allemal. Der auf der Dauertest-Honda CBR 600 F angereiste Cheffe lässt die Einweisung etwas ungläubig über sich ergehen: „Bremsen?“ „Keine!“ „Getriebe?“ „Auch nicht!“ „Na prima, dann kanns ja losgehen.“
Der überschaubaren Technik-Einweisung lässt Karl noch ein paar rudimentäre Informationen zur Fahrtechnik folgen: „Beim Start den Kopf überm Lenker. Mit Volldampf über die Gerade, Gas am Kurveneingang stehen lassen. Ohne ordentlich Speed bringts die Maschine nicht zum Übersteuern. Motorrad links umlegen, dabei Gas nur kurz lupfen und im Umlegen schon wieder aufziehen. Gleichzeitig das rechte Bein mit aller Kraft in die Raste stemmen und dabei aufstehen - wie im Steigbügel. Rechts drücken und die übersteuernde Maschine so schnell wie möglich wieder in die Senkrechte bringen, damit der Reifen richtig Grip hat. Und dabei immer schön Gas geben. Das gleiche Spielchen in der nächsten Kurve von vorn.“ Eigentlich ganz einfach. Theoretisch.
In der Praxis schafft es Cheffe immerhin, den in der Mitte fett und obenrum brutal anreißenden Motor nicht abzuwürgen und ein paar 390-Meter-Runden zu rollen. Seine Gedanken dabei: „Scheiße, wo ist die Bremse? Fuck, warum ist links keine Fußraste? Und wieso rutscht hier immer -irgendetwas? Und überhaupt: Wann liege ich endlich auf der Klappe?“ Zwei gute Nachrichten hat er aber: „Man lernt die Streckenführung recht schnell. Und die Sitzposition ist cool - wie auf einem Bonanza-Fahrrad.“ Nach einer halben Stunde wird der von Karl x-mal sandgestrahlte, aber immer noch sturzfreie Cheffe mutiger. Erste zarte Drifts sind zu erkennen, vom richtigen Querfahren ist er aber noch weit entfernt. Okay, die Sache mit der Speedway-Profikarriere muss dann halt noch bis zur Nach-Chefredakteurszeit warten. Aber eins weiß er bereits nach zwei Stunden megaanstrengender Fahrschule: „Bahnsport ist eine geile und grundehrliche Geschichte. Das Stadion, die Bahn, das Motorrad und du - da hilft kein Weinen, keine Entschuldigung, da musst du einfach reinhalten.“ Karls Kommentar zum Bahnsport-Neuling? Siehe Überschrift.
Sein erstes Rennen fuhr der am 24. August 1957 in München geborene Karl Maier am 10. Oktober 1975 beim Grasbahnrennen in Eichenried - und gewann auf Anhieb. Seine letzte Rennveranstaltung war ebenfalls ein Grasbahnrennen: 1998 in Nandlstadt. Dazwischen liegen vier Langbahn-WM-Titel: 1980 Scheeßel, 1982 Korskro/Dänemark, 1987 Mühldorf und 1988 wieder Scheeßel. Zwei zweite (1990, 1993) und vier dritte Plätze (1983, 1984, 1989, 1990) machen die WM-Karriere des BMW-Händlers aus Neufinsing komplett. Achtmal wurde er Deutscher Langbahn-Meister (1979, 1980, 1983, 1987, 1989, 1990, 1992, 1993).
Dazu gesellen sich, wie auch in der Speedway-DM, diverse zweite und dritte Plätze. Anfang der 80er-Jahre fuhr Maier als Profi in der britischen Speedway-Liga, doch seine große Liebe gehört der Langbahn. Und seiner Fau Leni, mit der er seit 1995 verheiratet ist und eine zwölfjährige Tochter hat.
Bahnsport ist der Oberbegriff für vier Einzeldisziplinen: Speedway, Langbahn (auch Sandbahn genannt), Grasbahn und Eisspeedway. Die Bahnlänge beim Speedway beträgt laut Reglement 260 bis 425 Meter, in der Praxis meist um 400 Meter. Langbahnen dürfen 426 bis 1300 Meter messen und haben in der Praxis um 1000 Meter. Die Rennen über vier Runden bestreiten 500 cm³ große, bis 130 km/h schnelle und bremsenlose Einzylindermaschinen, die 60 bis 80 PS leisten und mit Methanol betrieben werden. Speedwaymaschinen haben im Unterschied zu Langbahnrennern kein Getriebe und keine Hinterradfederung. Der erste von zwei Gängen wird auf der Langbahn nur beim Start benötigt. Das Mindestgewicht einer Speedwaymaschine ist 77 Kilogramm, auf der Langbahn müssen es fünf Kilo mehr sein. International ist Speedway bedeutender, in Deutschland, Belgien und den Niederlanden sind Langbahnrennen populärer.