Nach zwei Seuchenjahren in der Superbike-WM geht Max Neukirchner nach Hause - aber nicht zum Aufhören, sondern, um mit MZ ein sächsisches Moto2-Nationalteam aufzubauen. MOTORRAD-Reporter Friedemann Kirn sprach mit ihm.
Nach zwei Seuchenjahren in der Superbike-WM geht Max Neukirchner nach Hause - aber nicht zum Aufhören, sondern, um mit MZ ein sächsisches Moto2-Nationalteam aufzubauen. MOTORRAD-Reporter Friedemann Kirn sprach mit ihm.
? Max Neukirchner, ziehen wir zunächst eine Abschlussbilanz Ihrer verunglückten Superbike-Saison 2010 auf Ten-Kate-Honda: Was war der Kern des Problems?
! Zunächst einmal kann ich kein schlechtes Wort über Honda sagen. Sie haben ein gutes Motorrad in der Superbike-Weltmeisterschaft. Aber die Chemie hat halt nicht so gepasst mit dem Team, dass ich damit zurechtgekommen wäre. Ich habe genau dieselben Aussagen gemacht, die ich schon damals bei Klaffi-Honda und auch im Suzuki-Werksteam gemacht habe. Die haben mich verstanden, die haben auch am Datarecording gesehen, was ich für Probleme habe, und konnten das umsetzen. Genau das hat dieses Jahr bei mir, finde ich, gefehlt.
? Mit jemandem, der speziell auf Sie eingegangen wäre, wäre die Saison besser gelaufen?
! Genau.
? Monatelang geisterte durch die Presse, Sie seien mit dem Pramac-Ducati-MotoGP-Team im Gespräch.
! Wir waren da sehr, sehr nah dran. Wir haben uns alle bereits in Frankfurt getroffen. Die Chefs von Pramac waren auch da, und die Verträge sollten an dem Abend unterschrieben werden. Zu diesen Unterschriften kam es dann nicht. Die Einzelheiten will ich nicht nennen. Die Finanzierung ist halt nicht zustande gekommen.
? Ist MotoGP wie für viele Fahrer auch für Sie der ultimative Traum?
! Ja, und jetzt noch mehr. Dieser Traum ist trotz des gescheiterten Ducati-Vertrags realistischer geworden und näher gerückt, weil ich jetzt alle Strecken kennenlerne, auf denen MotoGP gefahren wird, und weil ich in dem Zirkus jetzt drin bin. Ich hoffe schon, dass wir uns Stück für Stück nach vorn kämpfen und irgendwann sogar die Chance erhalten, MotoGP zu fahren.
? Bevor es soweit kommt, steht zunächst der Moto2-Einstieg mit MZ bevor. Was bedeutet es für Sie als sächsischen Fahrer, auf einem sächsischen Motorrad anzutreten?
! Für unsere Region ist das eine geile Geschichte. Es kann nichts Besseres geben. Alle sind hochmotiviert, und wir versuchen jetzt auch, viele Firmen im Umkreis, in Sachsen zu motivieren, das Projekt zu unterstützen. Es kann wirklich eine extrem gute Sache werden, das nach vorn zu treiben. Aber dazu brauchen wir halt hier und dort starke Partner, damit wir das Motorrad gut entwickeln können und dass eben auch MZ es wieder schafft, den Einstieg in die Serienproduktion anzukurbeln, dass wieder Motorräder produziert werden. Deshalb ist es sicher richtig, dass einer wie ich, ein Sachse, an dem Projekt beteiligt ist. MZ-Chef Martin Wimmer kann damit, denke ich, viel besser neue Partner gewinnen. Warum ich mich persönlich für MZ entschieden habe, ist bestimmt die nächste Frage: Wir haben nach vielen Möglichkeiten gesucht, und ich wäre auch wirklich gern bei den Superbikes geblieben. Es gab dort Teams, in denen ich hätte unterkommen können. Doch es waren Teams, denen Geld gefehlt hat. Es ist schwer, wenn du irgendwo arbeiten willst und du musst dem neuen Chef dafür 100000 bis 300000 Euro mitbringen. Ich denke, das würde bei uns so schnell keiner machen, und das ist uns auch schwer gefallen. Wir haben daraufhin nach Alternativen gesucht, und das ist nun einmal die Moto2-Klasse, mit vielen Fahrwerksherstellern, Moriwaki, Suter, Kalex, Bimota, und Teams, wo ich bestimmt auch gegen Bezahlung hätte fahren können. Aber dann wären wir wieder in eine Mannschaft gekommen, wo wir keinen kennen, niemanden mitbringen dürfen und wo ich mit dem Fahrwerk hätte zurechtkommen müssen, das da steht. Außer MZ gab mir keiner die Möglichkeit, selbst mitzubestimmen, wer nächstes Jahr an meinem Motorrad schraubt. Wenn wir das richtig einsetzen und ausnutzen, haben wir wirklich die Möglichkeit, ein Motorrad um mich herum zu bauen. Das war ein sehr großer Anreiz für mich.
? Sie haben zur Vertragsbedingung gemacht, mit dem Italiener Marco Nicotari zusammen zu arbeiten. Wer ist das? Warum ist das so wichtig?
! Wir haben noch nicht längere Zeit miteinander gearbeitet. Aber wir haben schon hier und dort Gespräche über Fahrwerke und die Weiterentwicklung geführt, und ich habe ein Mega-Vertrauen in ihn. Das ist kein Schwätzer. Martin Wimmer weiß das auch. Er war einmal bei ihm und kann bestätigen: Der hat Ahnung vom Fahrwerk, von der Entwicklung eines Motorrads, der kann sich da richtig mit reindenken. So einen Mann brauche ich an meiner Seite. Wir haben uns angeschaut, was er für Möglichkeiten hat, und es hat alles Hand und Fuß. Wenn ich mit ihm rede, sehe ich immer wieder, dass ich eine Vertrauensperson habe. Ich habe in der Vergangenheit ja schon mit vielen verschiedenen Mechanikern zusammengearbeitet, und ich müsste mich gewaltig täuschen, wenn ich da die falsche Entscheidung getroffen hätte.
? Gibt es ein Beispiel für diese Kompetenz?
! Im letzten Superbike-Rennen in Magny-Cours haben wir nach jedem Training miteinander gesprochen, und alles, was er vorgeschlagen hat, war sinnvoll. Er hat mir erklärt, wir müssten die von Kenny Roberts gebaute Schwinge wieder einsetzen. Die hatte ich schon mal zu Anfang und zu Mitte der Saison ausprobiert, doch weil ich nicht sofort schneller war, baute sie das Team umgehend wieder aus. Diese Schwinge erzeugt mehr Grip, aber auch mehr Bewegung im Chassis, und jetzt in Magny-Cours hat mir Marco erklärt, wie man das Motorrad darauf abstimmen muss. Es war ein Kampf, den Einsatz dieser Schwinge und die entsprechende Abstimmung durchzusetzen, aber das Motorrad hat dann prima funktioniert, und ich war von einem aufs andere Training über eine Sekunde schneller. Das hat mir noch mehr Vertrauen zu Marco gegeben.
? Wie wird die Arbeit künftig aufgeteilt. Wartung in Italien, Weiterentwicklung in Sachsen?
! Die Entwicklung wird bei MZ laufen, Marco betreut mich an der Rennstrecke und nimmt das Motorrad danach auch mit nach Hause. Neue Teile werden aber weiterhin in Zschopau gemacht.
? Welchen Eindruck haben Sie von der Moto2-Klasse insgesamt?
! Dass es in der Moto2 wirklich nur darauf ankommt, dass das Chassis perfekt sein muss, dazu Auspuff und Verkleidungsform. Auf Einheitsmotoren, Einheitsreifen, Einheitssprit braucht man kein Augenmerk zu legen. Sondern darauf, mit dem Chassis das letzte Zehntel zu finden. Natürlich ist es eine Mega-Klasse. Es gibt 40, manchmal sogar 42 Fahrer, und es wird richtig gefightet. Weil jeder gleichviel PS hat, ist die Leistungsdichte extrem, und man braucht richtig Biss, wenn man ganz nach vorn kommen will.
? An Biss fehlte es dem MZ-Team bisher nicht, wohl aber an der technischen Grundlage zum Erfolg. Machen Sie sich Sorgen wegen der bisher insgesamt enttäuschenden Resultate?
! Wenn man das Paket jetzt sieht, macht mir das absolut keine Sorgen. Das Motorrad ist an seinem derzeitigen Limit, und wegen der Ergebnisse braucht man nicht geschockt zu sein, weil derzeit einfach nicht mehr geht, weil das Team nicht mehr Mittel dafür hat, um es besser zu machen. Für nächstes Jahr können und wollen wir vieles verändern, um das Paket nach vorn zu treiben.
? Wie war Ihr erster Fahreindruck mit der MZ RE-Honda Moto2?
! Die Maschine ist sehr, sehr klein. Am Anfang habe ich wirklich gedacht, ich sitze auf einer 125er. Wenn kurze Geraden kommen, ist es schwer, sich schnell wieder hinter der Verkleidung zu verstecken. Es war auch ein Schock, so wenig Leistung zu haben. Man kann am Kurvenausgang extrem früh ans Gas gehen. Man muss sehr, sehr rund fahren. Derzeit fällt es mir noch schwer, mit der Maschine einzulenken. Am Kurvenausgang ist es gar nicht so schlecht.
? Man sieht bei vielen Piloten in der Klasse, dass sie extrem in die Kurven rein driften. Liegt Ihnen dieser Fahrstil?
! Den müsste ich mir erst aneignen. Ich habe jetzt schon gemerkt, wenn man schnell die Gänge runter schaltet, kommt sofort das Hinterrad rum. Für mich war es ungewohnt, aber von Runde zu Runde kriegst du es halt besser mit. Irgendwann bist du es gewohnt. Am Anfang hatte ich noch Respekt. Ich wollte nicht, dass das Hinterrad zu stark rumkommt und mich aus dem Sattel wirft.
? Was können Sie beitragen, um den Entwicklungsprozess bei MZ zu beschleunigen? Viel testen, viel analysieren, Werksbesuche absolvieren?
! Mir wäre es am liebsten, wenn ich mich hätte draufsetzen und sofort so schnell fahren können wie die ersten fünf. Dann bräuchten wir fast nichts zu machen. Doch wir müssen auf dem Teppich bleiben und die Situation realistisch einschätzen, dass wir uns, auf Deutsch gesagt, in den Hintern treten müssen. Nach dem Test in Valencia und den beiden anschließenden Tagen in Aragon haben wir viele Daten gesammelt und werden sehen, was wir für die dann folgenden Tests neu machen müssen. Natürlich wollen wir auch in den Windkanal, wollen auch alles genau vermessen, erkennen, wie der Rahmen steht und was wir daran verändern könnten. Ich verlasse mich da voll auf Nicotari, der auch viele technische Sponsoren mit einbringt. Wie wir von deutscher Seite auch: Das Schöne ist schon, zu sehen, wie viele motiviert sind, mitzumachen. In Deutschland gibt es viele Firmen und viele Technik-Spezialisten, die sich über mein Engagement freuen, die mich gut leiden können und das Projekt nach vorn treiben wollen. Es wäre natürlich fantastisch, wenn es ein deutsches Projekt ganz nach vorn schaffen würde.
? Wie viel lässt sich mit diesem Projekt nach Ihrer Einschätzung erreichen?
! Theoretisch ist alles möglich, wenn das ganze Puzzle zusammengefügt wird. Natürlich wollen wir, will MZ in der nächsten Saison besser sein als dieses Jahr, und ich bin mir sicher, dass wir das schaffen. Ich will nicht sagen, dass wir Weltmeister werden nächstes Jahr, aber es muss Stück für Stück nach vorn gehen. Ich will unbedingt, dass die Leute Fortschritte sehen, und dass wir im ersten Rennen gut mit dabei sind.
? Wie wichtig ist ein starker Teamkollege, um die Entwicklung voran zu treiben? Suter hat unter anderem wegen des Inputs von so vielen verschiedenen, starken Fahrern die Marken-WM gewonnen.
! Klar hat Suter viel mehr Chassis und kann damit auch viel mehr Entwicklungen machen. Aber manchmal ist es auch besser, klein zu bleiben und sich nur auf ein oder zwei Chassis zu konzentrieren, anstatt auf zehn. Ich denke mal, das führt auch zum Erfolg. Es wäre aber toll, wenn Arne Tode neben mir ins Team kommen könnte. Er ist ein guter Entwicklungsfahrer, mit dem sich manche Aufgaben teilen lassen, und es wäre auch für Sponsoren in Sachsen sehr attraktiv, wenn ein komplett sächsisches Team an den Start ginge.
? Mit Arne Tode im Team gäbe es keine Trennwand wie zwischen Rossi und Lorenzo?
! Wir haben schon Witze darüber gemacht, dass wir im Falle einer Zusammenarbeit tatsächlich eine Wand zwischen uns brauchen – weil wir sonst nur am Lachen sind.