Motocross-WM: Saison-Bilanz
Millenium Männer

Gleich zwei deutsche Siegertypen in der Motocross-WM: Das gab es zumindest in diesem Jahrtausend noch nicht - und auch nicht geraume Zeit vorher. Grund genug für eine Bilanz der Saison 2009.

Millenium Männer
Foto: Hodgkinson

Jubelnde deutsche Fans bei einem Motocross-Grand-Prix, begeistert geschwenkte schwarz-rot-goldene Fahnen. Die Off-Road-Welt hatte im WM-Jahr 2009 ausgiebig Gelegenheit, sich wieder an solche Bilder zu gewöhnen, die seit den Glanzzeiten des heutigen KTM-Sportchefs Pit Beirer um den Jahrtausendwechsel praktisch verschwunden waren. Und der 250er-Vizeweltmeister von 1999 hatte auch an der deutschen Motocross-Renaissance großen Anteil. Den heute 22-jährigen Maximilian Nagl holte Beirer vor der WM-Saison 2008 ins KTM-Werksteam der Top-Klasse MX1, wo Viertakt-Maschinen bis 450 cm? dominieren. Nach erfolgreichem Lehrjahr als WM-Sechster mit immerhin zwei WM-Laufsiegen gelang dem Oberbayern 2009 der endgültige Durchbruch. Sieben Siege sowie jeweils drei zweite, dritte und vierte Ränge in den insgesamt 29 Einzel-WM-Rennen machten Max Nagl zum Vizeweltmeister hinter Antonio Cairoli. Auf einer Werks-Yamaha stieg der Sizilianer als Weltmeister der kleineren MX2-Klasse (250-cm³-Viertakter) aus den Jahren 2005 und 2007 fulminant in die Motocross-Champions-League auf. Durch eine komplizierte Knieverletzung anlässlich des südafrikanischen GP Mitte 2008 aus der Saison gekickt, mischte Cairoli die MX1-Welt 2009 dann quasi aus dem Stand auf. Gegen den extrem konditionsstarken Emporkömmling schien kein MX1-Kraut gewachsen. Mit einer imposanten Serie von sechs Siegen in acht Rennen schon im ersten Drittel der WM-Saison fuhr der inzwischen 24-Jährige scheinbar in einer eigenen Welt, noch dazu immer nach dem gleichen Muster. Cairolis Starts verdienen für gewöhnlich alles andere als das Prädikat Weltklasse. Was seine Konkurrenten jedoch im Rest der knapp 40 Rennminuten erleben mussten, kann nur noch mit einem Ausbruch des Ätna auf Cairolis Heimatinsel verglichen werden. Die Lava kühlte erst ab, als Max Nagl sein eigenes Verletzungspech überwunden hatte und mit der genau gegensätzlichen Rennstrategie - unwiderstehliche Blitzstarts, verbunden mit anschließen-der Hasenfußtaktik, also auf und davon - den Tabellenführer gleich viermal in Folge besiegen konnte. 2Während eines Saisonvorbereitungs-trainings im Februar verletzte ich mich am Kahnbein der rechten Hand, das behinderte mich im ersten Halbjahr noch erheblich", erinnerte sich der Vizeweltmeister an den holprigen Saison-start. Nagl, in der Abschlusstabelle der MX1-WM mit 36 Punkten Zweiter hinter dem neuen Champion, war, bevor er gegen Jahresmitte in England, Frankreich und beim Heim-GP in Teutschenthal mit seiner Siegesserie begann, noch abgeschlagen auf WM-Gesamtrang acht, frustrierende 76 Zähler hinter dem Chef.

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Das zweite MX1-Semester 2009 gehörte also ganz klar der KTM-Nummer eins, auch wenn es nicht mehr ganz zum Titel gereicht hat. Genau dies lässt die deutschen Fans mit großem Optimismus auf die kommende Saison 2010 hoffen. Dann nämlich treffen Cairoli und Nagl als Teamkollegen aufein-ander. Und selbst die theoretischen Vorteile dabei werden gerecht aufgeteilt. Cairoli muss sich als KTM-Neuling an die orangenen Renner aus Oberösterreich gewöhnen. Nagl bekommt es dafür mit dem Di-Carli-Team zu tun, das zusammen mit dem Weltmeister von Yamaha auf KTM umsteigt. Wie 2009 ist der zweite deutsche Superheld Ken Roczen auch künftig auf Suzuki in der MX2-Klasse unterwegs. Der Thüringer konnte erst mit Verspätung in die WM 2009 einsteigen, weil er vor seinem 15. Geburtstag am 29. April noch nicht startberechtigt war. Danach aber donnerte der Jüngling mit zwei Siegen, sieben zweiten und einem dritten Platz noch auf den fünften Rang in der MX2-Gesamtwertung. Er ließ seine meist auch nicht mehr als vier oder fünf Jahre älteren Widersacher mitunter ganz schön alt aussehen, auch den neuen Weltmeister Marvin Musquin aus Frankreich, der im Laufe der Saison von Honda auf KTM umgestiegen ist. Roczens Scrub-Sprünge - flacher, kürzer und dennoch wesentlich spektakulärer als die der Gegner - zeigen den Weg in die Motocross-Zukunft, wo vielleicht bald schon zwei WM-Titel auf ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer warten.

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