
Adi war entschlossen, an seinem Plan festzuhalten, obwohl Otto auf der Kippe stand. Otto war Bauernsohn und hatte seinem Vater bei der Waldarbeit mit der Motorsäge den Fuß abgesägt. Schließlich schaffte er es doch noch irgendwie, mit seinem Kumpel Adi im Frühjahr 1982 beim Hercules Sachs Cup auf dem Nürburgring zu starten. „Wir sind als absolute Blindgänger hingefahren und auf Halbprofis getroffen“, erinnert sich Adi Stadler an seine Anfänge im Rennsport.
Zwei Jahre später gewann er den OMK-Pokal. Zum Schrecken seiner Eltern steckte er alles, was sie im Laufe der Jahre angespart hatten, in eine 125er-MBA. 18 000 Mark zahlte er für das Gebrauchtmotorrad, das Stefano Caracci gehört hatte, dem Sohn einer berühmten Ducati-Tuner-Familie. Das Ziel war die Deutsche Meisterschaft. Angestachelt von seinen Arbeitskollegen, ging Adi Stadler sogar das Experiment Weltmeisterschaft an. Seinen ersten WM-Lauf fuhr er in Jarama, 2400 Kilometer weg von zu Hause. In einem 55-PS-Diesel von Mercedes tuckerte die Truppe nach Spanien - mit 90 km/h Spitze. Als der WM-Neuling endlich auf der Piste stand, waren die Größen des Sports auch schon da: „Die sind rechts und links an mir vorbeigeblasen. Ich dachte, ich bin im falschen Film.“
Von WM-Punkten konnte Stadler nur träumen, aber schon ein Jahr später holte er die ersten. 1987 wurde er Europameister - zum idealen Zeitpunkt: Toni Mang gewann seinen letzten Titel in der 250er-Klasse vor Reinhold Roth, und Karl Maier holte den Titel in der Langbahn-WM. Der Motorradrennsport in Deutschland hatte Hochkonjunktur. Im Jahr darauf fuhr auch der jetzt 24-jährige Adi Stadler auf einer 125er-Honda seine erste volle Grand Prix-Saison und wurde Siebter. 1990 gelang ihm vor 200000 Zuschauern in Assen mit dem dritten Rang der erste WM-Podiumsplatz. Es blieb sein einziger, obwohl 1991 ein Sieg zum Greifen nah war: „Ausgerechnet beim Hockenheimring-Grand-Prix hat mich Fausto Gresini zwei Runden vor Schluss in der Sachskurve abgeschossen.“ Ralf Waldmann gewann, doch der Pechvogel Stadler wurde zu Hause gefeiert wie ein Held. Zum Grillfest in Ziegelstadel bei Obing erschienen über 1000 Gäste, darunter auch Toni Mang und Helmut Bradl. Gemeindepfarrer Valentin Kremmel reiste nachher sogar mit zu den Rennen nach Assen und Francorchamps.

Mit dem Umstieg in die 250er-Klasse 1992 tat sich Adi Stadler schwer. Er wurde zwar Deutscher Meister, doch in der WM konnte er nicht mithalten. Nach der Saison 1995, hohen Kosten, viel Materialverschleiß und technischen Problemen war die Luft raus. Er wollte zurück in die normale Welt, den Kfz-Mechanikermeister machen, ein Motorradgeschäft eröffnen, eine Waschanlage bauen.
Bis auf den Meister und die Waschanlage blieb alles Utopie. Stadler konnte die Betreuung des Nachwuchstalents Reinhard Stolz nicht ablehnen und den Job als Technischer Servicemanager für HRC im Grand Prix schon gar nicht. Seit 1998 ist er im Dienst des größten Motorradherstellers der Welt: „Ich bin das Bindeglied zwischen der Honda Racing Corporation und ihren Kunden. Technische Informationen vom Werk gelangen so direkt zu den Teams. Im Grand Prix-Bereich werden auch Bauteile direkt von Japan aus an die jeweiligen Strecken versandt und dort von mir zugestellt.
Ich bin so vorbereitet, dass ich die Motoren selbst schon einmal zerlegt und montiert habe, um alle technischen Details zu kennen.“ Adi Stadler ist für HRC die ideale Kombination aus Ex-Rennfahrer und Techniker. Momentan ist er für die Honda-Teams in der Moto2- und Moto3-WM zuständig: „Alles hat leise begonnen, auch der Honda-Job. Er hatte anfangs die Hälfte des Umfangs von heute. Aber irgendwann bin ich in der Mühle dringesteckt.“
Das liegt auch an seinen eigenen Initiativen. Er überredete Norbert Köpke, den ehemaligen Chef von Honda Deutschland, zu einem Nachwuchsprojekt: „Köpke kam nach München geflogen, im Business-Anzug. Es hatte 32 Grad, und ich stand da mit dem alten Auto meiner Frau, das keine Klimaanlage hatte.“ Dafür textete Stadler den Geschäftsmann zu. Mit dem Ergebnis, dass dieser 20 Honda NSR 50 für Minibike-Rennen bestellte. Stadler: „Da hatte ich schon den nächsten Wahnsinn im Kopf.“

Er transferierte das Konzept des spanischen Movistar Junior Cups, der von Ex-GP-Fahrer Alberto Puig geleitet wurde, nach Deutschland: „Alberto hat mir sein ganzes Wissen übergeben. Ich konnte Honda Deutschland und den ADAC von dem Projekt überzeugen. Meine Traumkonstellation war, dass Sepp Schlögl und Toni Mang mitarbeiten. Toni war fünfmal Weltmeister, konnte mit Jugendlichen gut umgehen und hatte jede Menge Erfahrung.
Der ADAC war gegen ihn. Aber die Euphorie über den Start der Dark Dog Challenge 2002 hat überwogen.“ Im Nachhinein ist Stadler von der späteren Entwicklung enttäuscht. Nach drei Jahren wurde das Projekt eingestellt. „Mit Georg Fröhlich waren wir 2004 in die 125er-WM eingestiegen, aber die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Daraufhin wollte der ADAC alles umkrempeln.“
Seinen Freund Sepp Schlögl vermittelte Stadler im Jahr 2005 als Technikchef ins Elit-Team, worauf der Schweizer Tom Lüthi aus dem Stand 125-cm³-Weltmeister wurde. Dann begann auch schon die Ära Stefan Bradl. Stadler hatte ihn als Dreijährigen kennengelernt, und als Bradl junior mit 13 Jahren in den Red Bull Rookies Cup einstieg, kam er wieder auf die Bildfläche. Allerdings unterschrieb er nach dem Aufstieg in die Internationale Deutsche Meis-terschaft bei KTM. Damit war das Thema Bradl für HRC-Mann Stadler erst einmal erledigt. „Als sich der Rückzug von KTM aus der IDM ankündigte, hat Helmut wieder den Kontakt zu mir gesucht“, erzählt Stadler. Er brachte Stefan Bradl bei Alberto Puig unter, doch spielten in dessen Nachwuchsförderung die Eltern der Junioren keine Rolle. Stefan schmiss hin und ging andere Wege. „Aus heutiger Sicht weiß ich, warum es mit ihm in Spanien nicht funktioniert hat. Stefan war auf seinen Vater angewiesen. Bis zu seinem Moto2-WM-Titel hatte Helmut maßgeblich Anteil an den Erfolgen“, so Stadlers Analyse.
Gleichsam im Nebenjob wirkt er als Förderer von Nachwuchstalenten, denen er mit Einfluss und praktischer Arbeit weiterhilft. Derzeit baut er für den jungen IDM-Piloten Michael Ecklmaier eine Moto3-Maschine auf. Bevor ihn der nächste Wahnsinn packt.

Geboren am 12.04.1964, verheiratet mit Hanni, Töchter Franziska, Anna und Katharina, wohnt in Obing
1982 Einstieg in den Hercules Sachs Cup, erster Sieg
1984 OMK-Pokalsieger, Juniorenmeister 125 cm³
1987 Europameister 125-cm³-Klasse
1988 erste komplette WM-Saison auf Honda RS 125, siebter Platz in der Gesamtwertung
1990 erstes und einziges Podium, Platz drei in Assen auf JJ Cobas, elfter Platz in der Gesamtwertung
1992 Aufstieg in die 250-cm³-WM auf Honda
1993 Deutscher Meister 250 cm³ auf Honda
1994 250-cm³-WM auf Honda, 27. Platz in der Gesamtwertung
1995 Ende der Karriere als Rennfahrer
seit 1998 Euro Technical Support Manager bei HR